Virtuelle Rekonstruktion der Kölner Jesuitenbibliothek

Die Kölner Jesuitenbibliothek wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Teil der sogenannten Gymnasialbibliothek. Wie kam es dazu? Dieser Frage gehen wir nach und können dank der Förderung durch den Kölner Gymnasial- und Stifungsfonds - in Zusammenarbeit mit unseren Projektpartnern - das kulturelle Erbe der ehemaligen Kölner Jesuiten umfangreich erforschen und digital erfassen.

Sammlungsstart 21. April 2021

Die Jesuitensammlung Köln ist online! Ein LAM-Projekt (Library, Archive, Museum) der USB Köln.

„Lieber ein Kollegium ohne eigene Kirche als ein Kollegium ohne eigene Bibliothek“

Diese Einstellung vertrat Petrus Canisius (1521-1597), ein niederländischer Jesuit, der die Anfänge der Jesuiten nördlich der Alpen entscheidend prägte.

Der Kölner Jesuitenorden hatte von 1556 - 1773 beides: St. Mariä Himmelfahrt, die an der Marzellenstraße gelegene Kollegkirche und die dort ebenfalls untergebrachte Kollegsbibliothek, die unter anderem das Tricoronatum (Dreikönigsgymnasium) mit Schulliteratur versorgte.

Heute ist diese Bibliothek verstreut in der 40.000 Bände umfassenden Gymnasialbibliothek. Dank der Förderung durch den Kölner Gymnasial- und Stifungsfonds (GSF) konnten wir einen Teil dieser Bibliothek nun in einem Sammlungsportal rekonstruieren.

Unser dreiköpfiges "Jesuiten-Team", bestehend aus einem Doktoranden, einer Diplom-Bibliothekarin und einer Studentischen Hilfskraft, durchsuchte dafür den Bestand der bei uns aufgestellten Gymnasialbibliothek nach Büchern aus der Jesuitenbibliothek und präsentierte am 21. April 2021 dem Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds sein Arbeitsergebnis. Durch die Überprüfung per Autopsie erhalten wir Antworten auf Fragen wie: "Welche Bücher wurden für Studium und Lehre beschafft?" oder auch "Welche Bücher durften nicht in der Schulbibliothek aufbewahrt werden?"

Zusätzlich geben die in den Bänden vorhandenen Besitzeinträge wertvolle Hinweise auf die Beziehungen der Kölner Jesuiten zu ihren Ordensbrüdern im europäischen Ausland. Eine Katastrophe für die Jesuiten, aber eine Chance für die heutige Forschung ist dabei der Bibliotheksbrand von 1621, der einen Neuaufbau der Büchersammlung nötig machte.

Weitere vom GSF geförderte Projektpartner sind das Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud sowie der Lehrstuhl für Geschichte der Frühen Neuzeit. Gemeinsam verfolgen wir das Ziel, die Sammlungen der Jesuiten zu erforschen und zu beschreiben. 

Bevor die Projektfinanzierung durch den Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds 2022 endet, wird die Sammlung noch um Zeichnungen und Drucke des Wallraf-Richartz-Museums ergänzt.

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21.04.2021

Entstehung der Kölner Gymnasialbibliothek um 1800

In der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln sind heute verschiedene historische Sammlungsbestände untergebracht. Mit rund 40.000 Bänden ist die sogenannte Gymnasialbibliothek die größte. Historisch geht sie auf die Zeit um 1800 zurück, als Köln zu Frankreich gehörte. Damals stellte die französische Verwaltung aus Buchbeständen, die sie in der Stadt vorfand, eine Bibliothek zusammen, die Lehrmaterial für die École centrale (1798-1803) bereitstellen sollte. Die meisten dieser Bücher stammten aus dem Besitz der ehemaligen Kölner Klöster und Gymnasien, die während der Franzosenzeit aufgehoben wurden, sowie aus dem ehemaligen Kölner Jesuitenkolleg.

Die Kölner Jesuitenbibliothek von 1544 bis heute

Die Jesuiten waren seit 1544/45 in der Stadt ansässig und leiteten seit 1556 das Gymnasium Tricoronatum (Dreikönigsgymnasium). Hauptsächlich für den Schulbetrieb bauten sie einen umfangreichen Buchbestand auf. Unterbrochen wurde dieser Aufbau 1621 durch einen Brand, dem wohl zahlreiche Bücher zum Opfer fielen; die Jesuiten starteten aber noch im gleichen Jahr den Neuaufbau ihrer Bibliothek. Diese blieb auch nach der Auflösung des Jesuitenordens 1773 zunächst an ihrem Platz. Die Franzosen konfiszierten zwar einige wertvolle Bücher, nutzen aber den Großteil des Bestandes als Grundstock für ihre Schulbibliothek. Seit dieser Zeit befindet sich die Gymnasialbibliothek im Besitz des Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds.

Nach dem Ende der Franzosenzeit wurden die Bücher der Gymnasialbibliothek weiter als Lehrmaterial genutzt und durch Neuerwerbungen ergänzt. Die heutige Systematik geht auf eine Umstrukturierung in den 1820er Jahren zurück, durch welche die Bibliothek für Schüler besser nutzbar gemacht wurde; die historische Aufstellung wurde dabei aber auseinandergerissen. Schließlich wurden die Gymnasialbibliothek - wie auch die Kölner Ratsbibliothek und die Bibliothek von Ferdinand Franz Wallraf - zur Stadtbibliothek zusammengefügt. 1920 gingen die Bestände in der neugegründeten Universitäts- und Stadtbibliothek Köln auf, in der sich die Gymnasialbibliothek bis heute als Dauerleihgabe befindet.

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Ziel des Projektes

Ziel des Projektes ist es, die Jesuitenbibliothek als Sammlung virtuell wiederherzustellen und nutzbar zu machen. Die bibliografischen Daten der Bücher aus der Gymnasialbibliothek  sind recht lückenhaft erfasst, darüber hinaus fehlt weitgehend die Erfassung und wissenschaftliche Erforschung der Provenienzen. Für die Bibliothek des Kölner Jesuitenkollegs kann diese Lücke dank der Förderung durch den Kölner Gymnasial- und Stiftungsfonds nunmehr geschlossen werden.

Das wird gemacht

Die Bücher aus ehemaligem jesuitischem Besitz sind in der Regel gut zu identifizieren, da sie einen handschriftlichen Besitzvermerk des Kölner Kollegs aufweisen. Diese Besitzvermerke wurden in sehr unterschiedlicher Art und Weise formuliert, wie die Beispiele in der Fotogalerie verdeutlichen. In einem dreijährigen Forschungsprojekt werden alle Bücher des Standortes „Gymnasialbibliothek“ autoptisch auf den Vorbesitz der Kölner Jesuiten überprüft.

Die Bände aus ehemals jesuitischem Besitz werden für die Bearbeitung dem Magazin entnommen, im Katalog überprüft und korrigiert. Die Provenienzvermerke werden erfasst und über das Kölner Provenienzportal verfügbar gemacht. Außerdem werden die Datensätze mit Informationen zu den Provenienzen angereichert, die auf die Gemeinsame Normdatei (GND) verweisen. Schließlich erhalten die Katalogdatensätze der Bände den Sammlungsvermerk  „Sammlung Jesuitenbibliothek“. Über ein eigenes Sammlungsportal sollen diese Bestände in Zukunft durchsuchbar gemacht werden.

Nach der bibliothekarischen Datenerhebung folgt die wissenschaftliche Erschließung dieses Bestandes. Vanessa Skowronek, ehemalige Mitarbeiterin im Jesuiten-Projekt, berichtet davon im blog // zeitenblicke.