Gentz - Der Sekretär Europas
"Friedrich von Gentz - Sammlung Herterich" beinhaltet weit mehr als die Nachlässe aus den Archiven in Wien, Prag und Köln zum Leben und Werk von Friedrich von Gentz. Wertvolle Materialien aus dem preußischen Archiv in Berlin sowie eine Reihe von Korrespondenzen mit zeitgenössischen Publizisten, Staatsmännern und Diplomaten sind vorhanden. Die Sammlung gliedert sich in fünf Teile: der erste umfasst die Werke von Gentz, im zweiten Teil folgen die Tagebücher, der dritte enthält die Korrespondenz, der vierte die Sekundärliteratur, der fünfte Teil beinhaltet Herterichs eigene Korrespondenz. Neben vielen Originaldokumenten, die Günter Herterich erwerben konnte, trug er auch Kopien von Archivalien zusammen, deren teilweise Übersetzung er anfertigte und hinzufügte. Abgelegt bzw. gespeichert sind die Texte in 432 Aktenordnern und 522 Mikrofilmen.
Biografische Notizen zu Friedrich von Gentz (1764 - 1832)
Friedrich von Gentz war preußischer Beamter, Publizist, Finanzexperte und österreichischer Diplomat und Staatsmann sowie freier Schriftsteller, Schöpfer politischer und intellektueller Netzwerke im Rahmen einer anti-napoleonischen Bewegung, Orientalist und Leiter der osmanischen Politik in Österreich. Er war vor allem begeisterter Europäer und ein Spät-Aufklärer. 1764 in Schlesien geboren, aus einer Beamtenfamilie mit hugenottischen Wurzeln stammend, studierte er in Königsberg Rechtswissenschaften und Philosophie (bei Kant). 1785 erhielt er in Berlin eine Beamtenstelle. Nach der Französischen Revolution hat er zuerst als Übersetzer gegenrevolutionäre Schriften publiziert und als Herausgeber von Zeitschriften wie dem "Historischen Journal" in der Öffentlichkeit gewirkt. 1802 ging er von Preußen nach Österreich und reiste im gleichen Jahr nach London, wo er von allen englischen Zeitschriften als der größte politische Schriftsteller seiner Zeit gefeiert wurde. Zwei Jahre später adelte ihn der schwedische König, woraufhin er sich "Chevalier de Gentz" nennen durfte. Nach 1812 wirkte er als enger Mitarbeiter und "Ghostwriter" von Clemens Fürst Metternich. 1814 war Gentz Generalsekretär und Protokollführer des Wiener Kongresses sowie aller anderen Kongresse des post-napoleonischen Europas bis hin zum Veroneser Kongress 1822. Anfang der 1830er Jahre ging Gentz auf Distanz zu Metternichs Politik. Die letzten Lebensjahre verbrachte er nach diesem Bruch zurückgezogen in Wien, wo er am 9. Juni 1832 starb.
Mit freundlichem Dank an Herrn Raphaël Cahen, dessen Vortragstext "Forscherglück: vom wissenschaftlichen Arbeiten mit Nachlässen am Beispiel der Gentz-Sammlung Herterich" Grundlage dieser Sammlungsbeschreibung ist.
Der Gentz-Sammler Günter Herterich (1939-2014)
Der 1939 in Stuttgart geborene Gentz-Forscher und Sammler Günter Herterich war ein Kölner SPD-Politiker. Von 1975 bis 1980 war er Vorsitzender der Kölner Ratsfraktion, Mitglied des Landtages in Nordrhein-Westfalen sowie von 1980-1987 Bundestagsabgeordneter. Als Kommunalpolitiker war Günter Herterich maßgeblich an der Entwicklung großer städtebaulicher und kultureller Projekte beteiligt. Dazu zählen die Tieferlegung und der Ausbau der Rheinuferstraße, die Entwicklung des Stollwerck-Geländes und vor allem die Schaffung der Kölner Philharmonie und des "Museum Ludwig". Am 21. April 2014 ist Günter Herterich in Köln gestorben.
Mit großer Energie und Sorgfalt hatte der Historiker über einen Zeitraum von fast 30 Jahren viele Dokumente von und über Friedrich von Gentz zusammengetragen. Dabei galt sein Hauptaugenmerk der umfangreichen Korrespondenz des Diplomaten. 2008 stellte Günter Herterich sein Archiv der Öffentlichkeit und der Wissenschaft zur Verfügung. Als Heimstatt der Schenkung bestimmte er die USB Köln, der er überdies rund 5.000 Bücher aus seiner umfangreichen Bibliothek übergab. Die thematischen Schwerpunkte der Bücher sind neuere deutsche und lateinamerikanische Geschichte. Alle Bücher sind im USB-Katalog mit dem Hinweis "Sammlung Günter Herterich" gekennzeichnet.
USB ist Projektpartner der „Forschungsstelle Universitätssammlung Friedrich von Gentz“
Wiederentdeckte „Schatztruhen“ in den Kölner Universitätssammlungen
Neue Forschungsstelle arbeitet an Quellen zu Friedrich von Gentz
Der Lehrstuhl für die Geschichte der Frühen Neuzeit unter Leitung von Prof. Dr. Gudrun Gersmann (Historisches Institut) und die Universitäts- und Stadtbibliothek eröffneten am 23.10.2014 gemeinsam die neue „Forschungsstelle Universitätssammlung Friedrich von Gentz.“
Als zentraler Protagonist der Zeitenwende um 1800 hat der Publizist und Metternich-Berater Friedrich von Gentz die fundamentalen Transformationsprozesse vom „alten“ zum „neuen“ Europa nach der Französischen Revolution begleitet und mitgestaltet. Der einzigartige Quellenbestand zu Friedrich von Gentz im Besitz der Universitäts- und Stadtbibliothek geht auf die jahrelange wissenschaftliche Sammlungstätigkeit des im April dieses Jahres verstorbenen Kölner Politikers Günter Herterich zurück.
Die umfangreiche Korrespondenz bietet vielfältige interdisziplinäre Zugänge mit hoher Themenaktualität für die nationale und internationale Forschung. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der frühzeitigen Einbindung von Studierenden und NachwuchswissenschaftlerInnen an der Forschungsstelle als Ort des „Forschenden Lernens“. Parallel dazu werden im Projekt „Gentz digital“ unter der Leitung von Prof. Dr. Michael Rohrschneider bereits Teile der Korrespondenz bis März 2015 digital erschlossen und in einer Datenbank für die wissenschaftliche Auswertung verfügbar gemacht.
(Text: Christine Schmitt, M.A., Forschungsstelle Gentz)