Digitale Sammlungen der Universität zu Köln
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1 Beiträge zur Heimatgeschichte Die evangelische Kirche in Solingen-Wald Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2008 2 Andreas Sassen / Claudia Sassen Die evangelische Kirche in Solingen-Wald Inhalt: Seite 1 Aus der Geschichte der ehemaligen Stadt und des Kirchspiels Wald 2 Die Abtei Deutz und das Kirchspiel Wald, politische und kirchliche Verwaltung 3 Gründung des Klosters Gräfrath 3 Das Kirchspiel Wald zur Zeit der Reformation 5 Die reformierte Gemeinde in Wald 8 Der befestigte Friedhof an der Kirche nach der Vermessung des Geometers Stamm 9 Der mittelalterliche Kirchenbau zu Wald, erste Vermutungen 9 Gestalt und Bedeutung des Kirchturms 13 Die romanische Basilika 15 Der Anbau – eine Seitenkapelle? 16 Ein rätselhafter Mauervorsprung – stand in Wald eine Emporenbasilika? 17 Die Ausstattung der Kirche, Taufstein – 21 Zusammenfassung 20 Der Einsturz der alten Kirche 21 Die Ablösung der Walder Kirche vom Kloster Gräfrath 22 Versuche zum Neubau der Kirche 22 Hungerjahre 1816-17 24 Grundsteinlegung zur neuen Kirche 24 Aus der Rede des Pastors Schemmann 26 Erneute Verzögerungen 26 Erbauung der protestantischen Kirche in Solingen-Wald, von W. Zimmermann 31 Die Gestalt der Walder Kirche – 35 Zusammenfassung 36 Die an der Erbauung der Kirche beteiligten Baumeister: 40 Literatur 41 Zeittafel 800-1825 3 Die evangelische Kirche in Solingen-Wald, wie wir sie heute sehen, ist ein Werk des frühen 19. Jahrhunderts. Schon zur Zeit ihrer Errichtung wurde sie zu einer baugeschichtlichen Se-henswürdigkeit und zählt heute zu den schönsten klassizistischen Bauten in Deutschland. Adolph von Vagedes, ein Architekt noch vor der Zeit Schinkels, konzipierte und baute sie als erste Kirche im Rheinland nach der Ära Napoleons. Sie lehnt sich an einen Turm, der mit fast 900 Jahren heute der älteste Zeuge des Mittelalters im Solinger Raum ist. Vom einstigen Kirchenschiff ist uns nur ein Umriss überliefert, der auf dem Plan des Geometers J. P. Stamm aus dem Jahre 1769 zu finden ist. Dort bildet die Kirche mit dem Kirchhof noch eine von einer Ringmauer umschlossene wehrhafte Anlage. Die Reste frühmittelalterlicher Vor-gängerbauten werden alle unter der gegenwärtigen Kirche vermutet. Aus der Geschichte der ehemaligen Stadt und des Kirchspiels Wald1 Erste Gründungen Die älteste Namensfindung der heutigen Großstadt Solingen ist Solonchon, eine westfälische Ab-wandlung der Form Solungun. Der Solinger Raum ist vom Rhein her im 8. oder 9. Jahrhundert mit Einzelhöfen besiedelt worden, aus denen sich Hofschaften und Ortschaften entwickelten. Die ersten Kirchen unseres Landes hatten als Stifter Suitbertus, den Apostel des Bergischen Landes, der am 1. März 713 in Kaiserswerth starb. Die von ihm gegründeten Gotteshäuser, z. B. in Gruiten, Mettmann und Wülfrath weisen urkundlich nach dem Stift Kaiserswerth hin, dem Stammsitz Suitbertus. Vermut-lich erfolgte die Errichtung der ersten Walder Kirche durch Nachfolger Suitberts in der Zeit Karls des Großen (768-814) oder seines Sohnes Ludwig dem Frommen (814-840). In vielen Fällen wurden bei der Missionierung im rechtsrheinischen sächsischen Gebiet bestehende Kult- und Opferstätten germanischer Gottheiten in christliche Versammlungsorte umgewandelt. Man nutzte das alte Ordnungssystem, beließ am Ort vielfach den Inhabern der Opferstätten ihre Einkünfte, nur mit dem Unterschied, dass nun der eine christliche Gott verehrt wurde. In der Regel entstanden nach der Missionierung kurzlebige kleine Holzbauten, die den Versammelten Raum für den gemein-samen Gottesdienst gaben und Schutz vor der Witterung boten. Durch frühe Pingsdorfer Keramik ist das Bestehen der Burgwallanlage auf der Galapa2 südlich der Stadt und der ersten Solinger Kirche zwischen 850 und 1000 belegt. Etwa gleichaltrig ist auch die Walder Kirche. Beide Pfarrkirchen sind selbständige Gründungen innerhalb der frühen kirchlichen Or-ganisation und standen jeweils in Verbindung mit einem Herrenhof, dessen Inhaber das Patronat be-saß. Der Solinger Hof hatte einen weltlichen Besitzer und Kirchenpatron3, das Patronatsrecht über die Walder Kirche besaß ein Kölner Stift. Die ältesten Kirchen im heutigen Stadtgebiet Solingens befan-den sich also in Solingen Mitte und im Stadtteil Wald. In die Regierungszeit Otto I. (936-973) fällt ein Ereignis, das für die Region von einiger Bedeutung ist. Das Gebiet vom Rhein bis Elberfeld und Angermund, in dem das Kirchspiel Wald liegt, wurde dem Erzbistum Köln zugeeignet, an dessen Spitze Bruno I.4, ein Bruder des Kaisers stand. Wahrscheinlich wurde zu dieser Zeit die Walder Kirche mit allen ihren Einkünften dem St. Ursulastift zu Köln unter-stellt. Vielerorts wurden nach 950 die frühen hölzernen Gottesdienststätten durch erste Steinbauten ersetzt, die längeren Bestand hatten. Vermutlich entstand damals unter dem Patronat von St. Ursula auch die erste steinerne Kirche in Wald, die man sich als einfachen romanischen Saalbau mit einem 1 Über die frühe Geschichte des Hofes, der Kirche und des Kirchspiels Wald gibt der Geschichtsautor Heinz Rosenthal in „Solingen Geschichte einer Stadt“ in Band I, Duisburg 1969 und Band II, Duisburg 1977 Auskunft. 2 Galapa, Burgwallanlage des 9./10. Jhs. auf dem südöstlichen Krahenhöher-Burger Rücken. Siehe Rosenthal, Solingen I. S. 16-17. 3 Rosenthal, Solingen Bd. I. S. 20. Auf der Stelle der heutigen evangelischen Stadtkirche in Solingen konnte 1954 durch den Archäologen Dr. Hermann Hinz eine Saalkirche mit einer flachen rechteckigen Chornische nachgewiesen werden. Anhand der Keramikscherben in der freigelegten Schicht datierte man diese Kirche in die Zeit vom Ende des 9. Jahrhunderts bis Ende des 12. Jahrhunderts. Mit aller Vorsicht kann man sagen, dass bereits um 1000 eine Kirche in Solingen gestanden hat. Zu die-ser Kirche gehörten zwei Gräber, wovon eines aus Tuffsteinplatten an der Außenseite des Chores gelegen war. Das zweite Grab aus Bruchsteinplatten lag in der Verlängerung der Chormauern. Das Vorhandenstein des von weit herangeschafften Tuffsteins deutet auf eine Sonderstellung des hier bestatteten Toten. Die Solinger Saalkirche wurde um 1200 mit einer Pfeilerbasilika überbaut. 4 Bruno I. (der Große) Erzbischof von Köln 953-965. 4 eingezogenen Rechteckchor im Osten vorstellen muss. Da diese Kirchen alle einen offenen Dachstuhl hatten, befanden sie sich in ständiger Brandgefahr. Die Abtei Deutz und das Kirchspiel Wald Im Jahre 1002 gründete der Kölner Erzbischof Heribert5 nach einer wohlbehaltenen Rückkehr aus Ita-lien die Benediktinerabtei Deutz. Mit besonderem Eifer förderte er den Aufbau der Abtei und konnte sie bereits 1019 einweihen. Um deren Einkünfte zu vermehren, wurde 1018/20 die Kirche zu Wald mit Hof, Besitzungen und Einnahmen Deutz zuerkannt. Dem St. Ursulastift hatte man von seinen frühe-ren Bezügen nur einen Teil, den Sackzehnten belassen. Erst mit der Säkularisation 1804 fand dieser seine Ablösung. Zu dieser Abgabe waren folgende Höfe im Kirchspiel Wald verpflichtet: Eckstumpf, In der Heiden, Auf der Foche, Forspel, Mangenberg, Am Berg, Stöcken und Scheid. Der Vikar von St. Ursula hatte diese Einkünfte in der Zeit einem hiesigen Besitzer verpachtet. Als Pächter findet man z. B. den Namen des Freiherrn Mumm von Schwarzenstein.6 Nach den Angaben Heinz Rosenthals ist die überlieferte Schenkungsurkunde des Erzbischofs Heri-bert von Köln vom 3. Mai 1020 eine gefälschten Urkunde. Danach bekam die Abtei Deutz den Hof und die Kirche in dem Dorfe Wald. Papst Eugen III.7 bestätigte angeblich diese Schenkung der Abtei Deutz im Jahre 1147; doch auch diese Urkunde soll eine Fälschung sein. Da mittelalterliche Urkundenfäl-schungen auch Richtiges enthalten, darf man annehmen, dass die Abtei Deutz Besitzerin der Walder Kirche war und dass die Aufzählungen von Besitz zutreffend sind. Für das Bestehen einer Kirche im 11. Jahrhundert spricht auch die Weihe auf Johannes dem Täufer. Erst 1420 wird für Wald als Schutzpatron der hl. Sebastian genannt. Außerdem spricht für die Zeit um 1020, dass das Kirchspiel Wald genau wie das Kirchspiel Solingen keinerlei Abhängigkeiten von benachbarten Kirchen, die ihre Mutterkirchen gewesen sein könnten, aufweist. Beide Kirchen sind als Urpfarreien anzusehen.8 Politische und kirchliche Verwaltung In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erfolgte innerhalb der Erzdiözese Köln eine Verwaltungsre-form. Sie wurde in Archidiakonate und Dekanate eingeteilt, und auch die Kirchspiele erhielten fest um-schriebene Grenzen. Da die Kirche in der gebietsmäßigen Verwaltungsgliederung vorangegangen war, knüpfte die weltliche Verwaltung an die geschaffenen Kirchspiele an, als deren Untergliedschaf-ten die Honnschaften entstanden. Das erste Beispiel solcher Honnschaften im Rheinland entstammt dem Solinger Stadtgebiet. Da heißt es übersetzt in einer Urkunde von 1249, in der Abt Walter von Deutz einen Zehnten im Kirchspiel Wald verlieh: … „im Bezirk Barl, der gemeinhin Honnschaft ge-nannt wird“…9 Das erste Zeugnis für das Bestehen des Kirchspiels Wald, also einer kirchlichen Verwaltungseinheit, stammt aus dem Jahre 1135. Die Urkunde besagt, dass ein Ministeriale des Kölner Stiftes St. Ursula 12 Schilling (solidi) aus dem Zehnten im Dorfe (villa) Greverode (Gräfrath) im Kirchspiel Wald zu Lehen besessen hatte und dass auf Bitten eines gewissen Reginbert die Äbtissin Gepa diesen Teil-zehnten zur Ausstattung eines Altares im Porticus des St. Ursulastiftes verwandte. Erst ein Verzeich-nis des Jahres 1374 verrät die Namen der zehntplichtigen Güter und Feldfluren: Nümmen, Ketzberg, Scheid, Gönrath, auf der Heiden, Merscheid, upme Straitberge; Wieden (bei Vohwinkel), Narroide (Nathrath bei Sonnborn). Barl, Gönrath und Scheid gehörten also zum Kirchspiel Wald, und damit ist ein Anhaltspunkt gegeben, wo ungefähr die Kirchspielgrenze gegen Solingen verlief. Sie setzte bei Aufderhöhe an der Richrather Heide an, verlief oberhalb des Nacker Baches und dann in einem Waldgelände, das bei Kohlfurt die Wupper erreichte. Diese Grenze trennte zugleich das kirchliche Dekanat Deutz, zu dem Solingen ge-hörte vom Dekanat Neuß, in dem Wald lag. Im Solinger Bereich stimmten aber die Dekanatsgrenzen mit denen der Gaue überein, so lag Wald im Kedachgau, Solingen im Deutzgau. Die Walder hatten 5Heribert von Worms, Reichskanzler unter Otto III. und Heinrich II., 999 Erzbischof von Köln, geboren um 970 in Worms, gestorben 16. März 1021 in Köln. Heribert wurde 1075 von Gregor VII. heilig gesprochen und 1080 in Deutz beigesetzt. 6 Karl Herbst in Solinger Heimatblätter 1934 Nr. 2 GA 33. 7 Eugen III. Papst 1145-1153. 8 Rosenthal, Solingen I, S. 20. 9 Rosenthal, Solingen I, S. 21. 5 ihren Gerichtsstand vor dem Grafengericht in Kreuzberg (vor Angermund), die Solinger zuerst in Deutz, dann in Porz. Die beiden genannten Gaue standen bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts unter der Verwaltung des Rheinischen Pfalzgrafen aus dem Hause der Ezzonen. Als der letzte, Hermann von Stahleck 1156 starb, traten bereits die Herren von Berg hervor. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts haben sie ihre Stellung ausgebaut und sind zu Grafen aufgestiegen. Um 1100 sind sie das mächtigste Ge-schlecht im Deutzgau und wurden praktisch die Nachfolger des Pfalzgrafen. Um 1130 bauten sie die Neue Burg an der Wupper, das spätere Schloss Burg.10 Gründung des Klosters Gräfrath Die erste folgenreiche Veränderung für das Kirchspiel Wald ergab sich mit der Gründung des Klosters Gräfrath (Greverode). In früher Zeit hatte der namengebende Graf im Quellgebiet eines Itterarmes ei-nen Hof angelegt und dazu eine Kapelle bauen lassen. Längst hatten sich die Besitzverhältnisse ge-ändert, als sich dort 1185 ein Marienwunder ereignete. Daraufhin wollte die damalige Besitzerin, die Nonnenabtei Villich bei Bonn, eine Klostergründung einleiten. Da die Kapelle zur Walder Kirche gehör-te, mussten der Pfarrer von Wald und der Abt von Deutz gefragt werden; denn die Gründung des Klosters mit einer großen Kirche beschnitt die Rechte des Walder Kirchspiels. Vor dem Kölner Erzbi-schof Philipp von Heinsberg († 1191) einigten sich die Äbtissin Elisabeth von Villich und der Abt Flo-rentius von Deutz über den Gründungsplan. Das Kloster Gräfrath bekam einen eigenen Pfarrer und bezahlte jährlich drei Schillinge an die Walder Pfarrkirche. Es wurde innerhalb des Walder Kirchspiels zu einem selbständigen Pfarrbezirk, der nur die Nonnen des Klosters und das Gesinde umfasste; die Bewohner des Ortes blieben weiterhin Glieder der Walder Kirche. Das Gründungsdatum des Klosters Gräfrath ist der 31. Juli 1187. Die Nonnen, zumeist aus rheinischem Adel, lebten nach den Regeln des hl. Augustinus. Sie trugen ein weißes Leinenkleid und eine weiße Haube, darüber einen schwarzen Mantel. 11 Wahrscheinlich wurde der Konvent Gräfrath schon wenige Jahre nach der Gründung vom Mutterhaus Villich unabhängig und ging einer viel versprechenden Zukunft entgegen. Schon während der Amts-zeit des Erzbischofs Dietrich von Köln (1208-1211) wurden bestimmte Rechte und Pflichten an der Kirche zu Wald von Deutz nach Gräfrath übertragen. Die Äbtissin bekam Einfluss auf das Walder Kirchspiel und wurde verantwortlich für die Kirche und bei der Einsetzung des Pfarrers. Offenbar wa-ren die der Abtei Deutz verbliebenen Rechte nicht unbestritten; denn im Jahr 1211 gab Papst Inno-zenz III.12 den Äbten von St. Pantaleon, Siegburg und Petersthal die Anweisung, die Abtei Deutz mit ihrem Besitz – also auch die Kirche in Wald – zu schützen.13 Das Kloster Gräfrath blühte auf und erreichte als Wallfahrtsort eine bedeutende Wirtschaftskraft, die sich auch im Selbstbewusstsein des Damenstifts zeigte. Allein die Erhebung Gräfraths zur Freiheit durch Herzog Wilhelm I. brachte den Bürgern dort mehr Privilegien als die Bürger Solingens besaßen. Das Kirchspiel Wald zur Zeit der Reformation14 Noch in die Zeit, als die Pertzdorps auf Caspersbroich15 saßen, fällt die Stiftung der Vikarie Unserer Lieben Frauen an der Walder Kirche. Sie wurde auch bezeichnet als die Vikarie zu Ehren der Jungfrau Maria (B. M. V.). Aber die Pertzdorps scheinen nicht daran beteiligt gewesen sein. Es ist vielmehr eine Stiftung der Kirchspielleute von Wald, die mit Unterstützung des Junkers Johann von dem Bottlen-berg 16, gen. Kessel, und dem Pastor von Wald, Johannes tho der Gossen, die Vikarie stifteten. Das gibt zu späterer Zeit (1588) der Vikar Horstmann an. Die Stiftungsurkunde ist aber nicht mehr erhalten. 10 Rosenthal, Solingen Bd. I, S. 21 f. 11 Rosenthal, Solingen Bd. I, S. 24. 12 Innozenz III. Papst 1198-1216. 13 Eine Feststellung Rosenthals. Ein Grund der Schutzanweisung könnte in den beginnenden Übergriffen der Kölner Bürger auf die Abtei Deutz liegen. Das Kloster ist im Laufe der Zeit mehrfach völlig zerstört worden. 14 Vgl. Rosenkranz / Stamm, a. a. O. S. 9-17. 15 Caspersbroich, Gut und Schloss an der Ittergrenze zu Haan, seit 1438 vom Ritter Jaspar von Pertzdorp gegr. 16 Familie von Bottlenberg-Kessel 1484-1804 Besitzer von Hackhausen. 6 Die dann übliche Mitwirkung des Herrn von Caspersbroich an der Besetzung der Stelle des Vikars ergab sich aus seiner vornehmen Stellung in der Gemeinde.17 Man sprach direkt vom Kollationsrecht. So hatte die Kirchengemeinde Wald schon vor der Reformation zwei Geistliche. Der erste Pfarrer wohnte im Wiedenhof, einige Minuten von der Kirche entfernt, und genoss den Zehnten, der dieser Kirche seit Jahrhunderten zustand. Der Vikar oder zweite Pfarrer hatte seine Wohnung in der Vikarie gegenüber der Kirche und wurde von der Gemeinde besoldet.18 Eine Visitation zur Zeit der Reformation berichtet vom Kirchspiel Wald und seinem Pastor Johannes Wolffartz, der von 1544-1585 amtierte. Dieser stammte aus Erkrath, war ordnungsmäßig von der Gräf-rather Äbtissin nominiert, vom Deutzer Abt präsentiert und, nachdem er die Kirchenordnung unter-schrieben hatte, von dem Neußer Dechanten in das Walder Pfarramt eingesetzt worden, das er bis zu seinem Tod innehatte. Danach erschwerten die Wirren der Reformationszeit der Äbtissin des Klosters die Pfarrstelle neu zu besetzen. Es war oft kein geeigneter Geistlicher unter dem vielfach undiszipli-nierten Klerus zu finden, auch regte sich unter den Gemeindemitgliedern der Unmut, wenn man mit der Amtsführung oder dem Lebenswandel des Pfarrers nicht zufrieden war. Zu dieser Zeit vollzog sich der Übergang der Gemeinde Wald zum reformierten Bekenntnis. Seit 1586 wurde die Gemeinde Wald von drei Geistlichen betreut, dem Pfarrer, seinem Gehilfen und dem Vikar. Als Winand Sartorius von Geseke in Westfalen kommend 1590 katholischer Pfarrer in Wald wurde, holte er sich kurz danach als Gehilfen den reformierten Kandidaten Thomas Kohlhagen aus Altena. Obwohl dieser noch kein bestellter Pfarrer war, fand er bald aufgrund seiner überzeugen-den Predigten die Unterstützung der 1589 gebildeten Bergischen Synode. Unter dem Einfluss der Niederlande hatten sich seit 1570 im Jülicher Land die Vorsteher kleiner re-formierter Gemeinden zu regelmäßigen Zusammenkünften – den sogenannten Synoden - vereinigt. Diese tagten in aller Heimlichkeit und führten den Bruch mit der katholischen Kirche in strenger Form durch. Es durfte kein Gemeindemitglied mehr an einer Messe und Beichte teilnehmen. Die Abend-mahlsfeiern fanden an schlichtem, weiß gedecktem Tisch statt. Von den Gemeindegliedern wurde viel verlangt: straffe Kirchenzucht, musterhafte Sorge für die Armen, Unterricht der Kinder nach dem Hei-delberger Katechismus. Auch die kleinste und ärmste Gemeinde fand an der Synode eine zuverlässi-ge Stütze. Diese Einrichtung wurde auch ins Bergische Land übertragen und am 21. Juli 1589 im Pfarrhaus zu Neviges die Bergische Provinzialsynode gegründet. Die bergischen Pfarrer der Synode richteten ihren Blick auch auf die Gemeinde in Wald und beauf-tragten den Cronenberger Pastor Keppel und den Sonnborner Pastor Lunesland, …“den Pastoren zu Wald wegen seiner Religion zu ersuchen.“ Schon bald gewann die Synode auch Sartorius für die reformierte Lehre. Die Beitrittserklärung des Winand Sartorius zur Bergischen Synode am 2. September 1591 gilt als Gründungstag der ev. refor-mierten Gemeinde Wald. Nur der Vikar Horstmann war für die neue Lehre nicht zu gewinnen; er hatte schon 1568 seinem Onkel Wolffartz zur Seite gestanden und blieb bei seiner katholischen Überzeu-gung. Der Pfarrer Sartorius fand aber keinen Rückhalt in der Gemeinde - besonders in Gräfrath lehnte man ihn ab. Sein Verhältnis zur Kirchengemeinde wurde so unbefriedigend, dass er um 1594 Wald verließ und nach Altena ging, wo er 1598 starb. Auf Betreiben der Gräfrather Äbtissin wurde daraufhin der Vikar Horstmann zum Pfarrer in Wald be-stellt, während Kohlhagen in die Vikarie aufrückte. Nun ersuchte die Bergische Synode Horstmann er-neut, seine ablehnende Haltung gegenüber der neuen Lehre aufzugeben. Er erklärte sich zwar am 21. November 1594 bereit, der Synode zu folgen, setzte aber die strengen Regeln in der Gemeinde nicht durch. Erst 1611 vollzog Horstmann durch Unterschrift seinen Beitritt zur Synode, blieb aber zeitle-bens Pfarrer der Katholiken und der Reformierten. Er las die Messe und teilte das Abendmahl auf ka-tholische wie auf evangelische Weise aus; möglicherweise um so den Frieden in der Gemeinde zu bewahren. Doch die Spaltung der Walder Gemeinde wurde unausweichlich, da der Vikar Kohlhagen, der sich ausschließlich der neuen Lehre verpflichtet fühlte, nur die Reformierten betreute. Wegen sei-ner Geradlinigkeit wurde Thomas Kohlhagen von der Synode als Visitator für die reine und klare Lehre in den Gottesdiensten der umliegenden Kirchen eingesetzt. 1609 verließ er Wald und war 10 Jahre in Benrath, bzw. Urdenbach Ortsgeistlicher, 1619 ernannte man ihn zum ersten Pfarrer in Wald. 17 Rosenthal, Solingen I. S. 53. 18 Rosenkranz / Stamm, Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Wald, S. 9. 7 Obwohl Horstmann wegen seiner großzügigen Einstellung beim Abt von Deutz in schiefes Licht geriet und seine Absetzung verlangt wurde, weigerte sich die sonst strenggläubige Gräfrather Äbtissin Maria von Hochstaden ihn zu entlassen. Wahrscheinlich hatte sie die Hoffnung, dass bei Horstmanns vermit-telnder Haltung der Katholizismus in Wald nicht ganz untergehen würde. Sie behielt letztlich Recht; denn als die Walder Kirche an die Reformierten fiel, blieb eine katholische Minderheit übrig.19 Die reformierte Gemeinde in Wald Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurde im Religionsvergleich zu Cleve im Jahre 1672 die Kirche zu Wald endgültig den Reformierten zugesprochen. Da die Katholiken nun kein Gotteshaus mehr hatten, mussten sie die Messen der Nachbargemeinden besuchen. Nach mündlicher Überliefe-rung soll es ihnen aber gestattet gewesen sein, Andachten im Turmraum abzuhalten.20 Nach langem Widerstreben ließ die Äbtissin des Klosters Gräfrath im Jahre 1780 an der heutigen Ecke Heukämp-chen- und Wiesenstraße eine kleine Kapelle errichten (Kapeller Berg), in der alle Sonntage ein Klos-tergeistlicher Gottesdienst abhalten musste. 1843 erhielt die Gemeinde mit der Katharinenkirche ein größeres Gotteshaus; die kleine Kapelle wurde zu Wohnzwecken umgebaut und 1908 niedergelegt für einen Geschäftsbau des Möbelhauses Carl Hamacher. Inzwischen ist auch dieses ersetzt worden. Ein Überblick auf die Zeit um 1600 zeigt das Kirchspiel Wald mit 188 Häusern, in denen etwa 1200 Menschen lebten. Zum Vergleich umfassten Stadt und Kirchspiel Solingen etwa 5000 Menschen. Die Freiheit Gräfrath war eine geschlossene Stadt ohne Außenbezirke, und darum in der Verwaltung von einfacher Struktur. Der Kirchspielgemeinde Wald fehlte dagegen ein städtisches Zentrum. Die weltli-che, bürgerliche Gewalt lag bei den Schöffen und der Honnschaftsvorsteher. Es gab acht Honnschaf-ten, die später im 18. Jahrhundert in zwei Gruppen gegliedert waren. Zum Unteren Kirchspiel gehör-ten die Honnschaften Schnittert, Bavert und Barl, zum Oberen Kirchspiel Itter, Limminghoven, Scheid, Ketzberg und Gräfrath. Die Kirchengemeinde Wald stand unter dem Konsistorium, dem heutigen Presbyterium, doch sie unterschied sich von allen anderen Solinger Kirchengemeinden in der Wahl des Pfarrers. Diese wurde von der Versammlung aller Gemeindemitglieder vorgenommen; ein voll-kommen demokratisches Verfahren.21.22 Auch die Anfänge des Schulwesens lagen in der Verantwortung der Walder Kirchengemeinde, nach-dem Herzog Wilhelm III. 1554 eine Verordnung erlassen hatte, in allen Kirchspielen eine Schule einzu-richten. Doch in Wald nahm man sich Zeit und erst der Übergang zur Reformation ließ hier eine Schu-le entstehen. Die Gründung der Pfarrschule ging vom Kirchenvorstand aus und blieb bis zur Bildung einer Bürgermeisterei 1807 eine Einrichtung der Kirche. Die Walder Schulgeschichte beginnt mit dem Jahre 1617, als der Prediger Peter Keppel sich den Kandidaten Leonard Benninghoven aus Mettmann als Gehilfen herbeiholte. Dieser Schuldiener, wie die alte Amtsbezeichnung des Schulmeisters lautete, wurde aus den geringen Mitteln der Vikarie unterhalten. Außerdem erhielt er noch das Schulgeld, wo-mit aber kaum der Lebensunterhalt des Lehrers gesichert war. Im 18. Jahrhundert wurde festgesetzt, dass der Lehrer ein Gehalt von 50 Reichstalern jährlich haben soll. Da man aber diesen Betrag nicht immer zur Verfügung hatte, war dem Lehrer der Umgang zur Sammlung im Kirchspiel Wald gestattet, was aber wohl die Schüler für ihn besorgten. 19 Rosenthal Bd. I, S. 174. 20 Der Ort der Andachten war vermutlich die Kapelle im Obergeschoss des Turms, die auch nach der Reformati-on im Besitz der Patronatsherrin, der Äbtissin von Gräfrath blieb. Siehe auch „Der Turm“. 21 Rosenthal, Bd. I, S. 174. 22 Rosenkranz/Stamm, Eine eingehende Beschreibung der weiteren Entwicklung der Gemeinde nehmen Rosen-kranz und Stamm in ihrer „Geschichte der evangelischen Gemeinde Wald“ S. 9-29 vor. 8 Zur Baugeschichte der Walder Kirche Der befestigte Friedhof an der Kirche nach der Vermessung des Geometers Stamm Um 1930 war man im Staatsarchiv Düsseldorf auf einen alten Plan aus Wald gestoßen, der die Größe von etwa einem Quadratmeter hat. Der Landmesser Johann Peter Stamm hatte im Jahre 1769 darauf den Umriss der Kirche und die Vermessung der Grabstellen im Kirchhof aufgezeichnet. Die Über-schrift, die allein ein Drittel des großen Blattes beansprucht, lautet: „ICHNOGRAPHIA GEOMETRICA des zu hiesiger reformierten Pfarr-Kirchen gehörenden Kirchhofs nebst richtiger Abzeichnung der auff demselben vorfindlich seyenden Erb- Gemeinde- und Armen- Gruben auff Special ersuchen derer von einem Erw. Consist. ernannten wohl Ehr- und Achtbaren Herren Deputirten JOHANN PETER FRIES Aeltester JOH. PETER KNIEH zu Crausen Aeltester JOHANN PETER EICHHOLTZ JOHANN PETER DORFFMÜLLER und HEINRICH WECK. In loco abgemessen und entworffen von Johann Peter Stamm Geom. S. A. Electorale Sign. Wald den 24. 7bris (September) Ao 1769. Im Solinger Tageblatt vom 27. Februar 1937 veröffentlichte Julius Günther23 einen Aufsatz über den Düsseldorfer Archivfund unter dem Titel „Der Grundriss der alten Walder Kirche und ein Plan des da-zugehörigen Kirchhofes“.24 Günther machte dazu eine Erinnerungsskizze vom Stammschen Plan und schrieb einige Gedanken über die alte Kirche25, größtenteils beschäftigte ihn jedoch die Gestal-tung des Kirchhofs mit seiner Mauer: „Am bemerkenswertesten ist die durch die Erläuterungen zu diesem Plan wohl zum ersten Male ge-machte Feststellung, dass der Walder Kirchhof mit einer Mauer umgeben war. Auf der bezüglichen Beschreibung wird sie Ringmauer genannt. Daraus ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit, dass, wie viele andere alte Kirchhöfe als befestigte Plätze galten, wobei natürlich ein mit Schießscharten versehener Turm eine besondere Rolle spielte, der Walder Kirchturm, der in seinen starken Mauern Schlitze be-sitzt, für diesen Zweck mindestens geeignet war. Dass der mit einer Ringmauer umzogene Kirchhof, die Kirche selbst sowie der Turm mangels anderer ausreichender Hilfe als starkes Bollwerk gegen Ge-fahr bei Kriegszeiten der Einwohnerschaft Schutz geboten haben wird, liegt sogar auf der Hand.“ Stamms Plan zeigt eine von einer Ringmauer ganz umschlossene Anlage, die im nördlichen Bereich von der Kirche mit ihrem Turm begrenzt und geschützt wird. Es finden sich drei Torzugänge, „Roster“ genannt. Als wichtigste und wohl älteste Tore befinden sich im Nordwesten unmittelbar unter dem Schutz des Kirchturms der „Marckt-Roster“ und ein Roster an der südwestlichen Ecke, vom sogenann-ten „Rosterhaus“ beschirmt. Das dritte Tor oder „Roster hinter dem Chor“ dürfte vermutlich erst mit der Aufgabe des ursprünglichen Chorraums entstanden sein. Die betreffende Mauer steht in der Flucht der Nordmauer des ehemaligen Kirchen-Chorbaus. Vermutlich befand sich hier die Priester-pforte zum Altarbereich der Kirche. Die in Wald eingezeichneten Roster wurden in alten Zeiten wohl an vielen Friedhofstoren angelegt, um zunächst einmal Tiere, insbesondere Hunde von dort fernzuhalten. Bei der Beschreibung anderer Kirchhöfe ist statt Roster auch die Bezeichnung „Am Iser“ o. ä. zu finden. Das waren Eisengestänge über Erdgruben, über die die Hunde nicht laufen konnten, sondern sich darin mit ihren Beinen verfin-gen. Auf diese Weise wurde das Ausscharren von Knochen verhindert, die aufgrund jahrhundertelan-ger Bestattung auf engstem Grund nur wenig tief unter der Erdoberfläche lagen.26 Nimmt man an, dass die Zugänge in der Mauer des Walder Kirchhofs durch Hochziehen der Roster wie mit einer Zug-brücke gesichert werden konnten, war einem Angreifer oder Raubgesindel ein schneller Zugriff auf die Anlage verwehrt. Noch heute ist das Gelände des Walder Kirchhofes auf einer Anhöhe gelegen, die 23 Julius Günther, Solinger Heimatforscher 24 Günther, Julius, a. a. O. 25 Günthers Skizze von Kirchengrundriss siehe auch weiter unten. 26 Günther, Julius, a. a. O. 9 sich ehemals in einem weiten Bogen nach Westen ausdehnte und dort über dem abfallenden Niveau noch höher wirkte als es uns heute erscheint. Erst mit dem Bau der Straßenbahn um 1900 wurde das Gelände bis auf die derzeitige Linie abgegraben. Die natürliche Anhöhe des Kirchhofs ergab mit einer Mauerumgürtung und der als „festes Haus“ im Norden stehenden Kirche eine durchaus ernstzuneh-mende Absicherung. Der westlich unter dem Turm liegende Marktroster ist durch die Mauerversetzung so angeordnet, dass ein Eindringling den Abwehrenden sowohl seine rechte Flanke bot als sich auch im Zielbereich der Wurfgeschosse von der Höhe der Glockenfenster befand. Diese Stelle und das Hauptportal im Turm verband ein südwärts verlaufender Fußweg über den Friedhof mit dem Tor am Rosterhaus. Das Rosterhaus war mit seiner Nordseite direkt an oder auf die Ringmauer gebaut und bildete mit der Westwand einen Verteidigungswinkel zum Schutz des Tores. Beide Roster an den Toren waren nach der Zeichnung nur über Treppenstufen zu erreichen, was eine Bezwingung zusätz-lich erschwerte. Der Turm der Kirche hat auf der außerhalb der Mauerumwehrung stehenden Nordseite die meisten schartenähnlichen Öffnungen. Zum Teil war es vorgetäuschte Abwehrbereitschaft; denn die Brauch-barkeit als Schießscharten im engen Treppenlauf in der Turmmauer mag dahingestellt sein. Eine ech-te Abwehr dürfte von den beiden breiteren Lichtscharten der Turmkammer und von den Rundbogen-fenstern des Glockengeschosses aus möglich gewesen sein. Im Ernstfall konnte man von hier aus ei-nen Angreifer beschießen bzw. Steine oder andere Dinge auf ihn herab werfen. Abwehrbereitschaft ging aber von der gesamten Nordseite der Kirche aus, wo hoch liegende und verhältnismäßig kleine Fenster ein Einsteigen erschwerten. Das Nordportal wurde innen mit Schiebebalken gesichert, wie es vielerorts – so auch am Westportal der St. Reinoldi Kapelle noch zu sehen ist. Wie weit die allgemeine Prävention hier ging, kann aber nur vermutet werden. Wahrscheinlich ist ein Teil der Mauerumgürtung des Walder Kirchhofs noch in einem Gebäude vor-handen. Nach dem Plan von 1769 befanden sich zwei Häuser an bzw. in Verbindung mit der Mauer: das Steinenhaus (B) und das Rosterhaus (C), von denen (B) das Steinenhaus, bzw. ein Nachfolge-gebäude noch steht. Dieses ist auf der Nordseite zum Kirchplatz hin mit seinem Obergeschoß auf eine überdimensionierte Mauer von mehr als 1,50 m Stärke gebaut. Trotz einer Schieferverkleidung lässt sich die enorme Dicke der Mauer erahnen. Ihre Höhe auf der Kirchhofseite erreicht über 3,50 m, auf der Hausseite sind es sogar 5 m.27 Ist das Steinenhaus, so wie die Bezeichnung schon lautet, ein der Mauer vorgelagertes festes Haus oder ein turmartiges Gebäude gewesen? Nach heute vorzufinden-den Verhältnissen hat man ein Fachwerkhaus auf den Mauerrest aufgesetzt. Dieser ist vollständig verputzt und weist mehrere neuzeitliche Öffnungen auf. Das östliche Ende der Steinwand tritt etwas aus dem Mauerverband an der Ostseite heraus. Durch die Schieferverkleidung ist nicht auszumachen, nach welcher Seite eine Abrisskante besteht, die eine einstige Weiterführung einer festen Mauer vermuten lässt. Diese Fragen müssten durch eine besondere Forschungsarbeit geklärt werden. An-sonsten wird der Eindruck erweckt, dass sich hier ein Stück der Befestigungsmauer erhalten hat, die den Kirchhof einmal ganz umgeben hat28. Im Gegensatz zu den Angaben J. P. Stamms, der die Kirchhofmauer durchgängig mit einer Stärke von etwa drei Fuß (90-100 cm) in seinen Plan einzeich-nete 29, sind am Steinenhaus weitaus stärkere Dimensionen vorzufinden, die man durchaus mit dem Begriff Festungscharakter verbinden kann. Demgemäß ist die große Höhe der Mauer hier und weiter nach Osten wegen des abflachenden Geländes notwendig gewesen, um ein Übersteigen zu verhin-dern. Die Westseite der Kirchhofanlage mit den beiden Rostertoren lag über stärker abfallendem Ge-lände, wo vermutlich niedrigere Mauern zur Absicherung genügten. Doch ist der Bau eines solchen Bollwerks von verantwortlichen Männern der Gemeinde ausgegan-gen? Die relativ große Basilika mit einem mächtigen Turm und die Einfriedung des Kirchhofs mit einer starken Mauer, in die außerdem noch steinerne Häuser integriert waren, lassen auch an einen Zu-fluchtsort der Abtei Deutz denken. Die Benediktinerabtei wurde von den Kölnern von Anbeginn mit Argwohn betrachtet, konsequent niedergehalten und mehrfach völlig zerstört. Bereits 1243 – noch vor Worringen - legte man dort die schützenden Mauern des Römerkastells nieder. Fanden die Mönche bei solchen Angriffen in ihren Außenwerken wie der Kirche und dem Hof in Wald, eine Tagereise von Deutz entfernt, Schutz? Den Verfassern erscheint das realistisch, doch man müsste dieser Frage ge-sondert nachgehen. 27 Nach freundlicher Auskunft von Herrn Hans Hundenborn. 28 Eine baugeschichtliche Untersuchung steht nach Auskunft der Unteren Denkmalbehörde noch aus. 29 Vermutlich ist die Stärke der Kirchhofmauer schematisch angegeben, wie es auch beim Umriss der Kirche der Fall ist. Diese Dinge waren für Stamm sekundär; wichtig war die Einteilung des Friedhofs in Grablegen. 10 Ein Blick auf die Federzeichnung von Arntz 1892 – der ältesten bekannten Abbildung der Walder Kir-che – lässt die Vorstellung einer Kirchenburg über den Häusern von Wald realistisch erscheinen. Man hatte hier vermutlich seit ältester Zeit eine Fliehburg für die Bewohner der Siedlung und ihrer Umge-bung, doch liegt im Dunkel der Geschichte, ob und wann die Anlage mit der Kirche zum Schutz ge-nutzt worden ist. Einem größeren Heerhaufen dürfte sie langen Widerstand kaum entgegengesetzt haben, bot aber wohl vor umherstreifenden Rotten Schutz. Raub, Mord und Plünderungen gab es zu-meist in politisch unsicheren Zeiten, in denen die Zentralgewalt nicht in der Lage war, die Bevölkerung vor Gesetzlosigkeit zu schützen. Zum Vergleich berichtet der Autor Ernst Huckenbeck von der Hilde-ner Kirche30, dass dort im 17. Jahrhundert Seitenschiffe und Emporen mit Kisten, Kasten, Truhen und anderen Behältnissen vollgestellt waren, in denen die Hildener Einwohner wichtige Teile ihrer Habe verpackt hatten. Grund dafür war die Angst vor Plünderungen, eine Sorge, die in den gerade damals besonders kriegerischen Jahrzehnten nicht unberechtigt war. Zuweilen wurde die Kirche auch als Zu-fluchtsort für die Menschen benutzt. So hatten 1669 von hessischer Soldateska bedrohte Familien aus der Umgebung Hildens mitsamt Knechten und Mägden eine Zeitlang in der Kirche gewohnt und dort auch kräftig „Feuer gestocht“, was den weißen Wänden gar nicht gut bekommen war. Vermutlich wer-den sich ähnliche Geschehnisse auch in Wald zugetragen haben. Bemerkenswert ist die Feststellung Huckenbecks, dass die Hildener Kirche nie geplündert wurde; in nachreformatorischer Zeit schien es den Soldaten bekannt gewesen zu sein, dass in einer schlichten reformierten Kirche nicht viel zu ho-len war. Die Verbindung einer Ringwallanlage mit Kirche und Bestattungsort ergab sich aus der geschichtli-chen Entwicklung und war in der Form, wie sie in Wald gestanden hat, um 1200 auf rechtsrheinischem Gebiet verbreitet. Weitere Belegbeispiele für Wald sind in nächster Nähe gut nachvollziehbar in Schöl-ler und besonders in Gruiten anzutreffen. In Mitteldeutschland sind allein 110 Kirchenburgen an der Rhön zu finden, von denen Ostheim vor der Rhön und Walldorf bei Meiningen die besterhaltenen sind. Besonders aus der Kolonisierung des Ostens, des Baltikums31 bis Siebenbürgen sind Kirchenburgen reichlich überliefert, und heute noch anzutreffen. Wallanlagen mit Hecken- und Holzpalisaden-Abgrenzungen die als Fluchtburg für die Bevölkerung dienten, gehen auf die Vorzeit zurück. Zur Zeit der Christianisierung errichtete man dann die ersten Kirchenbauten vornehmlich in solche Schutzanlagen, um das Heiligtum vor Plünderung zu schützen. Damit begannen dort aber auch die Bestattungen, damit die Verstorbenen möglichst nahe am gehei-ligten Ort der Auferstehung entgegensehen konnten. Hervortretende Personen ließen sich nach Stif-tungen für die Kirche unmittelbar am Altar begraben. Aus den Holzkirchen und den Holzbefestigungen wurden im Laufe der Zeit aus Stein gemauerte Anlagen, die sich bis in die Neuzeit erhielten. Diese umfriedeten Höfe blieben bis ins 19. Jahrhundert Bestattungsorte, da es den Menschen daran gele-gen war, in geweihter Erde, nahe dem kirchlichen Heiligtum begraben zu werden. Außer einem Grab-hügel, den die Witterung allmählich einebnete, wird aber wohl nicht mehr an die Toten erinnert haben. Ein Grabkult mit Namensstein und Grabumfriedung dürfte sich erst zum Ausgang des Mittelalters ent-wickelt haben. Die frühesten Grabsteine, die sich auf alten Friedhöfen erhalten haben, sind zumeist Lagersteine für den feststehenden Begräbnisplatz einer Familie. Die festen Familienbegräbnisse wur-den aber erst durch die genaue Vermessung möglich, wie sie durch Johann Peter Stamm 1769 durchgeführt wurde. Die beengten Verhältnisse auf dem Walder Kirchhof machten es notwendig, die Wiederbelegung ei-nes Grabes - den Begräbnisturnus – auf fünf Jahre festzulegen.“ Albert Rosenkranz und Karl Wilhelm Stamm gehen auf dieses Problem in ihrer Walder Schrift32 ein und nennen … „in den Jahren 1777- 1799 die Zahl von 4981 Beisetzungen, 197 allein im Jahr 1809. Um eine dringend notwendige Ord-nung im Begräbniswesen zu erreichen, denn es gab fortlaufend Schwierigkeiten über die Rechte des Besitzstandes an den Erbgräbern, wurde im Jahre 1769 der Geometer Johann Peter Stamm mit der Vermessung des Friedhofsgeländes beauftragt. Der von Ihm gefertigte Plan weist eine Fläche von 83 ¼ Ruten aus und war in 1345 Gräber aufgeteilt. Das Friedhofsgelände selbst hielt sich im Rahmen des heute noch bestehenden Kirchplatzes, nur anlässlich des Straßenbahnbaues mussten einige Me-ter abgetreten werden. Die Kosten des Plans beliefen sich nach einer noch vorliegenden Rechnung auf 125 Taler und 21 Stüber. Im Anschluss daran beschloss das damalige Konsistorium, alle Erbgrä-ber und deren Besitzer in einem Verzeichnis nummeriert zu erfassen, was am 14. und 17. November 1769 erfolgte. Die Gebühren von 8 Stübern für ein Grab mit Stein und 6 Stübern für ein Grab ohne 30 Ernst Huckenbeck, Die Reformationskirche in Hilden Geschichte und Geschichten, Hilden 2008, S. 23-24. 31 Vgl. die Forschungsarbeit des Verfassers „Isselhorst und Uexküll“. Gütersloh 2003. Eine westfälische Dorfkirche, die sich in gleichen Maßen in einer Kirchenburg in Lettland wieder findet. 32 Rosenkranz / Stamm a. a. O. Der Kirchhof an der Kirche. S. 52 f. 11 Stein erbrachten eine Einnahme von 143 Talern und 26 Stübern. So konnte für die Rechnungslegung am 5. 2. 1771 ein Überschuss von 18 Talern und 24 Stübern festgestellt werden.“ Nach 1800, besonders aber zur Zeit der französischen Herrschaft wurde vielerorts diese unzumutbare Beerdigungsweise aufgegeben. Eine am 8. Juli 1803 ergangene Verfügung der Churfürstlichen Lan-desdirektion ordnete an, „die alten Friedhöfe innerhalb bebauter Ortschaften aufzugeben und neue Gottesäcker außerhalb der Siedlungen anzulegen.“ Diese Anweisung, die der Walder Zivilgemeinde oblag, wurde jedoch nicht sofort ausgeführt. Der Friedhof an der Dültgentaler Straße wurde erst 1816 eröffnet. In diesem Jahr legte man auch die baufällige Kirche bis auf den Turm nieder. Es ist möglich, dass zu dieser Zeit auch die Kirchhofsmauer abgerissen wurde, um für den geplanten Neubau der Kirche Platz und freien Zugang zu bekommen. Die mit dem neuen Friedhof verbundenen Streitereien und Verhandlungen zwischen Zivilgemeinde und den Konfessionen untereinander, sowie die Probleme der Armenbestattung sind eine besondere Geschichte, die von Rosenkranz und Stamm eingehend beschrieben wird.33 Der mittelalterliche Kirchenbau zu Wald Erste Vermutungen Über das Aussehen der mittelalterlichen Walder Kirche existiert bis heute keine konkrete Vorstellung. Die Kirche, die einst zu dem romanischen Turm gehörte, musste man 1804 wegen Einsturzgefahr aufgeben und 1816 abreißen. Die grundsätzliche Erhaltung des Turmes könnte man als denkmalpfle-gerische Maßnahme bezeichnen, sie war aber eher Mittel zum Zweck. Niemand dokumentierte das Kirchenschiff anhand von Beschreibungen oder Zeichnungen; denn man dachte nur an den Ersatz ei-nes unbenutzbaren Zweckbaus.34 Vom Begriff Denkmalschutz oder einer Beschäftigung mit regionaler Geschichte war man damals noch weit entfernt. Als Beispiele wurde 1845 die Haaner Kirche, eine der ältesten Bauten im Umkreis, von einem preußischen Pionierkommando gesprengt. Auch die noch gut erhaltenen Gebäude des alten bergischen Residenzschlosses Burg gab der Fiskus 1849 zum Ab-bruch frei und schon ein Jahr später zerfiel die ausgeplünderte Burg zur Ruine. Sogar der Altenberger Dom verkam nach dem Brand von 1815 zum Steinbruch; aus der einstürzenden Klosterkirche holte man Steinquader auch zum Bau der neuen Walder Kirche. Erst wesentlich später begann sich die interessierte Öffentlichkeit mit der Baukunst des Mittelalters zu beschäftigen, schaute dabei aber zunächst nur auf herausragende Bauwerke der Vergangenheit. So kam es, dass sich erst über 150 Jahre später – 1967 - der Solinger Historiker Heinz Rosenthal Ge-danken über die Entwicklung und Gestalt der mittelalterlichen Kirche in Wald machte. Die 30 Jahre zuvor im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf gefundene Vermessungskarte des Walder Kirchhofs von Jo-hann Peter Stamm aus dem Jahr 1769 zeigt auch die Grundfläche der Pfarrkirche. Doch die damalige Schwierigkeit ein Dokument zu kopieren, ließ Rosenthal auf die Übertragungsskizze von Julius Gün-ther für seine Forschungsarbeit zurückgreifen. Durch die Ungenauigkeit dieser Zeichnung gelangte er zur Überzeugung, in Wald habe eine einschiffige romanische Gemeindekirche gestanden. Diese Er-kenntnis ging in das heimatkundliche Schrifttum ein, obwohl Zimmermann in seiner Vageges- Dissertation 1964 zum Thema Vorgängerkirche in Wald schon auf eine romanische Basilika hingewie-sen hatte. Auch die Vorstellung eines allein stehenden Wehrturms aus grauer Vorzeit, der im 12. Jahrhundert mit dem Bau eines Kirchenschiffs verbunden wurde, hat sich bis heute gehalten. Doch die Gestalt des Turmes und die Vermessung der Kirche von Johann Peter Stamm aus dem Jahre 1769 sprechen eine andere Sprache. Gestalt und Bedeutung des Kirchturms Der Walder Kirchturm, der allein von der romanischen Kirchenanlage erhalten blieb und heute das äl-testes Bauwerk in Solingen ist, lohnt eine eingehende Betrachtung. Seit jeher ist er weithin als helles 33 Rosenkranz / Stamm a. a. O. Der „alte Friedhof“ an der Dültgenthaler Straße. S. 57 ff und Der Friedhof an der Wiedenkamper Straße S. 64 f. 34 Erst wesentlich später begann die preußische Oberbaudeputation unter Friedrich Schinkel, die damals noch reichlich vorhandenen historischen Bauten zu inventarisieren. Besonders in romantisch berührten Bildungskrei-sen regte sich das Interesse dafür; denn Aufrufe an Kommunal- und Kirchenverwaltungen zur Registrierung ih-rer Baudenkmäler fanden anfangs kaum Gehör. Die Rückbesinnung auf das Mittelalter und intensive Forschung ermöglichten danach vielerorts die Wiederherstellung berühmter Kirchen, Schlösser und Burgen, doch absur-derweise durfte zur gleichen Zeit wertvolle historische Bausubstanz der Spitzhacke zum Opfer fallen. 12 Bauwerk in der Landschaft zu sehen und aus nächster Nähe betrachtet überrascht er durch seine enormen Ausmaße. Der Turm erweckt den Eindruck, auf einer quadratischen Grundfläche zu stehen, doch erhebt er sich auf einem quer zur Längsachse der Kirche gestellten Rechteck von 9,80 x 8,70 m. Genau diese Maße sind auch auf der Zeichnung Stamms ersichtlich. Von seinem Sockel sind es 21 m bis zur Höhe der Mauerkrone, auf der dann die 22 m hohe Helmpyramide gestellt ist. Das Mauerwerk besteht aus örtlichem Grauwackeschiefer in Form von Bruch- und Hausteinen. Das Material wurde unweit der Kirche in den Steinbrüchen des Ittertals am Ende der Ehrenstraße und Westersburg, bzw. oberhalb des heutigen Märchenwalds gewonnen.35 Da sonst kein eingeführtes Ma-terial, wie Tuff oder Siebengebirgssandstein im Turm verwendet wurde, ist wahrscheinlich auch das Schiff der einst dazugehörigen romanischen Kirche aus Bruchsteinen errichtet worden. Am Bau der neuen Vagedes-Kirche verwendete man kein Steinmaterial aus der alten Kirche; denn das Abbruch-material zerfiel unter der Spitzhacke und taugte nur noch zum Chausseebau. Vermutlich führte diese Erfahrung auch zur Entscheidung in der Gemeinde, vom preußischen Fiskus zum Verkauf angebote-nes Steinmaterial vom Abbruch des Klosters Gräfrath abzulehnen. In den Mauertreppen des Turms und zum Teil in den Leibungen der Licht- und Luftscharten ist zu se-hen, dass es sich um mittelalterliches Füllmauerwerk handelt. Außen- und Innenwandungen des Turms wurden aufgemauert, der Raum dazwischen mit Steinbrocken in Kalkmörtel verfüllt. Die Au-ßenwände werden auch schon im Mittelalter verputzt, bzw. geschlämmt36 gewesen sein und waren möglicherweise sogar farbig gestaltet.37 Innen sind bei zurückliegenden Sanierungen alle Wände ver-putzt worden; nur im Glockengeschoss ist das Mauerwerk teilweise noch steinsichtig. Im Erdgeschoß hat der Turm eine Mauerstärke von 2,20 m, im Kapellenraum des 1. Stocks 2 m und darüber tritt das Mauerwerk in 2 Stufen bis auf 1,20 m Stärke im Glockengeschoss zurück. Aus die-sem Grund werden die Innenräume nach oben hin immer größer. Das Bauwerk entstand ohne jede Zierform mit ungegliederten Wänden bis zum Gesims der Mauer-krone; nur über dem Erdgeschoss, in etwa 6.50 m Höhe umzieht ein Gurtgesims die Seiten. Ob es aus der Erbauung des Turms stammt ist nicht sicher. Es wird von der Architektur des neuen Kirchen-schiffs aufgenommen und bildet dort die Bankhöhe der Obergadenfenster. Die Mauerecken werden von bossierten Ecksteinen eingefasst, die in Putz ausgeführt sind und vermutlich von der barocken Fassung des Turms stammen. Im Glockengeschoss sind nach allen Himmelsrichtungen zwei gekup-pelte romanische Fenster (Zwillingsfenster) unter einem Überfangbogen vorhanden. Sie werden von einer eingestellten Säule mit einem Kelchkapitell geteilt. Die Schallfenster sind die einzigen Teile des Turms, die eine Werksteinbearbeitung erkennen lassen. Die Turmhalle im Erdgeschoss ist 4,76 m breit und ostwärts 4,20 tief. Das darüber liegende Kreuz-gratgewölbe hat eine Scheitelhöhe von 5,75 m. 1926 entstand hier von dem Bildhauer D. Meinardus eine Gedächtniskapelle für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Ein besonderes Merkmal der frühen Erbauungszeit ist der ehemals große Durchgangsbogen von der Turmhalle zum Kirchenschiff. Die alte Weite von über 3,50 m, nachzuvollziehen am Beginn der Wandtreppe, ist beim Neubau der Kirche 1820 auf die heutige Breite reduziert worden.38 Der ehemals große Bogen machte die Turmhalle zu einem Teil des gesamten Sakralraums, doch die besondere Bedeutung dieses Gebäudeteils lag in der Aufstellung des Taufsteins. Die Halle diente schon im Mittelalter als Hauptzugang und Vorraum zum Kirchenschiff, sie war nach den frühen Regeln der Kirche ursprünglich die Taufkapelle der Basilika. 39 Im Durchgang zum Kirchenschiff befindet sich auf der linken Seite – weit zurückliegend in der Mauer - der Aufgang zum Turm. Von dort führt eine geradlinige Wandtreppe in einem nur schulterbreiten Gang über zwei Wendungen bis ins erste Geschoss. Durch eine nagelbewehrte altertümliche Eichentür be-tritt man einen quadratischen Raum, der von einem Kreuzgratgewölbe überbaut ist. Von Norden her kommt Helligkeit durch eine Lichtscharte, an deren Tiefe man das schwere Mauerwerk abschätzen 35 Nach freundlicher Auskunft von Herrn Hans Hundenborn† in Wald. 36 Mittelalterliches Bruchsteinmauerwerk war zum Schutz gegen Auswaschung grundsätzlich geschlämmt, erst die Romantik ließ die Vorliebe für Steinsichtigkeit aufkommen. Eine Kalk-Zement-Verfugung war aber nötig. 37 Möglich ist eine aufgemalte Quaderung der Wandflächen. 38 Nach den Bauzeichnungen v. Vagedes. 39 Siehe dazu auch Ausstattung der Kirche. 13 kann. Ehemals war eine zweite Lichtscharte im Westen vorhanden.40 Gegenüberliegend führt die Wandtreppe durch das südliche Mauerwerk in das nächste Geschoss, ein Hinweis, dass der Raum mit seinem Gewölbe schon während der Erbauungszeit des Turms eingerichtet wurde. Auf der Ostseite befindet sich ein etwa 1 m breiter und insgesamt 2 m hoher rundbogiger Durchlass zum Kirchenschiff, der heute vermauert ist. Durch den Bogen war ursprünglich ein Überblick über das Kirchenschiff bis zum Chor möglich. Die Überwölbung des Raums und die ehemals offene Verbindung zum übrigen Sakralraum lassen hier eine einstige Kapelle vermuten. Die Turmkapellen entstanden zu ganz bestimmten Zwecken. Zumeist waren es Privatkapellen, in de-nen es einer höhergestellten kirchlichen oder weltlichen Person möglich war, an der Messe teilzuneh-men ohne mit den übrigen Kirchenbesuchern in Berührung zu kommen. Der Turm mit Obergeschoss diente, ähnlich dem Bergfried der befestigten Herrensitze, auch als Zufluchtsturm, wie vielerorts die Verriegelungssysteme zeigen. In den zahlreichen romanischen Türmen des Rheinlandes ist die Sichtverbindung aus der Turmkapelle bis in den Chor eine Eigenheit der von Kölner Stiften abhängigen Kirchen. Als Belegbeispiel zeigt das Innere des reich gegliederten Kirchturms von Wermelskirchen einen sehr ähnlichen Aufbau in Trep-penführung, Raumgröße und Form der Wölbung. Dort ist die einstige Bedeutung dieses Raums, in den das Kölner Andreasstift eine Doppelarkade zum Kirchenschiff einbauen ließ, als Michaelskapelle noch lebendig. Dem Erzengel und Überwinder der Finsternis weihte man traditionell diese Stelle im Westen des Gotteshauses zum Schutz vor dem Bösen aus der Richtung der Nacht. Als weiterer Vergleich und als besonders schönes Beispiel erhielt sich diese Anordnung in der Stadt-kirche in Lindlar. Dort hatte der Vertreter von St. Severin in Köln eine Kapelle im Obergeschoss des hochmittelalterlichen Westturms. Sie ist über eine schmale Treppe in der mächtigen Wand zugänglich und öffnet sich zum Kirchenschiff mit einer Dreierarkade – einer uralten herrschaftlichen Form, die bis in die Hagia Sophia in Byzanz fassbar ist. Die gleiche Anordnung ist im Turm der Werdener Luziuskir-che zu finden, die dem Ludgerusstift Werden inkorporiert war. In diesen emporenartigen Kapellen, die zum Teil auch eigene Altäre hatten, residierte der Kirchenherr, ähnlich wie der Kaiser in der Aachener Pfalzkapelle oder wie es im Westwerk der Abteikirche Corvey nachzuvollziehen ist.41 Diese Herrschaft wurde in Funktion und Form des Baus den kleinen Leuten des Ortes ständig gegenwärtig gehalten – auch wenn die Kapelle nicht immer benutzt wurde; denn der Vertreter des Stifts besuchte die Kirche nur selten. In kleiner Münze wurde diese Bauform bis in die Kirchen ländlicher Eigenkirchenherren weitergegeben. So erhielt auch in Lüftelberg bei Bonn an der Westseite der Kirche der Grundherr eine eigene Kapelle, während sein Platz nach außen durch den Turm monumentalisiert wurde. Die Kapelle ist vom tiefer liegenden Gemeindesaal räumlich völlig getrennt; nur zum Altar stellt ein kleines Rundfenster eine gewisse Blickbeziehung her – ein Moment, das ebenfalls in der kleinen Kirche von Idensen bei Wunstorf erscheint und in der Baugestalt die Ent-fernung der Stände voneinander spiegelt. Erwähnenswert ist zu diesem Thema auch die romanische Kirche im nahe gelegenen Hilden, deren Vorgängerturm wahrscheinlich auch eine herrschaftliche Em-pore oder Kapelle enthielt42. Vorstellbar ist dort eine Dreierarkade mit einem Überfangbogen, wie sie in verkleinerter Form über der Chorhaus-Westwand zu sehen ist. Als Bauherr der sehr aufwendig er-richteten Kirche ist der Kölner Erzbischof Engelbert I. von Berg anzusehen, der in Hilden den Salhof besaß.43 Die Kirche zu Wald war mit dem dazugehörigen Hof ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Mittelalter. Um sich diesen Platz für die Zukunft zu erhalten, investierten die Benediktiner von St. Heribert in Deutz umfangreiche Mittel in den Bau einer großen Kirche und konzipierten den Turm nach dem beschrie-benen hierarchischen Muster. Wie oft ein Vertreter der Abtei hier anwesend war und ob die nachfol-genden Stiftsdamen aus Gräfrath die Patronatskapelle jemals aufsuchten, bleibt wohl im Verborgenen. Sinn und Zweck der Anlage sind schon lange in Vergessenheit geraten; einzig überliefert ist aus der Reformationszeit, dass den letzten Katholiken in Wald eine zeitlang der Turm zum Gottesdienst zur Verfügung stand.44 Beim Versammlungsort wird es sich um die Kapelle im Obergeschoss gehandelt haben; denn dieser Raum blieb auch nach der Reformation im Eigentum des Stifts Gräfrath. 40 Bei der Erneuerung des Turmaußenputzes nach 1990 entdeckte man ein vermauertes westliches Turmfenster, dessen Überwölbung aber eingefallen war. 41 Roland Günter, Kunstführer Rheinland, Gondrom, Bindlach 1988. 42 Der Hildener Turm stürzte im 17. Jh. ein und wurde in einfacher Form wieder aufgebaut. 43 Vgl. Wolfgang Wennig, Die Reformationskirche in Hilden, Rheinische Kunststätten Heft 9/75, Köln 1975. 44 Rosenkranz Stamm a. a. O. 14 In der Zeichnung von Stamm ist der Turm frei in seinen Grundmaßen angegeben. Die Seitenschiffe lehnten sich mit ihren westlichen Mauern nicht an Nord- und Südseite des Turms an, wie an anderen Kirchenbauten meist ersichtlich, zumal man dabei die westliche Wand des Mittelschiffes einsparen konnte. Der Turm war allein gebaut und das Kirchenschiff hatte eine komplette eigene Westwand, ei-ne Bauweise, die aus verschiedenen Gründen geschehen sein konnte. 1. Rücksicht auf die Setzungs-erscheinungen des unterschiedlich hohen Mauerdrucks von Turm bzw. Kirchenschiff auf den vorhan-denen Lehmuntergrund. 2. Unterschiedliche Bauzeiten, wobei in diesem Fall das Kirchenschiff zuerst errichtet und dann der Turm dazugestellt wurde. Das Primäre des Kirchenbaus war der Gottesdienst-raum, der Turm konnte folgen, wenn die Mittel dafür bereitstanden. Andererseits konnte vom Vorgän-gerbau ein kleinerer Turm vorhanden gewesen sein, der erst nach Errichtung der Basilika durch den jetzigen großen Turm ersetzt wurde. Vermutlich ist mit der frühen urkundlichen Erwähnung einer Kir-che mit Turm dieser Vorgängerbau gemeint, der dann zu der überzogenen Annahme eines tausend-jährigen Walder Kirchturms führte. Der vorhandene Turm mit seinen eindeutigen Merkmalen stammt aber insgesamt aus dem 12. Jahrhundert! Die Einzelheiten im Walder Turm ergeben, dass seine aufwändige Anlage kein Umbau aus späterer Zeit, sondern während der Aufführung in der Zeit des frühen Gewölbebaus entstanden ist. Die Öff-nungen, der große Rundbogen des unteren Turmraums und der kleinere Bogen im Obergeschoß sind Ergebnisse eines zeitgemäßen Plans. Es sind Indizien, dass der Turm anfangs nicht als ein Wehr-turm allein gestanden hat, sondern im Bauprogramm einer romanischen Basilika errichtet wurde. Aus dieser Feststellung heraus wird der Walder Turm im 12. Jahrhundert als dritte Funktion auch Glocken getragen haben. Die Entstehung der nach allen Himmelsrichtungen zeigenden romanischen Schall-öffnungen mit ihrer gekuppelten Zwillingsform ist in diese Zeit zu verweisen. Seit dem 6. Jahrhundert wird die Glocke im sakralen Bereich eingesetzt und im Mittelalter aus der Bienenkorb- und Zuckerhutform zur heute noch gültigen Kelchform entwickelt. Die Technik des Glo-ckengießens wurde anfangs von Mönchen ausgeübt, die vor Ort die Glockenspeise schmolzen und den Guss nahe der Kirche in der Erde vornahmen. Nach den Mönchen bildeten im 13. Jh. die Glo-ckengießer eine eigene Zunft. Im Inneren des Walder Turms stehen auf einem Mauerabsatz noch Reste eines alten eichenen Glockenstuhles. Dieser erhob sich als stumpfe Pyramide bis in die Höhe der Schallfenster, wo die Glocken eingehängt waren und mit dem Stuhl frei schwingen konnten. Das Mauerwerk des oberen Turms blieb auf diese Weise fast vollständig von nachteiligen Vibrationen und Schwingungskräften der Glocken verschont. Heute trägt diese Mauerstufe die Ständer zur Auflage der Balkendecke, auf der ein eiserner Glockenstuhl steht. Dieser ist aus Winkeleisen und Trägern zu-sammengeschraubt und enthält 4 verschieden große Gussstahlglocken, die 1919 als Ersatz für die im Krieg abgelieferten Bronzeglocken angeschafft wurden. Dieses Geläut blieb in der Folgezeit unberührt und bis heute funktionstüchtig im Turm. Es ist bereits eine Sehenswürdigkeit für sich und dokumentiert anhand der eingegossenen Namen und Sprüche den Zeitgeist nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die größte Glocke mit einem Gewicht von 2950 kg trägt den Namen Luther und ist auf „des“ gestimmt. Die zweite Glocke wiegt 1830 kg, ist auf „f“ gestimmt und nach Hindenburg benannt. Die dritte Glocke mit dem Namen Bismarck wiegt 1235 kg und ist auf den Ton „es“ gestimmt während die kleinste Glo-cke, die nach Klarenbach benannt ist, 759 kg wiegt und auf „as“ gestimmt ist. Haben die damaligen Auftraggeber – die Mitglieder des Walder Presbyteriums – die Bedeutung der Namen mit Größe und Gewicht der Glocken gleichgesetzt? Die Verbindung der Politikernamen Bis-marck und Hindenburg mit den Reformatoren Luther und Klarenbach ist nach heutiger Vorstellung nicht mehr nachvollziehbar. Im Stockwerk über dem Glockenstuhl beginnt bereits der Turmhelm, der schon in 1,5 Metern Höhe vom Viereck in ein Achteck übergeht. Der Raum wird von vier barocken Gaubenfenstern erhellt und beherbergt in einem abgeschlossenen Holzhäuschen eine alte mechanische Turmuhr von der Firma C. Heuser Junior Elberfeld. In der Höhe dieses Raums beginnt auch der Kaiserstiel, ein mittig in das Balkenwerk des Helms eingestellter Baum der sich bis in die Spitze des Turms fortsetzt. In der Höhe des nächsten Stockwerks sind auf allen vier Außenseiten die Zifferblätter der Uhr angebracht. Im Inne-ren befinden sich die Getriebe der Zeiger, die heute über einen Impuls der elektronischen Uhr gesteu-ert werden. Vermutlich hat der Turm seit seinem Bestehen verschiedene Helme getragen. Ursprünglich dürfte es eine mäßig hohe, vierseitige romanische Pyramide gewesen sein, die am Ausgang des Mittelalters durch eine achtseitige gotische Spitzpyramide ersetzt wurde. Der gotische Helm wurde 1712 bei ei-nem Unwetter zerstört. Daraufhin war der Kirchturm viele Jahre lang nur mit einem Notdach bedeckt und konnte erst 1746 in seiner heutigen Form wieder hergestellt werden, die dem Ganzen ein baro- 15 ckes Gepräge gab. Die auf einem Balken eingeschnitzte Jahreszahl mit dem Namen des Zimmermeis-ters entdeckte man zwar bei Renovierungsarbeiten, doch die Stelle ist mittlerweile vergessen. Eine Federzeichnung von 1892, die Titelabbildung dieser Arbeit und bislang älteste Wiedergabe des Turms, zeigt diesen Helm noch mit einer Schieferverkleidung, die dann im Frühjahr 1902 durch eine Kupferhaut ersetzt wurde. Schon im Ersten Weltkrieg musste das Kupfer wieder abgenommen und zusammen mit den Bronzeglocken als Kriegsmaterial abgeliefert werden. Erst 1973 wurde der Turm wieder mit Kupfer beschlagen. Die romanische Basilika Die eingehende Betrachtung und Analyse des Turmgebäudes macht die Vorstellung einer romani-schen Kirche deutlich. Doch allein der Vermessungsplan von Kirche und Kirchhof, den der Solinger Geometer Johann Peter Stamm im Jahre 1769 der Nachwelt hinterlassen hatte lässt Schlüsse auf Größe und Gestalt der alten Kirche zu. 45 Als Julius Günther vor 70 Jahren im Solinger Tageblatt sei-ne Skizze dazu veröffentlichte, kommentierte er nur kurz: ... „die Chorseite der alten Walder Kirche hat gegenüber dem Neubau von 1824 einen anderen Grund-riss, als er jetzt in seiner Rundung besteht. Damals bildete sie eine gerade Linie, die nach der Stra-ßenseite noch einen besonderen Vorbau hatte. Welchen etwaigen besonderen Zweck dieser Ausbau hatte, ist nicht bekannt.“ Da Günther nicht näher auf die Kirche eingeht, macht 1967 der Solinger Historiker Heinz Rosenthal erstmalig den „Versuch einer Deutung“. 46 47 Allerdings verwendet er dazu die freizügige Zeichnung Günthers und gelangt zur Vermutung einer einfachen einschiffigen Kirche des 12. Jahrhunderts, die einen freistehenden Turm mit einer älteren Kapelle verband. Der Originalplan dagegen, in dem Stamm den Walder Kirchhof, die Lage und die Maße der Pfarrkirche akribisch wiedergibt, ist eine Zeichnung, in der mehr steckt als damals angenommen wurde. Die RELATIO & EXPLICATIO (Berichterstattung & Erklärung) der Karte Stamms verweist unter A auf „die Parochialkirche48 deren Superficial-Inhalt mit ihrem Fund aaaaa ad 20 3/8 Ruthen“ beträgt. Mit Superficial ist der oberhalb des Erdbodens befindliche Teil des Gebäudes, bzw. die bebaute Fläche gemeint. Hier zeigt sich, dass Stamms Aufgabe in erster Linie aus der Parzellierung des Kirchhofs be-stand; er hat darin nur die Umfassungsmauern – einen Umriss – der Kirche im damaligen Zustand eingezeichnet. Die Angaben sind zwar knapp doch verlässlich genau und ein systematisches Vorge-hen lässt das Bild der mittelalterlichen Walder Kirche wieder entstehen. Zur besseren Übersicht nach heutigem Muster ist der Plan zu drehen, dann gelangt Norden nach oben und die Chorseite des Kirchenumrisses nach rechts, also nach Osten. Die Windrose lässt eine erstaunlich genaue Ausrichtung des Gebäudes erkennen, was auf astronomische Kenntnisse der Kir-chenbaumeister des Mittelalters schließen lässt. Diese richteten die süd-nördlich verlaufende Mauer vor dem Chor in der Flucht zum Polarstern aus und mithilfe des pythagoreischen Lehrsatzes sowie von Schnüren fanden sie den rechten Winkel dazu und damit eine exakte Ostung der Kirche. Stamms Genauigkeit als Landmesser verdanken wir präzise Maßangaben, die er nach damaliger Zeit in einer Skala von 5 Ruten zu je16 Fuß angab. Der noch vorhandene Turm liefert das Vergleichsmaß, so dass mit seiner Hilfe eine Umrechnung in Meter erfolgen kann. So ergibt sich aus Stamms Plan, dass eine Rute umgerechnet 4.75 m und ein Fuß 0,297 m betragen. Daraus errechnen sich für die Gesamtlänge der alten Kirche mit Turm 6 Ruten und 9 Fuß = 32.17 m. Die gesamte Breite des Baus beträgt 3 Ruten und 2 Fuß = 14,88 m. Die Mauerstärke zeichnet Stamm zwar schematisch, so dass hier kein exaktes Maß vorliegt, doch mit der Umrissform, Längen- und Breitenangabe des Kirchenschiffs sind wertvolle Informationen vorhanden. 45 Siehe Rosenthal, Solingen Band II, Buchdeckel-Innenseite und S. 91, zwei weitere Vermessungen v. 1765: „Kirche und Kirchhof in Solingen“ sowie „Die zur Abtei Altenberg gehörenden Ländereien in Solingen“. Der Walder Plan im Staatsarchiv in Düsseldorf. 46 Rosenthal, Wo stand die erste Kirche in Wald? In Heimat I. 1967 47 Rosenkranz / Stamm a. a. O. S. 21. 48 Parochie, (gr./lat.) Pfarrei, Amtsgebiet eines Pfarrers; Parochialkirche, Pfarrkirche; veraltete Bezeichnung. 16 Da Stamms Vermessung eine Kirchenbreite von fast 15 Metern ergibt, ist die bislang gängige Vorstel-lung einer einschiffigen Kirche nicht haltbar. Ein Raum mit einer solchen Spanne wurde im Mittelalter weder mit flacher Balkendecke, noch mit einer Einwölbung geschlossen, sondern in mehrere Schiffe unterteilt. Da der Kirchenbau des 12. Jahrhunderts die Form der romanischen Basilika bevorzugte, ist in Wald mit einer dreischiffigen Kirche zu rechnen, die in Verlängerung des Turms nach Osten ausge-richtet war. Die frühen Basiliken hatten statt geschlossener Decken einen offenen Dachstuhl und wa-ren bei Kienspanbeleuchtung durch Funkenflug extrem brandgefährdet. Deshalb begann man um 1100 die großen linksrheinischen Kirchen von Speyer, Worms und Maria Laach einzuwölben. Dieser Technik folgte man auch beim Bau kleinerer Kirchen, doch nach heutigem Wissen wurde der Gewöl-bebau rechtsrheinisch erst nach 1120 angewandt49. Da auch die Kirche von Wald eingewölbt war,50 sind hier jene Kreuzgratwölbungen aus kleinen Bruchsteinen zu vermuten, wie sie in den Turmge-schossen überliefert sind. Diese rundbogigen Gewölbe bestehen aus zwei sich durchdringenden Halb-tonnen und können deshalb nur auf quadratischem Grundriss ausgeführt werden. Aus diesem Grund errichtete man die gewölbten romanischen Basiliken grundsätzlich im quadratisch-gebundenen Sys-tem, wobei das Mittelschiff mit Gurtbögen in einzelne Joche unterteilt wurde. Diesen fügte man die beiden Seitenschiffe in halber Breite hinzu, die als Stützmasse für das Mittelschiff anfangs durchge-hende massive Gewölbetonnen mit Stichkappen hatten. Nach diesen Vorgaben lassen sich auf der überlieferten Grundfläche des Kirchenschiffs in Wald auf einer Länge von 21.3 Metern drei aufeinander folgende Quadrate als Mittelschiffsjoche finden, deren Seiten jeweils zwei Quadrate flankieren, die nur die halbe Seitenlänge des Mittelschiffs haben. Erfah-rungsgemäß sind bei romanischen Bauten dieser Größenordnung 0,80 bis 1,20 m Mauerstärke anzu-nehmen, woraus sich der wirklichkeitsgetreue Grundriss einer dreischiffigen gewölbten Basilika im ge-bundenen System ergibt. Für das Mittelschiff ist eine Breite von 5,60 m und für die Seitenschiffe sind jeweils etwa 2,70 m vorhanden. Dem romanischen Innenraum gab man ausgeglichene Proportionen, indem man diesen doppelt so hoch wie breit baute. Danach maß die alte Walder Kirche bis zum Ge-wölbescheitel etwa 12 m, was genau der Höhenlage des Gewölbes in der oberen Turmkammer ent-sprach. Von dieser Kapelle war der Blick durch den Rundbogen bis zum Altar im Chorraum möglich. Aus diesen Erkenntnissen ist die Rekonstruktion eines Aufrisses, bzw. eines Längsschnittes möglich, womit der einstige Kirchenraum wieder vorstellbar wird. Doch leider erlaubt die von Stamm angegebene Umrisszeichnung nur die Rekonstruktion einer Kirche, die als Rumpf einer romanischen Basilika anzusehen ist; denn sie endet im Osten mit einer geraden Chorabschlusswand. Dagegen hatten die mittelalterlichen Kirchen dieser Epoche in der Regel ange-setzte, eingezogene Chorräume mit einer Rundapsis. Um das ursprüngliche Bild zu vervollständigen, müssten im Osten ein weiteres Gewölbejoch angefügt und der Chor mit einer Rundapsis geschlossen werden. Die nördliche Chorwand ist vermutlich noch in einem Teil der Ringmauer des Kirchhofs ent-halten, die nach Stamms Plan das „Roster hinter dem Chor“ enthält. Nur diese Mauer ist ganz gerade und exakt in der Flucht von West nach Ost ausgerichtet. Danach dürfte die mittelalterliche Kirche in ihrer Vollständigkeit etwa eben so lang wie die heutige Kirche gewesen sein, was auch der Vorstel-lung entspricht, dass unter dem Altarraum Spuren der ersten Kirchen bzw. ihrer Altäre zu vermuten sind.51 Doch wie kam es dazu, dass zu der Zeit des Geometers Stamm die Kirche nicht mehr vollstän-dig war? Das Archiv der Walder Gemeinde gibt Hinweise, dass in den Jahren 1679-1681 ein Umbau am Kir-chenschiff und eine größere Reparatur am Turm durchgeführt wurden. 52 Die Sitzungsprotokolle und Jahresrechnungen weisen erhebliche Ausgaben für Baumaterial und Arbeitslöhne nach, geben aber keine Auskunft über Art und Umfang der Arbeiten.53 49 Früheste Gewölbe linksrh. in Knechtsteden, Steinfeld, Brauweiler, rechtsrh. Elten/Ndrh., Essen-Stoppenberg, auch in Düssel und Gruiten. 50 Nach der Überlieferung fielen Steine aus dem Gewölbe der baufälligen Kirche. 51 In der Regel baute man die Mauern einer neuen Kirche um die kleinere Vorgängerkirche, die man dann ab-brach und das Material beim Weiterbau verwandte. 52 Rosenkranz/Stamm, „Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Wald“ S. 21. 53 Rosenkranz / Stamm vermuten 1680 den ganzen oder teilweisen Neubau des Kirchenschiffs. Dabei missver-stehen sie die Auffassung Rosenthals, der den Bau der Kirche zum Turm im 12. Jahrhundert, nicht aber im 17. Jahrhundert vermutet. 17 Stamms Überlieferung eines nicht mehr vollständigen mittelalterlichen Kirchenbaus lässt vermuten, dass im Laufe der Zeit an dem Bauwerk Veränderungen, wahrscheinlich Reduzierungen vorgenom-men wurden. Nach der Reformation und in den folgenden ständigen Unruhezeiten, besonders aber dem Dreißigjährigen Krieg stellten sich wahrscheinlich Bauschäden am Chorhaus ein. Unterlassene Reparaturen führten zu einem Zustand, der letztlich zur Aufgabe und Abriss führte. In der Regel waren es schadhafte Dächer, durch die eindringendes Regenwasser Gewölbe sowie ganze Bauteile ruinier-ten. Für den reformierten Wortgottesdienst war ein geräumiger, tiefer Chor nicht erforderlich, so dass man darauf verzichten konnte und den Kirchenraum an der Ostseite mit einem geraden Abschluss versah. Zu diesem Zweck wurde der Chor- oder Triumphbogen geschlossen und in die entstehende Wand wahrscheinlich ein Fenster eingefügt. Den aufgegebenen Chorraum brach man vollständig ab und be-kam dafür etwas mehr Raum für Begräbnisse auf dem Kirchhof. Das Kircheninnere kam nun der Neu-gestaltung der Prinzipalstücke Altartisch und Kanzel und somit auch dem Wortgottesdienst entgegen. Bemerkenswert ist aus dieser Zeit auch der Hinweis, dass der Taufstein bei Bauarbeiten beschädigt und aus der Kirche genommen wurde. Die Kirche hatte nach J. P. Stamms Angaben drei Zu- bzw. Ausgänge. Der einzige Weg über den Kirchhof führte zum Hauptportal an der Westseite des Turms, gewöhnlich den Männern vorbehalten. Im westlichen Teil des nördlichen Seitenschiffs befand sich die Frauenpforte zum Markt, ein vielerorts gebräuchlicher separater Eingang für die Frauen der Gemeinde. Die Tradition der Geschlechtertren-nung beim Gottesdienst hielt sich bis in die Neuzeit und wurde ehemals durch getrennte Portale schon vor dem Gottesdienst eingeleitet54. Ganz im westlichen Bereich des südlichen Seitenschiffs ist ein Por-tal eingezeichnet, das unmittelbar auf das Gräberfeld des Kirchhofs führt; vermutlich die Totenpforte, durch die die Särge nach der Totenfeier im Gotteshaus zur Bestattung auf den Friedhof hinaus getra-gen wurden. Der Anbau – eine Seitenkapelle? Nach der Deutung Rosenthals bildete der Ostteil der Kirche mit der nördlichen Erweiterung einen früh-romanischen Vorgängerbau, eine kleine Saalkirche, die entgegen der sonst üblichen Art mit dem Altar nicht nach Osten, sondern nach Süden ausgerichtet war. Rosenthal beruft sich auf andere Kirchen-beispiele wie die Solinger Kirche, die nicht nach Osten, sondern OSO ausgerichtet ist. Vermutlich war das aber eine Ungenauigkeit bei der Planung und Grundlegung der Kirche, die einmal verursacht für alle Zeiten festgeschrieben war. Gleichaltrige Kirchen der Umgebung wie in Haan, Düssel, Schöller, Gruiten, Gräfrath, Hilden und auch Rupelrath haben eine klare Ausrichtung nach Osten. Die Ostung der Gotteshäuser hatte seit frühester Zeit eine wichtige liturgische Bedeutung; denn im Aufgang der Sonne erwartete man die Wiederkehr des Gottessohnes am Jüngsten Tag. Die Vorgängerkirche aber genau nach Süden auszurichten – also exakt und nicht aus Versehen – macht keinen Sinn. Auch die Vorstellung, dass diese kleine romanische Kirche um 1200 mit dem schon vorhandenen Turm zu einer größeren, nach Osten ausgerichteten Saalkirche ausgebaut wurde, ist nicht zu halten.55 Ein kleiner frühromanischer Bau hatte eine Flachdecke und ließ sich nicht ohne weiteres in einen größeren Bau integrieren. Da eine Gewölbebasilika folgte, musste der Bau von der Fundamentierung her völlig neu aufgeführt werden. Abgesehen davon, dass Rosenthal eine ungenaue Skizze des Stammschen Plans zur Verfügung stand, machte er keine eigenen Untersuchungen am Walder Kirchturm. In seinem Text erklärt er Mauerdrehungen und Veränderungen, die nicht logisch sind und denen die Verfasser nicht folgen können. Für einen Anbau an der Nordseite der Kirche gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten, die zum Vergleich auch andernorts anzutreffen sind. So richtete man häufig an dieser Stelle ein Beinhaus ein; einerseits ein erklärlicher Grund bei der Platznot im Walder Kirchhof, andererseits hätte das Beinhaus aber völlig unpraktisch auf der dem Friedhof abgewandten Seite der Kirche gelegen. Eher ist es mög-lich, dass der kleine Anbau im östlichen Bereich ein barockzeitlicher Sakristeianbau war, der nach der Aufgabe des großen Chorraums notwendig wurde. Dabei wählte man die Nordseite zum Kirchplatz weil sich auf der Gegenseite im Süden die Gräber des Kirchhofs befanden. Ein solcher Bau gehörte 54 In der katholischen Kirche war es noch 1930 Brauch, die Frauen bis zur Geburt ihrer Kinder als unrein anzu-sehen, um sie danach „unten“, d. h. im Westteil der Kirche mit einer Gebets- und Segensformel der Reinigung zu unterziehen. 55 Rosenthal, a. a. O. 18 zu kostenintensiven Maßnahmen, die mit den genannten Ausgaben um 1680 im Zusammenhang stehen könnten. An dieser Kirchenseite ist aber auch häufig eine Seitenkapelle anzutreffen, z. B. als spätmittelalterli-che Marien- oder Annenkapelle, die man sich in gotischen Bauformen vorstellen müsste. Ebenso könnte es eine Kapelle zur Verehrung des heiligen Sebastian gewesen sein, der um 1420 als Kir-chenpatron genannt wird. Die Heiligenverehrung stand gerade zu dieser Zeit bei den Gläubigen hoch im Kurs.56 Das Kloster Gräfrath erfreute sich großen Zustroms wegen des Katharinenwunders und baute die Abteikirche zu einer gotischen Wallfahrtskirche um. Vermutlich kam mit dem Bau dieser Hei-ligenkapelle ein kleiner Abglanz Gräfraths auch nach Wald. Für eine Kapelle spricht auch die fehlende Außentür; denn diese kleinen Heiligtümer waren in der Regel nur vom Kirchenschiff aus zu betreten. Im Gegensatz dazu blieb den Laien der Zutritt zum Klerikerchor - dem Allerheiligsten – verwehrt. Der Ursprung des Anbaus bleibt im Bereich der Vermutungen. Auf jeden Fall änderten sich mit der Refor-mation die kultischen und liturgischen Gewohnheiten und man kann davon ausgehen, dass ein sol-cher Nebenraum fortan als Sakristei genutzt wurde. Ein rätselhafter Mauervorsprung - stand in Wald eine Emporenbasilika? Der Anbau der genannten Seitenkapelle nimmt in seiner Länge von fast 8 m einen Mauerversatz auf, der in Stamms Zeichnung auch auf der südöstlichen Seitenschiffmauer etwa 30 cm (1 Fuß) nach au-ßen vorspringt. Für die Anlage eines Querschiffs, bei dem wiederum ein quadratisches Gewölbejoch hätte entstehen müssen, ist dieser Mauerversatz zu gering; ein Querschiff ist auch nicht typisch unter den rheinischen Basiliken. Man könnte an eine Innenraum-Verbreiterung im östlichen Bereich der Sei-tenschiffe denken, wie sie sich selten bei kleineren sehr frühen romanischen Kirchen finden.57 Die dort eher gangartigen Seitenschiffe bildeten im Osten vor der kleinen Apsis einen größeren, gefälligeren Andachtsraum. Doch da sich unter zeitgleichen Kirchen innere Seitenschiffsverbreiterungen nicht fin-den lassen, bleibt diese Erklärung letztlich unbefriedigend. Dagegen fällt die Basilika von Niederlahnstein58, gegenüber von Koblenz gelegen, mit einem ähnli-chen und etwa gleichlangen Mauerversatz an der südöstlichen Seite - also an der gleichen Stelle wie in Wald - auf. Ein zweiter Mauerversatz an der nordwestlichen Seite der Kirche war bei Wiederherstel-lungsarbeiten 1856 abgeschlagen und begradigt worden. Der noch vorhandene Mauervorsprung tritt mit 75 cm etwa doppelt so stark als in Wald hervor. Er ist eine Mauerverbreiterung und ummantelt in seinem Inneren eine Wandtreppe, die zur Empore im Obergeschoss des Seitenschiffs führt. Dieser Aufgang hat eine bequeme Breite von fast einem Meter. Die Kirche von Niederlahnstein entstand in ihrer heutigen Gestalt um 1130, wurde also zeitgleich mit Wald erbaut. Es würde wohl zu weit führen, hier eine Vorbildfunktion für die Kirche in Wald zu sehen; denn Niederlahnstein im Bistum Trier ist eine Basilika mit anderen Abmessungen, anderer Raumaufteilung und flach gedecktem Mittelschiff, aber gewölbten Seitenschiffen. Allerdings wurden Bauideen – besonders im Detail - zu jeder Zeit gern ab-geguckt oder weitergereicht, und Niederlahnstein liegt am Rhein wie die Abtei Deutz, dem damaligen Bauherrn von Wald. Wir finden aber in Wald bereits die Anordnung der Wandtreppen zur Umgehung der Gewölbe im Turm.59 Sollten Wandtreppen auch in den gewölbten Seitenschiffen vorhanden gewesen sein? Bei der geringeren, nur 30 cm (1 Fuß) messenden Verstärkung der Mauer, wären sie mit 50-60 cm (2 Fuß)– ähnlich wie im Turm - ausreichend breit gewesen. Die Bauherren hätten diese Treppe aber nicht in die Wand eingebaut um den Dachraum über dem Seitenschiff erreichen zu wollen. Dafür genügte allge-mein die Luke im Giebel des Pultdachs, die man mit einer Leiter erstieg. Das zeitgleiche Beispiel in Niederlahnstein mit einer Wandtreppe zur Empore über dem Seitenschiff legt die Vermutung nahe, dass auch in der Walder Kirche Emporen über den Seitenschiffen vorhanden waren. Das Stichwort Emporenkirche lässt uns auf Köln sehen. Die alte Stiftskirche St. Ursula wird um 1130 durch einen Neubau ersetzt und übernimmt als frühester Bau im Rheinland das Baumotiv der Basilika 56 Vgl. dazu die Entstehung der St. Reinoldikirche in Rupelrath. Gerd Weiland, Wolfgang Wennig, a. a. O. 57 Vgl. die ergrabene Vorgängerkirche in Kornelimünster. 58 Bernd Koppe, Die Basilika St. Johannis in Lahnstein-Niederlahnstein, Rheinische Kunststätten Heft 329 1988. 59 Der Bau von Wendel- oder Spindeltreppen wurde erst im 13. Jahrhundert üblich. 19 mit Seitenschiffemporen.60 Eine liturgische Begründung für diese Gestaltung ist nicht mehr klar er-sichtlich. Der Historiker Roland Günter vermutet, dass man mit dem Bau der Emporen an eine byzan-tinische Form anknüpfte und die Hierarchie unter den Gläubigen deutlich machte. Die derartige Ge-staltung für St. Ursula in Köln könnte im Zusammenhang mit Funktionen des Nonnenklosters stehen. Ein Piano nobile trennte die zumeist adligen Stiftsdamen vom allgemeinen Volk und machte in der Kir-che den Abstand der Stände deutlich. Eine Erklärung für den Bau von Emporen in der Kirche von Wald, die ja als reine Tauf- und Gemeindekirche anzusehen ist, kann man aber wohl nur in der Ver-größerung der Kirche für mehr Besucher sehen. Demnach machte man sich diese Bauform, die etwa 100 Jahre lang an verschiedenen Orten ausgeführt wurde, für verschiedene Aufgaben nutzbar. Für die zeitgleich in Wald entstandene Basilika ist St. Ursula in Köln als Vorbild oder Parallelbeispiel vor-stellbar. Es bestanden nach Köln enge Verbindungen durch den Kontakt der Bauhütten untereinander, wobei fortschrittliche Bauformen direkt übernommen wurden. Andererseits war vor der Übernahme durch das Kloster Deutz das Stift St. Ursula Besitzer der Kirche in Wald und besaß nach wie vor den Sackzehnten an der Kirche. Verbindung und Einfluss können auch noch weiterhin bestanden haben. Demgegenüber stehen uns zwei weitere, bemerkenswerte Vergleiche in unmittelbarer Nähe von Wald zur Verfügung. Hierzu ist die erste Klosterkirche in Gräfrath61 zu nennen, die nach 1187, also etwa 50 Jahre nach der Walder Kirche errichtet wurde. Sie entstand in gleicher romanischer Grundform, nahe-zu übereinstimmender Abmessung mit der Walder Kirche und erscheint mit ihrer aufwändigen Werk-steingliederung auch reifer und jünger. Wie an den wieder entdeckten Resten auf der Nordseite der Kirche noch erkennbar ist, war die Klosterbasilika eine Emporenkirche. Diese Bauform steht hier – wie oben schon beschrieben - im Zusammenhang mit Funktionen des Nonnenklosters. Die Vermutung, dass schon in Wald eine Emporenkirche stand, rückt diese beiden Kirchen in ihrer Ähnlichkeit noch mehr zusammen, so dass man annehmen kann, dass die Walder Basilika eine Vorbildfunktion in der Konzeption für Gräfrath hatte. Als weitere romanische Basilika, bis heute sehr gut erhalten, ist die Kir-che in Hilden zu nennen, die fast einhundert Jahre nach Wald gebaut wurde.62 Auch auf diesen Bau hat man die Idee der Emporengliederung übertragen. Die Aufwendigkeit der Gestaltung und die Ver-wendung von Blaustein oder Schiefer als kostbares Säulenmaterial im Emporengeschoss lassen an einen besonderen Bau denken, der über die Aufgaben einer Gemeindekirche hinausging. Auch in Schloss Burg dürfte eine dem Bau von Hilden ähnliche, verkleinerte Form am Palas des Engelbert ge-standen haben. Sowohl in Hilden als auch in Burg werden die Emporengeschosse dem Adel und dem erzbischöflichen Klerus vorbehalten gewesen sein. Die Ausstattung der Kirche, Taufstein Die sakralen Kunstwerke, die sich im Laufe der Jahrhunderte in der Kirche angesammelt hatten, sind wohl nach Durchsetzung der Reformation beseitigt worden. Die strenge Disziplin der nach Calvin aus-gerichteten reformierten Kirche duldete keine Bilder im Gotteshaus. Einzig der Taufstein, ein spätromanisches Werk, das um 1200 entstanden war, soll sich noch 1681 in der Kirche befunden haben. Bei Rosenkranz/Stamm heißt es, … „dass er bei Umbauarbeiten im Kir-chenraum wegen mangelnder Standsicherheit umgefallen ist. Danach wurde er in das „Häuschen am hellen Türmchen“ geschafft. Nach einem wohl wechselhaften Schicksal wurden Trümmer des Be-ckens im Jahr 1891 bei der Anlage einer Wasserleitung auf dem Grundstück des Konditors Max Kra-nen gefunden. Möglich ist, dass die Bruchteile desselben bei Anlegung des Brandteiches bei De-varanne Verwendung fanden. Herr Kranen gab seinerzeit an: „Der Ort an dem die Trümmer des Be-ckens gefunden wurden, war früher ein Tränkteich, der zum alten Deutzer Hof gehörte, zum Tränken des Viehs genutzt wurde und sein Wasser vom sogenannten Halfenweyer empfing.“ Von Kranen wurde der Taufstein wieder zusammengesetzt und in seinem Vorgarten aufgestellt, wo er längere Zeit verblieb. Um das Taufbecken zu erhalten wurde es später im Rathauskeller aufbewahrt, verschwand aber bei einer Aufräumaktion während der Besatzungszeit nach dem 1. Weltkrieg. Ver-mutlich landete es unter dem Schutt des Hindenburgplatzes, der ehemaligen Müllkippe der Stadt Wald.“63 60 Roland Günter, Kunstführer Reinland, Bindlach 1988, S. 28. Dehio, Rheinland 1967, S. 392. 61 Vgl. Nussbaum, N. Die romanische Stiftskirche in Solingen Gräfrath, Solingen 1992. 62 Vgl. W. Wennig und E. Huckenbeck a. a. O. 63 Rosenkranz/Stamm, a. a. O., S. 7. 20 Nach Augenzeugenberichten glich dieser Taufstein jenem von Herkenrath, der durch die vier stark hervortretenden Eckköpfe der relativ flachen runden Kuppa gekennzeichnet ist. Das Taufbecken war aus Namurer Blaustein angefertigt,64 einem vulkanischen Gestein des Maasgebietes. Es stand auf ei-nem Mittelzylinder mit vier Ecksäulen. Ähnlich gestaltete Taufsteine befinden sich im Rheinland auch in Stoppenberg, Kaarst, Herkenrath, Kürten und Wermelskirchen. Nach den Überlieferungen ist der Lebensweg des Walder Taufsteins denen aus anderen Kirchen sehr ähnlich. Im 12. Jahrhundert wurde von Rom aus verfügt, dass in allen Gemeindekirchen Taufbecken aufzustellen seien. Der große Bedarf erzeugte damals eine regelrechte Industrie für Taufsteine, be-sonders in jenen Gebieten, die über geeignete Steinvorkommen verfügten. So belieferten die Stein-werkstätten Gotlands die Kirchen des gesamten Ostseeraumes mit ihren Kalksteintaufbecken, den sogenannten Fünten. Auch in den zahlreichen friesischen Kirchen stehen romanische Taufsteine, die von weit her über das Wasser herantransportiert wurden. Romanisches Taufbecken aus Namurer Blaustein in Herkenrath. Zeichnung: E. Simon 1937 In romanischer Zeit hatte der Taufstein eine Kessel-, Kufe-, Pokal- oder Beckenform und war reliefartig ver-ziert (unter anderem mit Lebensbaum, Darstellungen der Heilsgeschichte). Im rheinisch-bergisch Raum sind zahlreiche Taufbecken aus der Gegend der belgischen Stadt Namur an der Maas aufgestellt worden.65 Der dort vorhandene Blaustein vulkanischen Ursprungs erlaubte die Fertigung eines außer-gewöhnlich großen Beckens, auch Kuppa genannt, in das ein Kleinkind eingetaucht werden konnte. Die Namurer Arbeiten weisen vornehmlich das Baumuster mit vier Köpfen auf und sind mit reliefarti-gen Tierfiguren und phantasievollen Fabelwesen verziert. In der Regel steht das Becken auf einem Mittelfuß, der von weiteren Stützsäulen umgeben ist. Nach alter Vorstellung reinigte die Taufe die Seele des Menschen, bevor er in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen wurde und die geheiligte Welt des Kirchenraumes betreten durfte. Deshalb 64 Blaustein (Dolerit), Gesteinsart vulkanischer Herkunft, die bei der Abkühlung in senkrechte Säulen erstarrte. 65 Das Maasgebiet der Erzdiözese Lüttich war eines der europäischen Kulturzentren des Mittelalters. Wegen seiner stilistischen Einheit spricht man von der Maaskunst, die ihre Blütezeit vom Anfang des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts hatte. Gepflegt wurden neben der Bildhauerei alle Gattungen der bildenden Kunst und Mu-se. Neben Anregungen der Nachbarländer nahm die Maaskunst auch Einflüsse der Antike sowie der byzantini-schen und arabischen Kultur auf, die durch die Kreuzzüge hierher gelangten. Unter den Hauptwerken der Maas-kunst, deren Erzeugnisse in Europa hoch geschätzt und weit verbreitet wurden, interessiert uns das von Reiner von Huy geschaffene Taufbecken von Sankt Bartholomäus in Lüttich (1107-1118). Microsoft® Encarta® Pro-fessional 2002. © 21 stellte man in den mitteleuropäischen Ländern die Taufbecken häufig am Eingang der Kirchen, im Westwerk oder im Erdgeschoss des Turmes auf. Damit wird der Sinn der vielerorts sehr stimmungs-vollen Turmräume nachvollziehbar. Hier wurde bei der Zeremonie des Taufsakramentes im Kreise der Paten vom Priester die Taufkerze entzündet, die dann gleichnishaft den im Halbdunkel liegenden Raum mit ihrem Licht erhellte. Die Reformation vollzog eine Abkehr von der Mystik der alten Kirche. Man versetzte den Taufstein aus dem Dunkel der hinteren Kirche in den hellen Chorraum nahe dem Altar. Der Täufling sollte nun vor den Augen aller in die christliche Gemeinschaft aufgenommen werden. In der Barockzeit ging die Verwendung von Wasser bei der Körperpflege stark zurück und folglich kamen auch die großen Taufbecken aus der Mode. Bei beiden Konfessionen setzten sich Taufkannen und Schüsseln durch, die das Wasser beim Begießen des Kinderkopfes auffingen, was die endgültige Ab-kehr der westlichen Kirche vom Untertauchen demonstrierte. Die alten Taufbecken wurden nicht mehr ge-braucht und standen oft der wachsenden Zahl der Kirchenbesucher im Wege. Sie verschwanden aus den Kirchen und wenn sie nicht ganz verloren gingen, dienten sie bestenfalls noch als Zierschalen in Gärten und Parks. Ihre besondere künstlerische Gestaltung machte erst die Neuzeit auf ihre sakramentale Bedeu-tung aufmerksam, und mancher Stein wurde wieder in die Kirche zurückgebracht. Die zumeist völlig verwit-terten Verzierungen geben Zeugnis von dem Jahrhunderte währenden Außendienst der Taufbecken. Auch in Wald ist es vorstellbar, dass das Namurer Taufbecken einst im Turmraum, im Westen der Kirche gestanden hat. Die Reformation verfügte dann die Umsetzung in den Chorraum, der 1680 abgebrochen wurde. Vermutlich beschädigte man bei den Abriss- oder Bauarbeiten den Taufstein, der aufgrund seiner rätselhaften Gestaltung längst unbeliebt war und daraufhin aus der Kirche genommen wurde. Zusammenfassung: In Wald stand eine romanische, dreischiffig gewölbte Pfeilerbasilika der Stauferzeit mit drei Jochen im Langhaus und einem eingezogenen einjochigen Chor mit Rundapsis. Vorsprünge an den Außenmau-ern der Seitenschiffe lassen darin Wandtreppen vermuten, was wiederum auf das Vorhandensein von Emporen schließen lässt. Der Kirchturm war in der unteren Halle durch einem großen Bogen zum Schiff geöffnet. Dieser Vorraum hatte mit dem romanischen Namurer Taufstein die Funktion einer Taufkapelle. Der gewölbte Raum des Obergeschosses war eine Patronatskapelle des Deutzer Stiftes und später des Stiftes Gräfrath. Von hier aus konnte man durch den offenen Rundbogen die Mess-handlung im Chor verfolgen. Beispiele wie in Wermelskirchen, Lindlar, Werden und weiteren Orten verweisen auf eine übliche Praxis im 12.und 13. Jahrhundert. Der ungegliederte Turm aus Bruchstei-nen lässt darauf schließen, dass auch das Kirchenschiff aus diesem Material errichtet war und innen wie außen ohne Werksteingliederung durchgängig verputzt, bzw. geschlämmt war. Aus Kosten und Organisationsgründen wurde ausnahmslos das vor Ort gebrochene Steinmaterial verwendet. Die Schmucklosigkeit erscheint ungewöhnlich für eine rheinische Kirche, weist aber auch auf ihre frühe Entstehung hin. Als Ersatz für die fehlende architektonische Gliederung dürfte sie aber wie andere romanische Kirchen eine reiche farbige Ausgestaltung gehabt haben.66 Nach Erkenntnissen Rosent-hals wurde die Kirche zuerst Johannes dem Täufer geweiht, erst 1420 wird als Schutzpatron der hl. Sebastian genannt. Die Walder Kirche wurde unter dem Patronat des mächtigen Benediktinerklosters St. Heribert, Deutz als Ganzes von einer Bauhütte – vermutlich von Köln kommend - errichtet. Aufgrund einer gesicher-ten Gesamtfinanzierung wurden die romanischen Kirchen in der Regel als vollständige Bauwerke auf-geführt. Bedeutende romanische Kirchenbauten links des Rheins erhielten um 1100 erstmals Kreuz-gratgewölbe und mächtige Türme. Rechts des Rheins hat sich diese fortschrittliche Bautechnik aber erst nach 1120/30 verbreitet, so dass der Bau der romanischen Basilika zu Wald nach dieser Zeit zu legen ist. Damit dürfte sie mit ihrem Turm zu den frühen Gewölbekirchen mit einer Emporengliederung auf der rechten Rheinseite gehört haben. Der Plan des Geometers J. P. Stamm von 1769 zeigt die Grundfläche der Kirche mit dem Kirchhof, der damals noch von einer Ringmauer umgeben war. Ein Rest dieser Mauer blieb als Nordwand in einem Haus südlich der Kirche erhalten. Stärke und Höhe der Bruchsteinwand sind beachtlich und bezeugen mit der Kirche auf der Anhöhe, dass die gesamte Anlage im Mittelalter einen wehrhaften Charakter hatte. 66 Siehe die reiche Farbgestaltung der Bruchsteinkirche in Düssel und der später entstandenen ersten Gräfrather Klosterkirche. 22 Der Einsturz der alten Kirche Eine romanische Gewölbebasilika ist als statisches Ganzes anzusehen. Die einzelnen Teile, beson-ders das Hauptschiff mit seinen hoch angelegten Gewölben bekam seine Standfestigkeit durch die Seitenschiffe als Stützen im Süden und Norden. Der sich in Ost-West-Richtung ausdehnende Schub der massiven Gewölbe wurde vom Turmkörper im Westen und von der Apsis im Osten aufgefangen. Somit erfüllte diese mit ihrem Halbrund und der Kalotte, dem halbkugelförmigen Gewölbe, eine wichti-ge statische Funktion. Solange ein solcher Kirchenbau als Ganzes nicht angetastet, seine Gründung fest blieb und sein Dach erhalten wurde, überstand er unbeschadet viele Jahrhunderte. Problematisch wurde es in der Regel immer, wenn man Eingriffe und Abtrennungen am Baukörper vornahm. Das Consistorium hatte sich schon im 17. Jahrhundert häufig mit dem schlechten baulichen Zustand der Kirche, des Turms, der Bedachung und des Läutewerks zu beschäftigen. Das Kloster Gräfrath, nach wie vor Nutznießer des Kirchenzehnten aus Wald kam seiner Verantwortung zum Bauunterhalt aber nicht nach. Der Ort Gräfrath und sein Kloster fielen 1686 einer Brandkatastrophe zum Opfer, so dass dort jegliche Mittel für den Wiederaufbau gebraucht wurden. Bemühungen um Baukostenhilfe für Wald wurden deshalb vom Kloster Gräfrath abgewiesen.67 J. P. Stamm zeichnete 1769 die Grundfläche einer Kirche, in die das romanische System einer Basili-ka mit Turm genau passt. Zu dieser Zeit fehlten bereits Chorhaus und Apsis, die aber für die Standfes-tigkeit des gewölbten Langhauses unerlässlich waren. Diese Teile waren vermutlich 1679-1681 we-gen Bauschäden aufgegeben und abgebrochen worden. Auf die unbedingt notwendig gewesenen Strebepfeiler zu Stützung der mittleren Ostwand hatte man entweder aus Kostengründen oder Un-kenntnis verzichtet. J. P. Stamm zeichnet sie nicht ein; seine Angaben sind aber wohl vertrauenswür-dig, da er bei einer anderen Karte von Kirche und Kirchhof in Solingen solche Einzelheiten festhält. Die Folge der fehlenden Abstützung war ein Ausweichen der Ostwand aufgrund des Gewölbeschubs im Mittelschiff. Die Gewölbekappen im Inneren sackten ab und verloren durch Reißen und Aufbrechen ihre Stabilität. Dieser Vorgang begann langsam über Jahrzehnte und wurde bei dem schweren Mau-erwerk mit einer allmählichen Deformierung der Bauteile sowie sich ständig erweiternder Risse er-kennbar. Die Schäden zeigten sich vermutlich frühzeitig, wurden aber wohl völlig unterschätzt und erst 1780 aktenkundig gemacht. Als dann 1804 Steine aus dem aufreißenden Gewölbe stürzten, gab es keine Aussicht mehr auf eine erfolgreiche Reparatur oder Sanierung des Gebäudes. Ein Betreten der Kirche bzw. ihre Nutzung zu gottesdienstlichen Zwecken war mit Lebensgefahr verbunden und musste untersagt werden. Die Kirche blieb als Ruine noch weiterhin stehen, erst im Mai 1816 begann der Bauunternehmer Schnitzler mit dem Abbruch, der sich dann bis ins Hungerjahr 1817 hinzog. Es ist zweifelhaft, ob eine Wiederverwendung des Abbruchmaterials möglich war; denn beim Neubau der Kirche ist davon keine Rede. Wahrscheinlich zerfiel das Bruchsteinmaterial unter der Spitzhacke vollständig und war nur noch als Packlage für den Chausseebau brauchbar. Ein wichtiger Faktor zur Kostenersparnis bei der Kalkulation des Neubaus entfiel dadurch und weitere Teuerungen, bedingt durch die Hungerzeit ka-men dazu. Der Bauunternehmer Schnitzler sah sich nicht mehr in der Lage, den Neubau der Kirche unter diesen Umständen durchführen zu können. Er trat von seinem Vertrag zurück. In den Jahren des weiteren Kirchenverfalls und besonders beim Abbruch sind die vorhandenen alten Grabplatten, die an vielen Stellen den Boden des Kirchenraums bedeckten, abhanden gekommen. Die Adelsherren von Caspersbroich, mit ihrer besonders nahen Beziehung zur Walder Kirche hatten dort ihr Erbbegräbnis. Unter den bestatteten Caspersbroicher Herren waren Christoph von Bauer (1561-1650) und seine beiden Söhne Friedrich (gest. 1667) und Johann Christoffel (gest. 1676). Zu diesen Männern gehörten auch drei Totenschilde, die in der Kirche hingen.68 In einem Schreiben vom 15. August 1816 entrüstet sich der Bürgermeister Köller: „Ein gewisser Holthausen ist in der Kirche erschienen, um die Grabsteine der zu Caspersbroich gehö-renden Familiengruften derer von Rombach und Kessel wegzuschieben und mitzunehmen. Ein Stein 67 Das Stift Gräfrath bemühte sich um den Wiederaufbau von Kloster und Kirche, die wie ein Grossteil des Or-tes 1686 bei einem Brand vernichtet worden waren. 1717 verbrannte die gerade erst fertig gestellte Klosterkirche ein zweites Mal. 68 Rosenthal, Solingen I., S. 54. 23 war schon eine sehr große Strecke vom Grabe weggeschoben und man erzählte mir, dass sogar ein Totengebein aus dieser Gruft in der Kirche zerstreut gelegen hätte.“69 Der Bürgerliche Adolf Holthausen hatte 1810 das Gut Casparsbroich für 20 000 Rthlr. gekauft mit allen dazugehörigen Rechten wie die Gruften in der Walder Kirche und das Kollationsrecht für die zweite Pfarrstelle.70 Ob Holthausen letztlich die Grabplatten seiner Caspersbroicher Vorgänger aus der bau-fälligen Kirche geholt und zum Schloss verbracht hat, ist nicht erwähnt. Die Ablösung der Walder Kirche vom Kloster Gräfrath Die evangelische Gemeinde Wald umfasste 1781 3700-3800 Gemeindeglieder im Alter über 10 Jahre. Dafür standen in der Kirche 865 Sitze zur Verfügung, womit die Raumenge in der Walder Kirche uner-träglich wurde. Zudem mehrten sich die Bauschäden an dem bereits über 600 Jahre alten Gotteshaus, da in den zurückliegenden Kriegszeiten wichtige Erneuerungen unterblieben waren. Aus diesem Grund befand sich die Gemeinde Wald schon seit 1713 in einem Prozess mit dem Kloster Gräfrath. Das Kloster, trotz Reformation der Hauptinhaber des Walder Zehnten, sollte zur Instandsetzung der Kirche herangezogen werden. Der Prozess begann vor dem Solinger Richter Johann Gottfried Kyll-mann und wurde nach Unterbrechungen und endloser Verschleppung in den 80er Jahren wieder auf-gegriffen Bei den vielen Zehntinhabern im Kirchspiel Wald war das Kloster aber nicht geneigt, einen Beitrag zum Kirchbau zu leisten. Man verwies auf die Belastungen nach der Brandkatastrophe von 1717, wobei die eigene Abteikirche wiederum ein Raub der Flammen geworden war. St. Ursula in Köln und die Abtei Deutz sträubten sich, die Abtei Altenberg erklärte, keinen Zehnten mehr im Kirch-spiel Wald zu besitzen71, und die beiden Ritterbürtigen, der Graf von Spee auf Schirpenbroich und der Herr von Kessel auf Hackhausen, sagten, es bliebe ihnen aus ihren Zehnteinkünften nicht mehr viel übrig, wenn sie den Wert für den „Stierochsen und Bären“ (Eber), die sie zu stellen hätten, abzögen. Auch der Sonnborner Pastor lehnte eine Verpflichtung ab. Schließlich urteilte die pfalz-bayrische Regierung 1792, Gräfrath habe nach Maßgabe seines Zehnt-besitzes an die Walder Kirchengemeinde 3911 Rthlr. 3 Stüber zu zahlen, und zwar für Reparaturzwe-cke. Sollte aber die Kirchengemeinde auf einen Neubau bestehen, so sei der Wert der Abbruchmate-rialien abzuziehen, so dass das Kloster nur 2485 Rthlr. und 15 Stüber zu zahlen habe. Das Kloster hat dieses Geld nicht aufzubringen brauchen. Als 1804 das Gewölbe des Walder Kirchenschiffs einstürz-te, bestand das Kloster nicht mehr. Durch seine Aufhebung nach dem Reichsdeputationshauptschluss gingen Vermögen und Werte der Abtei an die Domänenkammer des damaligen Landesherrn, Maximi-lian Joseph Kurfürst von Bayern. Nach 1806 wurde Frankreich, vertreten durch die Großherzöge Joachim Murat und Ludwig Napoleon, Eigentümer des Klosterbesitzes. Nach 1813 kam alles zur Do-mänenkammer des preußischen Königs, die somit Rechtsnachfolger der Abtei war und das Geld plus Zinsen nach Wald hätte geben müssen. Doch die politische und wirtschaftliche Lage der Zeit verhin-derte den Neubau der Kirche nach mehreren Ansätzen, so dass das Geld liegen blieb. Als Wald dann 1819 endlich die neue Kirche baute, wurde der Walder Anspruch an Gräfrath auf die 10 000 Rthlr. angerechnet, die der preußische König Friedrich Wilhelm III. zur Verfügung stellte.72 Es heißt zwar, der König habe den Waldern dieses Geld als Geschenk zum Bau der neuen Kirche ge-geben, doch genau nachgerechnet war diese königliche Gabe kein Geschenk, sondern stand der Gemeinde rechtlich zu. Der König war nicht so großzügig wie immer dargestellt, es war eher ein klu-ger Schachzug der preußischen Verwaltung. Der Abbruch der mittelalterlichen Kirche lieferte kaum brauchbares Material zum Bau einer neuen Kirche, denn das Bruchsteinmaterial zerfiel beim Abbau und taugte bestenfalls noch zum Wegebau. Von gleicher Qualität dürfte das Abbruchmaterial vom Gräfrather Kloster gewesen sein, das die Beamten des preußischen Fiskus schon früher wahlweise zum Ausgleich für die 2485 Rthlr. und 15 Stüber anboten. Die Walder Gemeinde lehnte aber dankend ab - nicht einmal der Transport hätte sich gerechnet. 69 Kemper, Karl, Aus der Geschichte der Stadt Wald, Berg. Heimatblätter 1928 Nr. 19, GA 33) 1810 wurde das Schloss an Johann Adolf Holthausen für 20 000 Taler verkauft. 70Rosenthal, Solingen I., S. 55. 71 Der Abt von Altenberg verprasste das Vermögen des Klosters währenddessen in Köln. 72 Rosenthal, Solingen II, S. 27. 24 Vom preußischen Staat als Rechtsnachfolger der Abtei Gräfrath wäre gerechterweise eine erneute Gegenüberstellung der Kosten für Reparatur oder Neubau vonnöten gewesen. Sehr bald wäre zu er-kennen gewesen, dass den Waldern der volle Betrag zugestanden hätte. Das Vermögen, das rechnerisch beim Kloster verblieb, hatte Ende 1792 bereits einen Wert von über 4000 Rthlr. Diese Summe vermehrte sich auch schon damals mit mindestens 3% Zins und Zinseszins. Da erst 27 Jahre nach dem Prozessbeschluss das Geld für den Kirchenbau abgerufen wurde, hatte sich der Geldwert soweit vermehrt, dass der preußische König in Wirklichkeit ein Nichts dazugeben musste. Versuche zum Neubau der Kirche Seit dem Jahre 1803 wurden im Konsistorium die Beratungen über den Neubau wieder aufgenom-men. Das alte Gotteshaus hatte in der Zwischenzeit so gelitten, dass Andacht in demselben nicht mehr gehalten werden konnten, weil das Betreten mit Lebensgefahr verbunden war. In einer Sitzung einigten sich die Vertreter des Konsistoriums über die Herstellung einer Interimskirche, die 60 Fuß = 19 m lang und 40 Fuß = 13 m breit sein, und die wenn möglich, in der Nähe der alten Kirche stehen sollte. Der Baumeister Johann Peter Still erhielt als Mindestfordernder bei der Ausschreibung für die Summe von 380 Rthlr. den Zuschlag. Im September 1805 wurde das schlichte Gebäude im Garten des Abraham Korte errichtet. Es ist das spätere Grundstück des Drogisten Lindenberg, in dessen hin-ter dem Hause gelegenen Baumhof wir den Standort der Notkirche zu suchen haben. Im Volksmund wurde das primitive Gebäude allgemein als Tende bezeichnet, wahrscheinlich ein Spottname wegen des tennenartigen Charakters. Der Zugang erfolgte hinter dem Hause des Metzgers Kampf von der Brunnenstraße aus. Die Aufbringung der notwendigen Gelder machte die größten Schwierigkeiten. Die Jahre 1806-1813 während denen das Bergische Land als Teil des Großherzogtums Berg unter französischer Herrschaft war, verzögerten das so dringend gewordene Kirchbauprojekt. Erst im Jahre 1813 kam die Sache wieder in Fluss. Jetzt ersuchte die Gemeinde Wald die großherzogliche Regierung in Düsseldorf für ihren Kirchenbau einen Architekten zu benennen, worauf von dort der damalige Stadtbaumeister Adolph v. Vagedes beauftragt wurde, sich des Walder Kirchbauprojektes anzunehmen, dem ersten Großprojekt dieser Art nach langer Zeit. Am 26. Januar 1813 berichtet Maire Lindner an den Präfekten u. a. bezüglich des Kirchbaus wörtlich: „Der geforderte Bauplan folgt anliegend. Dieser Plan hat früher nicht gefertigt werden können, weil keine Mittel zur Bezahlung desselben da waren, indem die kirchenmeisterliche Kasse die ge-wöhnlichen Bedürfnisse nicht bestreiten kann und keine anderen Gemeindefonds vorhanden sind. Die Zeichnungen für die Galerien sind weggeblieben, weil man es zu der Zeit für unmöglich hielt, die Kos-ten dazu beizuschaffen, auch einstweilen bis zu einem bis zu einem günstigen Zeitpunkt sich mit den Sitzen unten in der Kirche glaubt behelfen zu können. Die Subskriptionen sind von den Herren Predi-gern zum Teil beendet und wird ungefähr 6000 Rthlr. betragen, inzwischen sind nach einer Bemer-kung der Munizipalräte, denen ich bei Gelegenheit die Subskribierten-Liste zur Beurteilung vorgelegt habe, dabei schon jetzt fast ein Drittel Anzahlungsfähige. Die subskribierte Summe dürfte bei jetzigen Zeiten leicht zur Hälfte zusammenschmelzen. Der Kirchenkollekte wegen ist von den Predigern bei dem Herrn Präses der bergischen Synode ange-standen worden, welcher darauf bemerkt hat, dass eine solche Kollekte zuletzt für die Gemeinde zu Dhünn nur 200 eingebracht hat. Mithin diesen Weg einzuschlagen, nicht der Mühe lohne. Die Mittel, worauf also die Gemeinde fest rechnen kann, sind 1. Subskription in Höhe von 400 Rthlr. 2. aus der Domänenkasse zu zahlende 2485 Rthlr. 15 Stüber, sammelt Zinsen von der Zeit an, dass das Kapital der Gemeinde rechtlich zugesprochen gewesen. Man ist der Meinung , dass – inbegriffen des Materials der alten Kirche - mit diesen Geldern der Rumpf und das Dach des neuen Gebäudes, nebst festen Türen und Gebälke errichtet werden könne; die Galerien könnten dann wie fürderhin er-wähnt, bis zu einer günstigeren Zeit zurückbleiben. Es sind fürderhin wegen Übernahme von Bauma-terialien von dem damaligen Kloster Gräfrath anstatt der zu zahlenden 2485 Rthlr. 15 Stüber Vor-schläge gewesen, hierauf konnte sich aber die Gemeinde nicht einlassen, weilen der Transport der Materialien von Gräfrath bis hierhin mehr betragen haben würde, als der Wert desselben hier gewe-sen wäre.“… 25 In der Zeit des napoleonischen Großherzogtums Berg war ein Kirchenbauprojekt nicht zu verwirkli-chen. Nach der Niederlage Napoleons in Russland und den beginnenden Befreiungskriegen mussten sich die Franzosen nach der Völkerschlacht bei Leipzig von 1813 im folgenden Jahr 1814 auf die linke Rheinseite zurückziehen. In Berg wurde das preußische Generalgouvernement eingerichtet, so dass man hier auf bessere Zeiten hoffen konnte. Vagedes setzte 1814 seine Arbeit an den Entwürfen fort und führte die ersten entsprechenden Verhandlungen in Wald. Am 27. August 1815 wurde sein dritter Entwurf von den Vertretern der Gemeinde angenommen und zur Ausführung bestimmt. Daraufhin er-arbeitete Vagedes bis Oktober den Kostenvoranschlag, der mit einer Summe von 20 473 Rthlr. ab-schloss. Im Mai 1816 wurde durch ihn der Kontrakt für den Generalunternehmer formuliert und die Bauarbeiten an den Bauunternehmer Schnitzler aus Düsseldorf vergeben. Hungerjahre 1816-17 Schnitzler hatte bereits mit dem Abbruch der alten Kirche begonnen, als das Bergische Land von einer furchtbaren Hungersnot heimgesucht wurde. Die Ernteergebnisse des Jahres 1815 waren schon mangelhaft gewesen. 1816 trat eine große Dürre ein, Frost und Kälte trugen den Winter bis in den Ju-ni hinein. Die Blüten der Bäume verdarben und ein Bestellen der Felder und Gärten wurde unmöglich. Auf die Kälte folgte ein anhaltender Regen, so dass in den Monaten Juni, Juli und August nur drei Ta-ge regenfrei waren. Die Arbeitslosigkeit und die teuren Brotpreise ließen die Zahl der zu unterstützen-den Notleidenden steigen. Im Dezember 1816 wurden in Wald 35 Familien unterstützt. Im ganzen Winter musste 90 Familien geholfen werden, wozu monatlich 1536 Stück zwölfpfündige Brote benötigt wurden. April 1817 scheint die Armut auf höchste gestiegen zu sein; „die ersten grünenden Kräuter dienten zur Nahrung und das Unkraut auf den Feldern zur Sättigung“. Der Bürgermeister berichtete von dem gänzlichen Daniederliegen der Fabriken und aller Erwerbsquel-len. Viele Arbeitslose zogen als Schanzarbeiter nach Köln. Acht Groschen pro Tag erhielten sie. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Jahre 1816, 1817 verzögerten auch den Neubau der ev. Kirche. Die Baukosten konnten nicht beigebracht werden; man wehrte sich gegen „die exekutori-sche Eintreibung des 1/3 nach dem Mobiliarsteuerfuß“. Die Mittelklassen konnten nicht zahlen, die Oberklassen wollten ihre veranschlagten Summen nicht zahlen; sie fürchteten, auch die fehlenden Gelder aufbringen zu müssen. Allerdings waren sich alle Bewohner einig, dass eine neue Kirche er-forderlich sei, denn das bis jetzt zum Gottesdienst benutzte Interimsgebäude war ganz verfallen und im Winter kaum zu gebrauchen. Sie waren sich aber auch einig, „dass eine so kostbare Kirche – nach den Kosten zu urteilen - nicht dem Zwecke und der verwahrlosten Zeit“ angemessen sei. Man wollte einen einfachen und soliden Bau haben. Unter dem 11. November 1817 heißt es: „ bei der heute hier abgehaltenen Versammlung des Kirchli-chen und Bürgerlichen Vorstandes ist allgemein beschlossen worden, dass der Bau der hiesigen re-formierten Kirche nach Vorschrift der hohen königlichen Regierung gleich vorgenommen werden soll. Sie werden daher ersucht, ungesäumt Anstalten zu treffen, dass die Kontributionen der ersten und zweiten Klasse zur Zahlung ihrer Beiträge zu den Kirchbaukosten angehalten werden, hingegen die dritte Klasse bis auf nähere Bestimmung freibelassen bleiben müsse.“ 73 Aufgrund der katastrophalen Lage hatte auch die Regierung in Düsseldorf noch nicht die Genehmi-gung zur Errichtung der Kirche erteilt. Erst im Dezember 1817 lief diese in Wald ein. Zu alledem er-klärte der Bauunternehmer Schnitzler, dass er infolge durch die Teuerung gestiegenen Löhne und Le-bensbedingungen den Bau für den übernommenen Preis nicht mehr ausführen könne, und so wurde der abgeschlossene Kontrakt am 9.Februar 1818 gelöst. Mit dem Baumeister Christian Franzen zu Düsseldorf wurde ein neuer Kontrakt abgeschlossen, nach dem der Bau für 23 100 Rthlr. übernom-men wurde. Um weitere Mittel für den Bau zu bekommen beantragte die Gemeinde Wald eine Genehmigung zur Kollekte für ihr Projekt, die aber von der Regierung abgelehnt wurde. Daraufhin reichte am 4. April 1818 der Kirchenvorstand eine Bittschrift um Zuschuss zu den Kirchbaugeldern an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ein. Schon am 27. April 1818 kam die Antwort, dass der König 10 000 Taler und dazu das gesamte Bauholz stiften wolle. 73 Kemper, Karl. 26 Grundsteinlegung zur neuen Kirche Am 18.8.1818 fand in feierlicher Weise die Grundsteinlegung satt. Unter dem Geläut aller Glocken bewegte sich ein nach Tausenden zählender Festzug durch die geschmückten Straßen der Stadt nach dem Bürgermeisteramt Weyer, wo die Ehrengäste, Regierungspräsident Freiherr von Pestel, die Regierungsdirektoren Dedeking und Linden und noch einige Regierungsräte abgestiegen waren. Die Anwesenheit und das Interesse der hohen Regierungsvertreter lassen vermuten, dass es sich bei der Walder Kirche um ein Prestigeprojekt der neuen preußischen Landesherren handelte. Zudem war es der erste Kirchenbau, der im preußischen Rheinland erstellt werden sollte. Die Ehrengäste traten in den Festzug ein und wurden zum Bauplatz geleitet. Die alte Kirche war abge-tragen worden und neben dem stehen gebliebenen Turm wurde der Grundstein gelegt, der eine von Vagedes geschaffenen Denkmünze und eine auf Pergament geschriebene Urkunde enthielt. Auf der einen Seite der Denkmünze, die die Größe eines Talers hat, ist das Auge der göttlichen Vorsehung mit der Umschrift: „O Herr hilf! O Herr lass wohl gelingen!“ Auf der anderen Seite sind die Worte eingeprägt: „Bei Gründung des Gotteshauses zu Wald am 18. August 1818.“ Die Urkunde hat folgenden Inhalt: „Zu dieser Kirche wurde der erste Grundstein am 18. August 1818 gelegt. Der Plan dazu wurde von dem Regierungs- und Baurat von Vagedes entworfen und von dem Herrn Christian Franzen zu Düs-seldorf für 23 100 Talern ausgeführt. Zu den Kosten schenkte Sr. Majestät, der König von Preußen, unser allergnädigster König und Herr, 10 000 Reichstaler und das sämtliche Holzwerk. Das Übrige wurde von der Gemeinde hergegeben. Heil dem Könige, der seines Volkes Vater ist! Heil Friedrich Wilhelm der Dritte.“ Aus der Rede des Pastors Schemmann Über die Grundsteinlegung wurde in Wald eine kleine Druckschrift verfasst, in der diese Einzelheiten wiedergegeben wurden. Unter anderem enthält sie auch eine Rede des Walder Pastors Friedrich Eduard Gottlieb Schemmann, der bei dieser Gelegenheit noch einmal auf die vielfältigen Schwierigkei-ten der Gemeinde mit der Finanzierung eines neuen Gotteshauses hinwies. Der Solinger Heimatfor-scher Werner Eyl veröffentlichte daraus 1927 einen Auszug: „Die hiesige alte Kirche, vielleicht eine der ältesten des Landes, war durch die von Zeit zu Zeit hinzu-gefügten Erweiterungen in ihrer Form ganz verunstaltet, so dass sich deswegen schon der Wunsch zur Erbauung einer neuen Kirche hätte entwickeln können. Außerdem fing die vielteilig zusammen ge-schobene Masse schon seit mehr denn 30 Jahren an, sich trennen zu wollen. Im Jahre 1780 unternahmen die beiden derzeitigen Prediger, Herr Wald und Herr Wever, eine Sub-skription 74 in der Gemeinde für den Bau einer neuen Kirche. Der Betrag derselben war nicht unbedeu-tend. Es wurde von den Gemeindegliedern über 9000 Rthlr. dazu verzeichnet. Damals wäre vielleicht der Kirchbau gleich ausgeführt worden: allein die Gemeinde geriet in einen Rechtsstreit mit der dama-ligen Abtei Gräfrath. Man fand nämlich, dass derselben die Verbindlichkeiten zum Neubau der Kirche, wegen eines auf der Gemeinde ruhenden Zehnten oblag. Dieser Punkt wurde von der Abtei Gräfrath umgangen, welche zu beweisen suchte, dass die alte Kirche noch reparierbar sei. Erst im Jahre 1792 kam unter der hohen pfalz-bayrischen Regierung ein Endurteil zum Vorschein, nach welchem die alte Kirche für reparierbar erklärt, und die Abtei angewiesen wurde, der Gemeinde zur Ausbesserung der-selben die Summe von 3911 Rthlr. zu bezahlen: jedoch stand es der ev. Gemeinde auch frei, die Kir-che neu zu bauen. Dann aber könne das Kloster für die zum Neubau anzuwendenden Materialien der alten Kirche 1425 Rthlr. und 4 Stüber abziehen, und es verblieben der Gemeinde nur 2485 Rthlr. und 15 Stüber. Durch diesen langwierigen und kostspieligen Rechtsstreit wurden dem Kirchbau wichtige Hindernisse in den Weg gelegt. Man gebrauchte die Kirche wie sie war, da für die Reparatur derselben wenig Sinn, und für den Neubau die Kräfte erschöpft waren. Dieser Stillstand währte so fort bis ins Jahr 1804. Da stürzte unversehens, eben nach geschlossenem Gottesdienste, ein Teil des Gewölbes der alten Kir-che ein, und die drohende Lebensgefahr regte die Bausache aufs Neue an. Die damaligen Prediger, Herr Engels und Herr Batzenschläger übernahmen eine neue Subskription für den Kirchbau, welche 74 Subskription: hier die Zusage für einen zu zahlender Betrag für den geplanten Kirchenbau. 27 auch eben so günstig wie die erstere ausfiel. Zu den Vorbereitungen ging noch einige Zeit hin, und besonders wurde durch den sich um diese Zeit zwischen den Mächten Österreich und Frankreich entwickelnden Krieg, der von nachteiligen Folgen auf den Gang der hiesigen Fabrik zu sein schien, noch etwas gezögert. Beim Frieden im Jahr 1805 sollte der Bau vorgenommen werden. Man erbaute ein Tentorium (Hilfskirche) und brachte das Innere der alten Kirche, die nun vollends ihrem Einsturze nahe war, darin an. Da brach auf einmal der Krieg zwischen Preußen und Frankreich aus. Die ganze unglücksschwangere Periode der französischen Obergewalt folgte. Der Wechsel der Regierung, das gänzliche Stocken der Gewerbe, neue Kriegsauftritte etc., waren die Ursachen dass der Bau abermals nicht fortging. Doch Not, pflegt man zu sagen, bricht Eisen. Gegen das Jahr 1812 fing auch die errich-tete Hilfskirche an, die nur auf die Dauer von 3 Jahren berechnet war, die Spuren ihrer Überlebung zu zeigen. Auf dem höchsten Gipfel der geldarmen Zeit wagte man es, eine neue Subskription für den Kirchbau zu unternehmen. Sie wurde durch den jetzigen Prediger, den Herrn Pastor Schnabel und mich, begonnen. Die Resultate waren wiederum erfreulich: aber teils die Unmöglichkeit, die noch feh-lenden Kosten aufzubringen; teils endlich die Gerüchte eines sich mit dem Norden bald entwickelnden Krieges geboten auch hier einen Stillstand, der, so ungern er auch angenommen wurde, doch unver-meidlich war. Der Krieg entwickelte sich wirklich. Russland und die mit ihm in den Bund tretenden Mächte erfochten Siege von Moskau bis Paris. Der Friede und mit ihm die Freiheit des deutschen Va-terlandes waren ihre Folgen. Die große Zeit ergriff mächtig die Gemüter; auch die unsrigen, und der Freiheit und des Friedens Frucht sollte die neue Kirche werden. Die Subskription des Jahres 1812 wurde revidiert und alle Anstalten zum Bau getroffen. Urplötzlich rief Bonapartes Rückkehr von Elba die Schwerter der Verbündeten wieder zusammen. Aufs Neue wurde gekämpft und neue, große Op-fer mussten gebracht werden. Hier wiederum Stillstand! Nach wieder erkämpften Frieden setzten Missernten, Geldnot und die folgenden Hungerjahre mit ihren drückenden Entbehrungen ein. Die Stil-lung der allgemeinen Not erforderte die Aufbringung aller Kräfte, und die Ausführung des Kirchbaues wurde wieder verschoben. Bei so vielfältigem Misslingen, und in dieser, für die hiesige Fabrikgegend nicht günstigen Zeitperiode, wagte es die Gemeinde, Sr. Majestät, dem Könige, ihre Lage ehrfurchtsvoll und bescheiden vorzutra-gen. Auf eine eingereichte Vorstellung vom 4. April d. Js. erfolgte noch im selben Monat ein Königli-ches Kabinetts-Schreiben, also lautend: „Ich will auf die Vorstellung der Gemeinde Wald vom 4. April, das zum Neubau ihrer Kirche erforderli-che Holz ganz, und zu den außerdem noch nötigen Kosten die Hälfte mit 10 000 Rthlr. übernehmen, wenn die andere Hälfte von den beitragsfähigen Mitgliedern der Gemeinde aufgebracht wird.“ Mit 1000 Segenswünschen über den König wurde der erforderliche Geldzuschuss durch eine Sub-skription unter den beitragsfähigen Mitgliedern der Gemeinde aufgebracht, und der Bau dem Herrn Christian Franzen in Düsseldorf, nach einem von dem Herrn Regierungs- und Baurat von Vagedes entworfenen Plane für die Summe von 23 100 Rthlr. zur gänzlichen Ausführung übertragen; wobei je-doch das demselben von Seiten der hohen Königlichen Regierung in Natura zu liefernde Holz nach dem, dem Plane beiliegendem Kostenanschlage, in Aufrechnung gebracht wird. Hierauf wurde denn endlich am 18. August dieses Jahres der erste Grundstein zu der neuen Kirche gelegt, und es ergibt sich aus dem Voraufgeführten, dass diese Augenblicke der Gemeinde recht fei-erlich und freudenreich sein mussten. Wie traurig und elend sieht es doch mit dem Orte aus, an dem unsere gottesdienstlichen Versamm-lungen nun bereits schon 13 Jahre gehalten worden sind! Diese einfache Hütte, nur auf die Dauer von 3 Jahren berechnet hat ihre Bestimmung bei 10 Jahren überlebt, und ist ja bereits schon so verfallen, dass sie tief unter der Würde eines gottesdienstlichen Versammlungsraume steht. Welch einen äu-ßerst nachteiligen Einfluss hat ihre, freilich notwendig gewordene, überlange Beibehaltung nicht auf das innere Leben und die äußeren Verhältnisse der hiesigen Gemeinde bewirkt! Wie sehr wurde die Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst dadurch geschwächt und die kirchlichen Armenmittel zerrüt-tet? Ihre Gestalt nimmt immer mehr ab, und in wenigen Jahren stürzen ihre morschen Wände zu Bo-den. Sähen wir den Bau der Kirche noch lange ausgesetzt, wo ging´s mit uns hinaus? Hätten wir nicht begründete Hoffnung, innerhalb zweier Jahre einen neuen gottesdienstlichen Versammlungsort in un-serer Mitte zu haben, so möchte ich wahrlich nicht in die Zukunft hinausschauen. Die höchste Verwir-rung in der Gemeinde würde sicherlich erfolgt, ihre ganze Haltung verloren gegangen sein, wenn nicht 28 der gegenwärtige Zustand der Dinge noch eine Reihe von Jahren fortgewährt hätte. Aber nun getrost! Nicht lange mehr, und es wird ein neuer Tempel mit Gott dastehen.“75 Erneute Verzögerungen Pastor Schemmann hatte nach dieser Rede nicht vermuten können, dass er mit seiner Gemeinde die Notkirche noch weitere 6 Jahre für den Gottesdienst benutzen musste. Selbst nach der feierlich be-gangenen Grundsteinlegung konnte der Kirchenbau erst ein Jahr später im August 1819 begonnen werden. Es fehlten die erforderlichen Baumaterialien. Die notwendige Infrastruktur, solche Bauten nach den jahrzehntelangen Notzeiten errichten zu können, musste erst noch geschaffen werden. Der preußische Staat richtete sich am Rhein ein und verbrauchte für seine militärischen Anlagen Unmen-gen an Steinmaterial, so dass die Organisatoren kirchlicher Großbauten mit ihren Bestellungen zu-rückstehen mussten. Die Steinbrüche des Siebengebirges lieferten nur langsam das angeforderte Quadermaterial für den Sockel der Kirche, zum Teil griff man vorerst auf Abbruchsteine aus der am 7.November 1815 niedergebrannten und danach einstürzenden Abtei Altenberg zurück. Erschwerend kam der langwierige Transport mit Fuhrwerken auf mehr als nur schlechten Wegen im Land dazu, der mit zunehmender und anhaltender Winterkälte lange unterbrochen werden musste. Die Ziegel für das aufgehende Mauerwerk der Kirche sollten vor Ort hergestellt werden. Dafür musste der Unternehmer J. Witte zum Scheidt erst in der Nähe eine eigene Ziegelbrennerei anlegen. Die Lehmvorkommen am westlich von Wald abfallenden Gelände (Ziegelstraße) ermöglichten die Ziegelfertigung im offenen Feldbrandverfahren. Die Produktion war zwar billig, hatte aber einen hohen Ausschussanteil und war stark von der Witterung abhängig. Bis zum Wintereinbruch konnte nur wenig hergestellt werden und im Frühjahr lief die Produktion erst nach den frostfreien Nächten allmählich an. Selbst nach dem Bau-beginn der Kirche im August 1819 standen die Maurer häufig ohne Material da, so dass der ange-strebte Zeitpunkt der Fertigstellung schon bald aufgegeben werden musste. Über die Schwierigkeiten die sich im anschließenden Bauverlauf der Kirche einstellten, berichtet Wolf-gang Zimmermann in seiner Dissertation von 1963/64 „Der Baumeister Adolph v. Vagedes und seine Kirchen“. Hier folgt ein Auszug aus der Arbeit. Erbauung der protestantischen Kirche in Solingen-Wald von Wolfgang Zimmermann Die protestantische Kirche in Solingen-Wald ist der erste Kirchenbau des Düsseldorfer Stadtbaumeis-ters und Architekten Adolph von Vagedes. Sie steht an einer durch ihre Lage ausgezeichneten und auf einem nach Westen abfallenden Höhenrücken. Heute noch, trotz Ausweitung des Ortes, be-herrscht diese verhältnismäßig kleine Kirche das Bild der Stadt. Bei der Wanderung durch die Straßen Walds erscheint immer im Blickpunkt ihr eindrucksvoller Turm. Dieser, mit seinen über zwei Meter starken Wänden einem Festungsturm ähnlich, hat schon zu einer mittelalterlichen Kirche gehört. Er ist aus Bruchsteinen (Grauwackeschiefer) errichtet und verputzt. Architekturglieder, wie Lisenen oder Bogenfriese fehlen, einzige Zierde sind im Obergeschoss auf jeder Seite zwei gekoppelte romanische Rundbogenfenster, durch eine Mittelsäule mit stark verwittertem Kapitell getrennt. Der Überlieferung nach war die Kirche eine dreischiffige Basilika mit eingezogenem Chor und halbrunder Apsis. Der Turmhelm, vermutlich eine einfache vierseitige Pyramide, wurde bei einem Brande anfangs des 18. Jahrhunderts vernichtet. Die jetzige barocke Haube stammt aus dem Jahre 1746; Jahreszahl und Namen des Zimmermeisters fand man bei Renovierungsarbeiten auf einem Balken eingeschnitten. Im Laufe der Zeit war die romanische Basilika so baufällig geworden, dass man schon 1780 an einen Neubau dachte und für diesen Zweck Geld sammelte. Obwohl die Gemeinde seit der Reformation pro-testantisch war, befand sich die Kirche im Besitz der nahe gelegenen Abtei Gräfrath, an die nach wie vor der Zehnte gezahlt werden musste. Die Abtei hatte die Pflicht, das Gebäude zu unterhalten bzw. eine neue Kirche zu bauen. Von dieser Verpflichtung konnte sie sich erst 1792 durch Zahlung von 2 485 Reichstalern und 35 Stübern lösen, nachdem lange Rechtsstreitigkeiten und ein Prozess vo-rausgegangen waren. Nun aber, nach Klärung der Rechtslage, verhinderten die auf die französische Revolution folgenden Kriege den Neubau. Im Jahre 1804 stürzte das Kirchenschiff wegen seiner Bau- 75 Werner Eyl, in Bergische Heimatblätter 1927, Nr. 22, (GA 33) 29 fälligkeit ein. Da jedoch nicht genügend Mittel für den Bau einer neuen Kirche vorhanden waren, musste man zunächst 1805 als Provisorium eine hölzerne Notkirche bauen. Als endlich der Friede wieder hergestellt war, gingen Pfarrer und Kirchenrat sofort mit Energie an die Aufgabe, diese Behelfskirche durch einen massiven Neubau zu ersetzten. Im September 1814 wurde in einer Sitzung der Gemeindevertreter der Beschluss gefasst, das Generalgouvernement zu bitten, einen Architekten für die Planung der neuen Kirche zu nennen. Daraufhin wurde Baudirektor v. Vage-des nach Wald geschickt, „um das Lokal in Augenschein“ zu nehmen und den Entwurf vorzubereiten. Die reizvolle Aufgabe, den wuchtigen romanischen Turm mit seiner barocken Haube zu einem Gan-zen mit dem neuen Kirchenschiff zu verbinden, machte sich der Architekt nicht leicht. Er fertigte zu-nächst im Frühjahr 1815 vier unterschiedliche Entwürfe und einen fünften, „wohlfeileren“ an, die alle nicht mehr erhalten sind. Der Entwurf III wurde am 27. August 1815 von der Gemeinde angenommen und zur Ausführung bestimmt. Im Oktober legte Vagedes den Kostenvoranschlag vor, der mit einer Summe von 20 473 Talern Berliner Courant abschloss. Im Mai 1816 wurde durch ihn der Kontrakt für den Generalunternehmer formuliert und die Bauarbeiten an den Bauunternehmer Schnitzler aus Düs-seldorf vergeben, der mit dem Abbruch der Ruine des Kirchenschiffs begann. Als man die Verdingung der einzelnen Gewerke vorbereitete, erschien plötzlich der Gemeinde die Kir-che zu klein, obwohl sie bislang den Plänen zugestimmt hatte. Sie veränderte die vom Architekten festgelegten Maße des Bauwerks, wie Vagedes bei der Durchsicht der Protokolle feststellte. In einem Schreiben vom 25. Nov.1816 beschwerte er sich darüber beim Bürgermeister von Wald: „Die hohe Königliche Regierung hat die Hochderselben vorgelegten Verdingungsprotokolle vom 20. Juli und 10. August ds. Jrs. über den Neubau der Kirche zu Wald in Vergleich mit dem genehmigten Plan reiflich geprüft und daraus mit Missfallen ersehen, dass man nicht nur in einzelnen wesentlichen Theilen des Gebäudes unzweck-mäßige Abänderungen getroffen, sondern dass man auch willkürlich, ohne alle Kunde des betreffenden Gegen-standes, die Hauptdimensionen des organischen Zusammenhanges gedachten Planes dermaßen widernatürlich verschoben hat, dass wenn nach diesen Verdingungen verfahren würde das ganze Werk unsolide, verzerrt und verkrüppelt ausfallen würde…“ Dem Wunsche der Vergrößerung des Bauwerks kam Vagedes nach, indem er zu jedem Fuß einen Zoll hinzufügte (also je Fuß 13 statt 12 Zoll), um so die willkürlichen Veränderungen der Proportionen des Gebäudes zu verhindern. Auf allen zukünftigen Plänen wurde diese Anordnung jeweils vermerkt. Der zügige Fortschritt des Werkes wurde durch die nun folgenden Hungerjahre 1816/17 und die all-gemeine Teuerung vereitelt. Trotzdem arbeitete Vagedes weiter an der Planung, wie uns die Datie-rung des ersten erhaltenen Planes von 1817 zeigt. In diesem Jahre erteilte zwar die Regierung die Er-laubnis, mit dem Bau zu beginnen, doch wurde die Bitte um Genehmigung einer Kollekte abgelehnt. Außerdem trat der Unternehmer Schnitzler, der den Abbruch durchgeführt, aber mit dem Neubau noch nicht begonnen hatte, von seinem Vertrag zurück, da er für die festgesetzte Summe die Kirche nicht mehr errichten könne. Der Kontrakt wurde am 9.2.1818 aufgehoben; Vagedes fand einen anderen Generalunternehmer in Düsseldorf, Johann Christian Franzen, der den Auftrag für 21 300 Taler über-nehmen wollte. Am 4. April 1818 reichte der Kirchenvorstand eine Bittschrift um Zuschuss zu den Kirchbaugeldern an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ein. Schon am 27. April 1818 kam die Antwort, dass der König 10 000 Taler und dazu das gesamte Bauholz stiften wolle. Der Grundstein wurde am 18. August des gleichen Jahres neben dem alten Turm gelegt; in ihm schloss man eine Gedenkmünze an diesen feierlichen Tag und eine Urkunde ein. Der Kupferstecher Breitenstein hatte die Gedenkmünze gestochen, der Silberschmied Willems sie gegossen. Vagedes kümmerte sich um alle diese Dinge selbst und machte vermutlich sogar den Entwurf für diese Münze. An der Feier nahmen teil der Regierungspräsident Freiherr von Pestel, mehrere Regierungsdirektoren und –Räte, unter ihnen auch Vagedes, und die beiden Pfarrer von Wald, Schnabel und Schemmann. Pfarrer Batzenschläger aus Hilden, vormals in Wald tätig, hielt die Festansprache und schloss mit den Worten: „Ihr könnt nun unbedenklich eine Kirche in einem edlen Stil bauen und unbesorgt ihrer Vollendung ent-gegen sehen… legt ihn fest, den köstlichen Stein und führet darüber dem Plane gemäß ein Meisterwerk der Baukunst auf, eine Zierde für diesen Ort, ein Muster für andere Kirchen, und Euch selbst ein Ehrenmal bei den entferntesten Nachkommen!“ Er konnte damals nicht ahnen, welche Schicksale der Bau erleiden würde. Vagedes arbeitete nun den Bau in seinen Zeichnungen planmäßig durch. Da er sich die Blätter ein-zeln honorieren ließ, können wir in den Akten genau feststellen, welche Pläne er selb
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Autor | Sassen, Andreas |
Titel | Die evangelische Kirche in Solingen-Wald |
Übergeordneter Titel | Beiträge zur Heimatgeschichte |
Erscheinungsjahr | 2008 |
Signatur | 17L4517 |
Katkey | 6539423 |
HBZ-ID | HT016870997 |
Katkey (Überordnung) | 6550992 |
HBZ-ID (Überordnung) | HT016938765 |
Typ | PDF; |
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Volltext | 1 Beiträge zur Heimatgeschichte Die evangelische Kirche in Solingen-Wald Andreas Sassen / Claudia Sassen Solingen 2008 2 Andreas Sassen / Claudia Sassen Die evangelische Kirche in Solingen-Wald Inhalt: Seite 1 Aus der Geschichte der ehemaligen Stadt und des Kirchspiels Wald 2 Die Abtei Deutz und das Kirchspiel Wald, politische und kirchliche Verwaltung 3 Gründung des Klosters Gräfrath 3 Das Kirchspiel Wald zur Zeit der Reformation 5 Die reformierte Gemeinde in Wald 8 Der befestigte Friedhof an der Kirche nach der Vermessung des Geometers Stamm 9 Der mittelalterliche Kirchenbau zu Wald, erste Vermutungen 9 Gestalt und Bedeutung des Kirchturms 13 Die romanische Basilika 15 Der Anbau – eine Seitenkapelle? 16 Ein rätselhafter Mauervorsprung – stand in Wald eine Emporenbasilika? 17 Die Ausstattung der Kirche, Taufstein – 21 Zusammenfassung 20 Der Einsturz der alten Kirche 21 Die Ablösung der Walder Kirche vom Kloster Gräfrath 22 Versuche zum Neubau der Kirche 22 Hungerjahre 1816-17 24 Grundsteinlegung zur neuen Kirche 24 Aus der Rede des Pastors Schemmann 26 Erneute Verzögerungen 26 Erbauung der protestantischen Kirche in Solingen-Wald, von W. Zimmermann 31 Die Gestalt der Walder Kirche – 35 Zusammenfassung 36 Die an der Erbauung der Kirche beteiligten Baumeister: 40 Literatur 41 Zeittafel 800-1825 3 Die evangelische Kirche in Solingen-Wald, wie wir sie heute sehen, ist ein Werk des frühen 19. Jahrhunderts. Schon zur Zeit ihrer Errichtung wurde sie zu einer baugeschichtlichen Se-henswürdigkeit und zählt heute zu den schönsten klassizistischen Bauten in Deutschland. Adolph von Vagedes, ein Architekt noch vor der Zeit Schinkels, konzipierte und baute sie als erste Kirche im Rheinland nach der Ära Napoleons. Sie lehnt sich an einen Turm, der mit fast 900 Jahren heute der älteste Zeuge des Mittelalters im Solinger Raum ist. Vom einstigen Kirchenschiff ist uns nur ein Umriss überliefert, der auf dem Plan des Geometers J. P. Stamm aus dem Jahre 1769 zu finden ist. Dort bildet die Kirche mit dem Kirchhof noch eine von einer Ringmauer umschlossene wehrhafte Anlage. Die Reste frühmittelalterlicher Vor-gängerbauten werden alle unter der gegenwärtigen Kirche vermutet. Aus der Geschichte der ehemaligen Stadt und des Kirchspiels Wald1 Erste Gründungen Die älteste Namensfindung der heutigen Großstadt Solingen ist Solonchon, eine westfälische Ab-wandlung der Form Solungun. Der Solinger Raum ist vom Rhein her im 8. oder 9. Jahrhundert mit Einzelhöfen besiedelt worden, aus denen sich Hofschaften und Ortschaften entwickelten. Die ersten Kirchen unseres Landes hatten als Stifter Suitbertus, den Apostel des Bergischen Landes, der am 1. März 713 in Kaiserswerth starb. Die von ihm gegründeten Gotteshäuser, z. B. in Gruiten, Mettmann und Wülfrath weisen urkundlich nach dem Stift Kaiserswerth hin, dem Stammsitz Suitbertus. Vermut-lich erfolgte die Errichtung der ersten Walder Kirche durch Nachfolger Suitberts in der Zeit Karls des Großen (768-814) oder seines Sohnes Ludwig dem Frommen (814-840). In vielen Fällen wurden bei der Missionierung im rechtsrheinischen sächsischen Gebiet bestehende Kult- und Opferstätten germanischer Gottheiten in christliche Versammlungsorte umgewandelt. Man nutzte das alte Ordnungssystem, beließ am Ort vielfach den Inhabern der Opferstätten ihre Einkünfte, nur mit dem Unterschied, dass nun der eine christliche Gott verehrt wurde. In der Regel entstanden nach der Missionierung kurzlebige kleine Holzbauten, die den Versammelten Raum für den gemein-samen Gottesdienst gaben und Schutz vor der Witterung boten. Durch frühe Pingsdorfer Keramik ist das Bestehen der Burgwallanlage auf der Galapa2 südlich der Stadt und der ersten Solinger Kirche zwischen 850 und 1000 belegt. Etwa gleichaltrig ist auch die Walder Kirche. Beide Pfarrkirchen sind selbständige Gründungen innerhalb der frühen kirchlichen Or-ganisation und standen jeweils in Verbindung mit einem Herrenhof, dessen Inhaber das Patronat be-saß. Der Solinger Hof hatte einen weltlichen Besitzer und Kirchenpatron3, das Patronatsrecht über die Walder Kirche besaß ein Kölner Stift. Die ältesten Kirchen im heutigen Stadtgebiet Solingens befan-den sich also in Solingen Mitte und im Stadtteil Wald. In die Regierungszeit Otto I. (936-973) fällt ein Ereignis, das für die Region von einiger Bedeutung ist. Das Gebiet vom Rhein bis Elberfeld und Angermund, in dem das Kirchspiel Wald liegt, wurde dem Erzbistum Köln zugeeignet, an dessen Spitze Bruno I.4, ein Bruder des Kaisers stand. Wahrscheinlich wurde zu dieser Zeit die Walder Kirche mit allen ihren Einkünften dem St. Ursulastift zu Köln unter-stellt. Vielerorts wurden nach 950 die frühen hölzernen Gottesdienststätten durch erste Steinbauten ersetzt, die längeren Bestand hatten. Vermutlich entstand damals unter dem Patronat von St. Ursula auch die erste steinerne Kirche in Wald, die man sich als einfachen romanischen Saalbau mit einem 1 Über die frühe Geschichte des Hofes, der Kirche und des Kirchspiels Wald gibt der Geschichtsautor Heinz Rosenthal in „Solingen Geschichte einer Stadt“ in Band I, Duisburg 1969 und Band II, Duisburg 1977 Auskunft. 2 Galapa, Burgwallanlage des 9./10. Jhs. auf dem südöstlichen Krahenhöher-Burger Rücken. Siehe Rosenthal, Solingen I. S. 16-17. 3 Rosenthal, Solingen Bd. I. S. 20. Auf der Stelle der heutigen evangelischen Stadtkirche in Solingen konnte 1954 durch den Archäologen Dr. Hermann Hinz eine Saalkirche mit einer flachen rechteckigen Chornische nachgewiesen werden. Anhand der Keramikscherben in der freigelegten Schicht datierte man diese Kirche in die Zeit vom Ende des 9. Jahrhunderts bis Ende des 12. Jahrhunderts. Mit aller Vorsicht kann man sagen, dass bereits um 1000 eine Kirche in Solingen gestanden hat. Zu die-ser Kirche gehörten zwei Gräber, wovon eines aus Tuffsteinplatten an der Außenseite des Chores gelegen war. Das zweite Grab aus Bruchsteinplatten lag in der Verlängerung der Chormauern. Das Vorhandenstein des von weit herangeschafften Tuffsteins deutet auf eine Sonderstellung des hier bestatteten Toten. Die Solinger Saalkirche wurde um 1200 mit einer Pfeilerbasilika überbaut. 4 Bruno I. (der Große) Erzbischof von Köln 953-965. 4 eingezogenen Rechteckchor im Osten vorstellen muss. Da diese Kirchen alle einen offenen Dachstuhl hatten, befanden sie sich in ständiger Brandgefahr. Die Abtei Deutz und das Kirchspiel Wald Im Jahre 1002 gründete der Kölner Erzbischof Heribert5 nach einer wohlbehaltenen Rückkehr aus Ita-lien die Benediktinerabtei Deutz. Mit besonderem Eifer förderte er den Aufbau der Abtei und konnte sie bereits 1019 einweihen. Um deren Einkünfte zu vermehren, wurde 1018/20 die Kirche zu Wald mit Hof, Besitzungen und Einnahmen Deutz zuerkannt. Dem St. Ursulastift hatte man von seinen frühe-ren Bezügen nur einen Teil, den Sackzehnten belassen. Erst mit der Säkularisation 1804 fand dieser seine Ablösung. Zu dieser Abgabe waren folgende Höfe im Kirchspiel Wald verpflichtet: Eckstumpf, In der Heiden, Auf der Foche, Forspel, Mangenberg, Am Berg, Stöcken und Scheid. Der Vikar von St. Ursula hatte diese Einkünfte in der Zeit einem hiesigen Besitzer verpachtet. Als Pächter findet man z. B. den Namen des Freiherrn Mumm von Schwarzenstein.6 Nach den Angaben Heinz Rosenthals ist die überlieferte Schenkungsurkunde des Erzbischofs Heri-bert von Köln vom 3. Mai 1020 eine gefälschten Urkunde. Danach bekam die Abtei Deutz den Hof und die Kirche in dem Dorfe Wald. Papst Eugen III.7 bestätigte angeblich diese Schenkung der Abtei Deutz im Jahre 1147; doch auch diese Urkunde soll eine Fälschung sein. Da mittelalterliche Urkundenfäl-schungen auch Richtiges enthalten, darf man annehmen, dass die Abtei Deutz Besitzerin der Walder Kirche war und dass die Aufzählungen von Besitz zutreffend sind. Für das Bestehen einer Kirche im 11. Jahrhundert spricht auch die Weihe auf Johannes dem Täufer. Erst 1420 wird für Wald als Schutzpatron der hl. Sebastian genannt. Außerdem spricht für die Zeit um 1020, dass das Kirchspiel Wald genau wie das Kirchspiel Solingen keinerlei Abhängigkeiten von benachbarten Kirchen, die ihre Mutterkirchen gewesen sein könnten, aufweist. Beide Kirchen sind als Urpfarreien anzusehen.8 Politische und kirchliche Verwaltung In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts erfolgte innerhalb der Erzdiözese Köln eine Verwaltungsre-form. Sie wurde in Archidiakonate und Dekanate eingeteilt, und auch die Kirchspiele erhielten fest um-schriebene Grenzen. Da die Kirche in der gebietsmäßigen Verwaltungsgliederung vorangegangen war, knüpfte die weltliche Verwaltung an die geschaffenen Kirchspiele an, als deren Untergliedschaf-ten die Honnschaften entstanden. Das erste Beispiel solcher Honnschaften im Rheinland entstammt dem Solinger Stadtgebiet. Da heißt es übersetzt in einer Urkunde von 1249, in der Abt Walter von Deutz einen Zehnten im Kirchspiel Wald verlieh: … „im Bezirk Barl, der gemeinhin Honnschaft ge-nannt wird“…9 Das erste Zeugnis für das Bestehen des Kirchspiels Wald, also einer kirchlichen Verwaltungseinheit, stammt aus dem Jahre 1135. Die Urkunde besagt, dass ein Ministeriale des Kölner Stiftes St. Ursula 12 Schilling (solidi) aus dem Zehnten im Dorfe (villa) Greverode (Gräfrath) im Kirchspiel Wald zu Lehen besessen hatte und dass auf Bitten eines gewissen Reginbert die Äbtissin Gepa diesen Teil-zehnten zur Ausstattung eines Altares im Porticus des St. Ursulastiftes verwandte. Erst ein Verzeich-nis des Jahres 1374 verrät die Namen der zehntplichtigen Güter und Feldfluren: Nümmen, Ketzberg, Scheid, Gönrath, auf der Heiden, Merscheid, upme Straitberge; Wieden (bei Vohwinkel), Narroide (Nathrath bei Sonnborn). Barl, Gönrath und Scheid gehörten also zum Kirchspiel Wald, und damit ist ein Anhaltspunkt gegeben, wo ungefähr die Kirchspielgrenze gegen Solingen verlief. Sie setzte bei Aufderhöhe an der Richrather Heide an, verlief oberhalb des Nacker Baches und dann in einem Waldgelände, das bei Kohlfurt die Wupper erreichte. Diese Grenze trennte zugleich das kirchliche Dekanat Deutz, zu dem Solingen ge-hörte vom Dekanat Neuß, in dem Wald lag. Im Solinger Bereich stimmten aber die Dekanatsgrenzen mit denen der Gaue überein, so lag Wald im Kedachgau, Solingen im Deutzgau. Die Walder hatten 5Heribert von Worms, Reichskanzler unter Otto III. und Heinrich II., 999 Erzbischof von Köln, geboren um 970 in Worms, gestorben 16. März 1021 in Köln. Heribert wurde 1075 von Gregor VII. heilig gesprochen und 1080 in Deutz beigesetzt. 6 Karl Herbst in Solinger Heimatblätter 1934 Nr. 2 GA 33. 7 Eugen III. Papst 1145-1153. 8 Rosenthal, Solingen I, S. 20. 9 Rosenthal, Solingen I, S. 21. 5 ihren Gerichtsstand vor dem Grafengericht in Kreuzberg (vor Angermund), die Solinger zuerst in Deutz, dann in Porz. Die beiden genannten Gaue standen bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts unter der Verwaltung des Rheinischen Pfalzgrafen aus dem Hause der Ezzonen. Als der letzte, Hermann von Stahleck 1156 starb, traten bereits die Herren von Berg hervor. In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts haben sie ihre Stellung ausgebaut und sind zu Grafen aufgestiegen. Um 1100 sind sie das mächtigste Ge-schlecht im Deutzgau und wurden praktisch die Nachfolger des Pfalzgrafen. Um 1130 bauten sie die Neue Burg an der Wupper, das spätere Schloss Burg.10 Gründung des Klosters Gräfrath Die erste folgenreiche Veränderung für das Kirchspiel Wald ergab sich mit der Gründung des Klosters Gräfrath (Greverode). In früher Zeit hatte der namengebende Graf im Quellgebiet eines Itterarmes ei-nen Hof angelegt und dazu eine Kapelle bauen lassen. Längst hatten sich die Besitzverhältnisse ge-ändert, als sich dort 1185 ein Marienwunder ereignete. Daraufhin wollte die damalige Besitzerin, die Nonnenabtei Villich bei Bonn, eine Klostergründung einleiten. Da die Kapelle zur Walder Kirche gehör-te, mussten der Pfarrer von Wald und der Abt von Deutz gefragt werden; denn die Gründung des Klosters mit einer großen Kirche beschnitt die Rechte des Walder Kirchspiels. Vor dem Kölner Erzbi-schof Philipp von Heinsberg († 1191) einigten sich die Äbtissin Elisabeth von Villich und der Abt Flo-rentius von Deutz über den Gründungsplan. Das Kloster Gräfrath bekam einen eigenen Pfarrer und bezahlte jährlich drei Schillinge an die Walder Pfarrkirche. Es wurde innerhalb des Walder Kirchspiels zu einem selbständigen Pfarrbezirk, der nur die Nonnen des Klosters und das Gesinde umfasste; die Bewohner des Ortes blieben weiterhin Glieder der Walder Kirche. Das Gründungsdatum des Klosters Gräfrath ist der 31. Juli 1187. Die Nonnen, zumeist aus rheinischem Adel, lebten nach den Regeln des hl. Augustinus. Sie trugen ein weißes Leinenkleid und eine weiße Haube, darüber einen schwarzen Mantel. 11 Wahrscheinlich wurde der Konvent Gräfrath schon wenige Jahre nach der Gründung vom Mutterhaus Villich unabhängig und ging einer viel versprechenden Zukunft entgegen. Schon während der Amts-zeit des Erzbischofs Dietrich von Köln (1208-1211) wurden bestimmte Rechte und Pflichten an der Kirche zu Wald von Deutz nach Gräfrath übertragen. Die Äbtissin bekam Einfluss auf das Walder Kirchspiel und wurde verantwortlich für die Kirche und bei der Einsetzung des Pfarrers. Offenbar wa-ren die der Abtei Deutz verbliebenen Rechte nicht unbestritten; denn im Jahr 1211 gab Papst Inno-zenz III.12 den Äbten von St. Pantaleon, Siegburg und Petersthal die Anweisung, die Abtei Deutz mit ihrem Besitz – also auch die Kirche in Wald – zu schützen.13 Das Kloster Gräfrath blühte auf und erreichte als Wallfahrtsort eine bedeutende Wirtschaftskraft, die sich auch im Selbstbewusstsein des Damenstifts zeigte. Allein die Erhebung Gräfraths zur Freiheit durch Herzog Wilhelm I. brachte den Bürgern dort mehr Privilegien als die Bürger Solingens besaßen. Das Kirchspiel Wald zur Zeit der Reformation14 Noch in die Zeit, als die Pertzdorps auf Caspersbroich15 saßen, fällt die Stiftung der Vikarie Unserer Lieben Frauen an der Walder Kirche. Sie wurde auch bezeichnet als die Vikarie zu Ehren der Jungfrau Maria (B. M. V.). Aber die Pertzdorps scheinen nicht daran beteiligt gewesen sein. Es ist vielmehr eine Stiftung der Kirchspielleute von Wald, die mit Unterstützung des Junkers Johann von dem Bottlen-berg 16, gen. Kessel, und dem Pastor von Wald, Johannes tho der Gossen, die Vikarie stifteten. Das gibt zu späterer Zeit (1588) der Vikar Horstmann an. Die Stiftungsurkunde ist aber nicht mehr erhalten. 10 Rosenthal, Solingen Bd. I, S. 21 f. 11 Rosenthal, Solingen Bd. I, S. 24. 12 Innozenz III. Papst 1198-1216. 13 Eine Feststellung Rosenthals. Ein Grund der Schutzanweisung könnte in den beginnenden Übergriffen der Kölner Bürger auf die Abtei Deutz liegen. Das Kloster ist im Laufe der Zeit mehrfach völlig zerstört worden. 14 Vgl. Rosenkranz / Stamm, a. a. O. S. 9-17. 15 Caspersbroich, Gut und Schloss an der Ittergrenze zu Haan, seit 1438 vom Ritter Jaspar von Pertzdorp gegr. 16 Familie von Bottlenberg-Kessel 1484-1804 Besitzer von Hackhausen. 6 Die dann übliche Mitwirkung des Herrn von Caspersbroich an der Besetzung der Stelle des Vikars ergab sich aus seiner vornehmen Stellung in der Gemeinde.17 Man sprach direkt vom Kollationsrecht. So hatte die Kirchengemeinde Wald schon vor der Reformation zwei Geistliche. Der erste Pfarrer wohnte im Wiedenhof, einige Minuten von der Kirche entfernt, und genoss den Zehnten, der dieser Kirche seit Jahrhunderten zustand. Der Vikar oder zweite Pfarrer hatte seine Wohnung in der Vikarie gegenüber der Kirche und wurde von der Gemeinde besoldet.18 Eine Visitation zur Zeit der Reformation berichtet vom Kirchspiel Wald und seinem Pastor Johannes Wolffartz, der von 1544-1585 amtierte. Dieser stammte aus Erkrath, war ordnungsmäßig von der Gräf-rather Äbtissin nominiert, vom Deutzer Abt präsentiert und, nachdem er die Kirchenordnung unter-schrieben hatte, von dem Neußer Dechanten in das Walder Pfarramt eingesetzt worden, das er bis zu seinem Tod innehatte. Danach erschwerten die Wirren der Reformationszeit der Äbtissin des Klosters die Pfarrstelle neu zu besetzen. Es war oft kein geeigneter Geistlicher unter dem vielfach undiszipli-nierten Klerus zu finden, auch regte sich unter den Gemeindemitgliedern der Unmut, wenn man mit der Amtsführung oder dem Lebenswandel des Pfarrers nicht zufrieden war. Zu dieser Zeit vollzog sich der Übergang der Gemeinde Wald zum reformierten Bekenntnis. Seit 1586 wurde die Gemeinde Wald von drei Geistlichen betreut, dem Pfarrer, seinem Gehilfen und dem Vikar. Als Winand Sartorius von Geseke in Westfalen kommend 1590 katholischer Pfarrer in Wald wurde, holte er sich kurz danach als Gehilfen den reformierten Kandidaten Thomas Kohlhagen aus Altena. Obwohl dieser noch kein bestellter Pfarrer war, fand er bald aufgrund seiner überzeugen-den Predigten die Unterstützung der 1589 gebildeten Bergischen Synode. Unter dem Einfluss der Niederlande hatten sich seit 1570 im Jülicher Land die Vorsteher kleiner re-formierter Gemeinden zu regelmäßigen Zusammenkünften – den sogenannten Synoden - vereinigt. Diese tagten in aller Heimlichkeit und führten den Bruch mit der katholischen Kirche in strenger Form durch. Es durfte kein Gemeindemitglied mehr an einer Messe und Beichte teilnehmen. Die Abend-mahlsfeiern fanden an schlichtem, weiß gedecktem Tisch statt. Von den Gemeindegliedern wurde viel verlangt: straffe Kirchenzucht, musterhafte Sorge für die Armen, Unterricht der Kinder nach dem Hei-delberger Katechismus. Auch die kleinste und ärmste Gemeinde fand an der Synode eine zuverlässi-ge Stütze. Diese Einrichtung wurde auch ins Bergische Land übertragen und am 21. Juli 1589 im Pfarrhaus zu Neviges die Bergische Provinzialsynode gegründet. Die bergischen Pfarrer der Synode richteten ihren Blick auch auf die Gemeinde in Wald und beauf-tragten den Cronenberger Pastor Keppel und den Sonnborner Pastor Lunesland, …“den Pastoren zu Wald wegen seiner Religion zu ersuchen.“ Schon bald gewann die Synode auch Sartorius für die reformierte Lehre. Die Beitrittserklärung des Winand Sartorius zur Bergischen Synode am 2. September 1591 gilt als Gründungstag der ev. refor-mierten Gemeinde Wald. Nur der Vikar Horstmann war für die neue Lehre nicht zu gewinnen; er hatte schon 1568 seinem Onkel Wolffartz zur Seite gestanden und blieb bei seiner katholischen Überzeu-gung. Der Pfarrer Sartorius fand aber keinen Rückhalt in der Gemeinde - besonders in Gräfrath lehnte man ihn ab. Sein Verhältnis zur Kirchengemeinde wurde so unbefriedigend, dass er um 1594 Wald verließ und nach Altena ging, wo er 1598 starb. Auf Betreiben der Gräfrather Äbtissin wurde daraufhin der Vikar Horstmann zum Pfarrer in Wald be-stellt, während Kohlhagen in die Vikarie aufrückte. Nun ersuchte die Bergische Synode Horstmann er-neut, seine ablehnende Haltung gegenüber der neuen Lehre aufzugeben. Er erklärte sich zwar am 21. November 1594 bereit, der Synode zu folgen, setzte aber die strengen Regeln in der Gemeinde nicht durch. Erst 1611 vollzog Horstmann durch Unterschrift seinen Beitritt zur Synode, blieb aber zeitle-bens Pfarrer der Katholiken und der Reformierten. Er las die Messe und teilte das Abendmahl auf ka-tholische wie auf evangelische Weise aus; möglicherweise um so den Frieden in der Gemeinde zu bewahren. Doch die Spaltung der Walder Gemeinde wurde unausweichlich, da der Vikar Kohlhagen, der sich ausschließlich der neuen Lehre verpflichtet fühlte, nur die Reformierten betreute. Wegen sei-ner Geradlinigkeit wurde Thomas Kohlhagen von der Synode als Visitator für die reine und klare Lehre in den Gottesdiensten der umliegenden Kirchen eingesetzt. 1609 verließ er Wald und war 10 Jahre in Benrath, bzw. Urdenbach Ortsgeistlicher, 1619 ernannte man ihn zum ersten Pfarrer in Wald. 17 Rosenthal, Solingen I. S. 53. 18 Rosenkranz / Stamm, Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Wald, S. 9. 7 Obwohl Horstmann wegen seiner großzügigen Einstellung beim Abt von Deutz in schiefes Licht geriet und seine Absetzung verlangt wurde, weigerte sich die sonst strenggläubige Gräfrather Äbtissin Maria von Hochstaden ihn zu entlassen. Wahrscheinlich hatte sie die Hoffnung, dass bei Horstmanns vermit-telnder Haltung der Katholizismus in Wald nicht ganz untergehen würde. Sie behielt letztlich Recht; denn als die Walder Kirche an die Reformierten fiel, blieb eine katholische Minderheit übrig.19 Die reformierte Gemeinde in Wald Nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wurde im Religionsvergleich zu Cleve im Jahre 1672 die Kirche zu Wald endgültig den Reformierten zugesprochen. Da die Katholiken nun kein Gotteshaus mehr hatten, mussten sie die Messen der Nachbargemeinden besuchen. Nach mündlicher Überliefe-rung soll es ihnen aber gestattet gewesen sein, Andachten im Turmraum abzuhalten.20 Nach langem Widerstreben ließ die Äbtissin des Klosters Gräfrath im Jahre 1780 an der heutigen Ecke Heukämp-chen- und Wiesenstraße eine kleine Kapelle errichten (Kapeller Berg), in der alle Sonntage ein Klos-tergeistlicher Gottesdienst abhalten musste. 1843 erhielt die Gemeinde mit der Katharinenkirche ein größeres Gotteshaus; die kleine Kapelle wurde zu Wohnzwecken umgebaut und 1908 niedergelegt für einen Geschäftsbau des Möbelhauses Carl Hamacher. Inzwischen ist auch dieses ersetzt worden. Ein Überblick auf die Zeit um 1600 zeigt das Kirchspiel Wald mit 188 Häusern, in denen etwa 1200 Menschen lebten. Zum Vergleich umfassten Stadt und Kirchspiel Solingen etwa 5000 Menschen. Die Freiheit Gräfrath war eine geschlossene Stadt ohne Außenbezirke, und darum in der Verwaltung von einfacher Struktur. Der Kirchspielgemeinde Wald fehlte dagegen ein städtisches Zentrum. Die weltli-che, bürgerliche Gewalt lag bei den Schöffen und der Honnschaftsvorsteher. Es gab acht Honnschaf-ten, die später im 18. Jahrhundert in zwei Gruppen gegliedert waren. Zum Unteren Kirchspiel gehör-ten die Honnschaften Schnittert, Bavert und Barl, zum Oberen Kirchspiel Itter, Limminghoven, Scheid, Ketzberg und Gräfrath. Die Kirchengemeinde Wald stand unter dem Konsistorium, dem heutigen Presbyterium, doch sie unterschied sich von allen anderen Solinger Kirchengemeinden in der Wahl des Pfarrers. Diese wurde von der Versammlung aller Gemeindemitglieder vorgenommen; ein voll-kommen demokratisches Verfahren.21.22 Auch die Anfänge des Schulwesens lagen in der Verantwortung der Walder Kirchengemeinde, nach-dem Herzog Wilhelm III. 1554 eine Verordnung erlassen hatte, in allen Kirchspielen eine Schule einzu-richten. Doch in Wald nahm man sich Zeit und erst der Übergang zur Reformation ließ hier eine Schu-le entstehen. Die Gründung der Pfarrschule ging vom Kirchenvorstand aus und blieb bis zur Bildung einer Bürgermeisterei 1807 eine Einrichtung der Kirche. Die Walder Schulgeschichte beginnt mit dem Jahre 1617, als der Prediger Peter Keppel sich den Kandidaten Leonard Benninghoven aus Mettmann als Gehilfen herbeiholte. Dieser Schuldiener, wie die alte Amtsbezeichnung des Schulmeisters lautete, wurde aus den geringen Mitteln der Vikarie unterhalten. Außerdem erhielt er noch das Schulgeld, wo-mit aber kaum der Lebensunterhalt des Lehrers gesichert war. Im 18. Jahrhundert wurde festgesetzt, dass der Lehrer ein Gehalt von 50 Reichstalern jährlich haben soll. Da man aber diesen Betrag nicht immer zur Verfügung hatte, war dem Lehrer der Umgang zur Sammlung im Kirchspiel Wald gestattet, was aber wohl die Schüler für ihn besorgten. 19 Rosenthal Bd. I, S. 174. 20 Der Ort der Andachten war vermutlich die Kapelle im Obergeschoss des Turms, die auch nach der Reformati-on im Besitz der Patronatsherrin, der Äbtissin von Gräfrath blieb. Siehe auch „Der Turm“. 21 Rosenthal, Bd. I, S. 174. 22 Rosenkranz/Stamm, Eine eingehende Beschreibung der weiteren Entwicklung der Gemeinde nehmen Rosen-kranz und Stamm in ihrer „Geschichte der evangelischen Gemeinde Wald“ S. 9-29 vor. 8 Zur Baugeschichte der Walder Kirche Der befestigte Friedhof an der Kirche nach der Vermessung des Geometers Stamm Um 1930 war man im Staatsarchiv Düsseldorf auf einen alten Plan aus Wald gestoßen, der die Größe von etwa einem Quadratmeter hat. Der Landmesser Johann Peter Stamm hatte im Jahre 1769 darauf den Umriss der Kirche und die Vermessung der Grabstellen im Kirchhof aufgezeichnet. Die Über-schrift, die allein ein Drittel des großen Blattes beansprucht, lautet: „ICHNOGRAPHIA GEOMETRICA des zu hiesiger reformierten Pfarr-Kirchen gehörenden Kirchhofs nebst richtiger Abzeichnung der auff demselben vorfindlich seyenden Erb- Gemeinde- und Armen- Gruben auff Special ersuchen derer von einem Erw. Consist. ernannten wohl Ehr- und Achtbaren Herren Deputirten JOHANN PETER FRIES Aeltester JOH. PETER KNIEH zu Crausen Aeltester JOHANN PETER EICHHOLTZ JOHANN PETER DORFFMÜLLER und HEINRICH WECK. In loco abgemessen und entworffen von Johann Peter Stamm Geom. S. A. Electorale Sign. Wald den 24. 7bris (September) Ao 1769. Im Solinger Tageblatt vom 27. Februar 1937 veröffentlichte Julius Günther23 einen Aufsatz über den Düsseldorfer Archivfund unter dem Titel „Der Grundriss der alten Walder Kirche und ein Plan des da-zugehörigen Kirchhofes“.24 Günther machte dazu eine Erinnerungsskizze vom Stammschen Plan und schrieb einige Gedanken über die alte Kirche25, größtenteils beschäftigte ihn jedoch die Gestal-tung des Kirchhofs mit seiner Mauer: „Am bemerkenswertesten ist die durch die Erläuterungen zu diesem Plan wohl zum ersten Male ge-machte Feststellung, dass der Walder Kirchhof mit einer Mauer umgeben war. Auf der bezüglichen Beschreibung wird sie Ringmauer genannt. Daraus ergibt sich eine Wahrscheinlichkeit, dass, wie viele andere alte Kirchhöfe als befestigte Plätze galten, wobei natürlich ein mit Schießscharten versehener Turm eine besondere Rolle spielte, der Walder Kirchturm, der in seinen starken Mauern Schlitze be-sitzt, für diesen Zweck mindestens geeignet war. Dass der mit einer Ringmauer umzogene Kirchhof, die Kirche selbst sowie der Turm mangels anderer ausreichender Hilfe als starkes Bollwerk gegen Ge-fahr bei Kriegszeiten der Einwohnerschaft Schutz geboten haben wird, liegt sogar auf der Hand.“ Stamms Plan zeigt eine von einer Ringmauer ganz umschlossene Anlage, die im nördlichen Bereich von der Kirche mit ihrem Turm begrenzt und geschützt wird. Es finden sich drei Torzugänge, „Roster“ genannt. Als wichtigste und wohl älteste Tore befinden sich im Nordwesten unmittelbar unter dem Schutz des Kirchturms der „Marckt-Roster“ und ein Roster an der südwestlichen Ecke, vom sogenann-ten „Rosterhaus“ beschirmt. Das dritte Tor oder „Roster hinter dem Chor“ dürfte vermutlich erst mit der Aufgabe des ursprünglichen Chorraums entstanden sein. Die betreffende Mauer steht in der Flucht der Nordmauer des ehemaligen Kirchen-Chorbaus. Vermutlich befand sich hier die Priester-pforte zum Altarbereich der Kirche. Die in Wald eingezeichneten Roster wurden in alten Zeiten wohl an vielen Friedhofstoren angelegt, um zunächst einmal Tiere, insbesondere Hunde von dort fernzuhalten. Bei der Beschreibung anderer Kirchhöfe ist statt Roster auch die Bezeichnung „Am Iser“ o. ä. zu finden. Das waren Eisengestänge über Erdgruben, über die die Hunde nicht laufen konnten, sondern sich darin mit ihren Beinen verfin-gen. Auf diese Weise wurde das Ausscharren von Knochen verhindert, die aufgrund jahrhundertelan-ger Bestattung auf engstem Grund nur wenig tief unter der Erdoberfläche lagen.26 Nimmt man an, dass die Zugänge in der Mauer des Walder Kirchhofs durch Hochziehen der Roster wie mit einer Zug-brücke gesichert werden konnten, war einem Angreifer oder Raubgesindel ein schneller Zugriff auf die Anlage verwehrt. Noch heute ist das Gelände des Walder Kirchhofes auf einer Anhöhe gelegen, die 23 Julius Günther, Solinger Heimatforscher 24 Günther, Julius, a. a. O. 25 Günthers Skizze von Kirchengrundriss siehe auch weiter unten. 26 Günther, Julius, a. a. O. 9 sich ehemals in einem weiten Bogen nach Westen ausdehnte und dort über dem abfallenden Niveau noch höher wirkte als es uns heute erscheint. Erst mit dem Bau der Straßenbahn um 1900 wurde das Gelände bis auf die derzeitige Linie abgegraben. Die natürliche Anhöhe des Kirchhofs ergab mit einer Mauerumgürtung und der als „festes Haus“ im Norden stehenden Kirche eine durchaus ernstzuneh-mende Absicherung. Der westlich unter dem Turm liegende Marktroster ist durch die Mauerversetzung so angeordnet, dass ein Eindringling den Abwehrenden sowohl seine rechte Flanke bot als sich auch im Zielbereich der Wurfgeschosse von der Höhe der Glockenfenster befand. Diese Stelle und das Hauptportal im Turm verband ein südwärts verlaufender Fußweg über den Friedhof mit dem Tor am Rosterhaus. Das Rosterhaus war mit seiner Nordseite direkt an oder auf die Ringmauer gebaut und bildete mit der Westwand einen Verteidigungswinkel zum Schutz des Tores. Beide Roster an den Toren waren nach der Zeichnung nur über Treppenstufen zu erreichen, was eine Bezwingung zusätz-lich erschwerte. Der Turm der Kirche hat auf der außerhalb der Mauerumwehrung stehenden Nordseite die meisten schartenähnlichen Öffnungen. Zum Teil war es vorgetäuschte Abwehrbereitschaft; denn die Brauch-barkeit als Schießscharten im engen Treppenlauf in der Turmmauer mag dahingestellt sein. Eine ech-te Abwehr dürfte von den beiden breiteren Lichtscharten der Turmkammer und von den Rundbogen-fenstern des Glockengeschosses aus möglich gewesen sein. Im Ernstfall konnte man von hier aus ei-nen Angreifer beschießen bzw. Steine oder andere Dinge auf ihn herab werfen. Abwehrbereitschaft ging aber von der gesamten Nordseite der Kirche aus, wo hoch liegende und verhältnismäßig kleine Fenster ein Einsteigen erschwerten. Das Nordportal wurde innen mit Schiebebalken gesichert, wie es vielerorts – so auch am Westportal der St. Reinoldi Kapelle noch zu sehen ist. Wie weit die allgemeine Prävention hier ging, kann aber nur vermutet werden. Wahrscheinlich ist ein Teil der Mauerumgürtung des Walder Kirchhofs noch in einem Gebäude vor-handen. Nach dem Plan von 1769 befanden sich zwei Häuser an bzw. in Verbindung mit der Mauer: das Steinenhaus (B) und das Rosterhaus (C), von denen (B) das Steinenhaus, bzw. ein Nachfolge-gebäude noch steht. Dieses ist auf der Nordseite zum Kirchplatz hin mit seinem Obergeschoß auf eine überdimensionierte Mauer von mehr als 1,50 m Stärke gebaut. Trotz einer Schieferverkleidung lässt sich die enorme Dicke der Mauer erahnen. Ihre Höhe auf der Kirchhofseite erreicht über 3,50 m, auf der Hausseite sind es sogar 5 m.27 Ist das Steinenhaus, so wie die Bezeichnung schon lautet, ein der Mauer vorgelagertes festes Haus oder ein turmartiges Gebäude gewesen? Nach heute vorzufinden-den Verhältnissen hat man ein Fachwerkhaus auf den Mauerrest aufgesetzt. Dieser ist vollständig verputzt und weist mehrere neuzeitliche Öffnungen auf. Das östliche Ende der Steinwand tritt etwas aus dem Mauerverband an der Ostseite heraus. Durch die Schieferverkleidung ist nicht auszumachen, nach welcher Seite eine Abrisskante besteht, die eine einstige Weiterführung einer festen Mauer vermuten lässt. Diese Fragen müssten durch eine besondere Forschungsarbeit geklärt werden. An-sonsten wird der Eindruck erweckt, dass sich hier ein Stück der Befestigungsmauer erhalten hat, die den Kirchhof einmal ganz umgeben hat28. Im Gegensatz zu den Angaben J. P. Stamms, der die Kirchhofmauer durchgängig mit einer Stärke von etwa drei Fuß (90-100 cm) in seinen Plan einzeich-nete 29, sind am Steinenhaus weitaus stärkere Dimensionen vorzufinden, die man durchaus mit dem Begriff Festungscharakter verbinden kann. Demgemäß ist die große Höhe der Mauer hier und weiter nach Osten wegen des abflachenden Geländes notwendig gewesen, um ein Übersteigen zu verhin-dern. Die Westseite der Kirchhofanlage mit den beiden Rostertoren lag über stärker abfallendem Ge-lände, wo vermutlich niedrigere Mauern zur Absicherung genügten. Doch ist der Bau eines solchen Bollwerks von verantwortlichen Männern der Gemeinde ausgegan-gen? Die relativ große Basilika mit einem mächtigen Turm und die Einfriedung des Kirchhofs mit einer starken Mauer, in die außerdem noch steinerne Häuser integriert waren, lassen auch an einen Zu-fluchtsort der Abtei Deutz denken. Die Benediktinerabtei wurde von den Kölnern von Anbeginn mit Argwohn betrachtet, konsequent niedergehalten und mehrfach völlig zerstört. Bereits 1243 – noch vor Worringen - legte man dort die schützenden Mauern des Römerkastells nieder. Fanden die Mönche bei solchen Angriffen in ihren Außenwerken wie der Kirche und dem Hof in Wald, eine Tagereise von Deutz entfernt, Schutz? Den Verfassern erscheint das realistisch, doch man müsste dieser Frage ge-sondert nachgehen. 27 Nach freundlicher Auskunft von Herrn Hans Hundenborn. 28 Eine baugeschichtliche Untersuchung steht nach Auskunft der Unteren Denkmalbehörde noch aus. 29 Vermutlich ist die Stärke der Kirchhofmauer schematisch angegeben, wie es auch beim Umriss der Kirche der Fall ist. Diese Dinge waren für Stamm sekundär; wichtig war die Einteilung des Friedhofs in Grablegen. 10 Ein Blick auf die Federzeichnung von Arntz 1892 – der ältesten bekannten Abbildung der Walder Kir-che – lässt die Vorstellung einer Kirchenburg über den Häusern von Wald realistisch erscheinen. Man hatte hier vermutlich seit ältester Zeit eine Fliehburg für die Bewohner der Siedlung und ihrer Umge-bung, doch liegt im Dunkel der Geschichte, ob und wann die Anlage mit der Kirche zum Schutz ge-nutzt worden ist. Einem größeren Heerhaufen dürfte sie langen Widerstand kaum entgegengesetzt haben, bot aber wohl vor umherstreifenden Rotten Schutz. Raub, Mord und Plünderungen gab es zu-meist in politisch unsicheren Zeiten, in denen die Zentralgewalt nicht in der Lage war, die Bevölkerung vor Gesetzlosigkeit zu schützen. Zum Vergleich berichtet der Autor Ernst Huckenbeck von der Hilde-ner Kirche30, dass dort im 17. Jahrhundert Seitenschiffe und Emporen mit Kisten, Kasten, Truhen und anderen Behältnissen vollgestellt waren, in denen die Hildener Einwohner wichtige Teile ihrer Habe verpackt hatten. Grund dafür war die Angst vor Plünderungen, eine Sorge, die in den gerade damals besonders kriegerischen Jahrzehnten nicht unberechtigt war. Zuweilen wurde die Kirche auch als Zu-fluchtsort für die Menschen benutzt. So hatten 1669 von hessischer Soldateska bedrohte Familien aus der Umgebung Hildens mitsamt Knechten und Mägden eine Zeitlang in der Kirche gewohnt und dort auch kräftig „Feuer gestocht“, was den weißen Wänden gar nicht gut bekommen war. Vermutlich wer-den sich ähnliche Geschehnisse auch in Wald zugetragen haben. Bemerkenswert ist die Feststellung Huckenbecks, dass die Hildener Kirche nie geplündert wurde; in nachreformatorischer Zeit schien es den Soldaten bekannt gewesen zu sein, dass in einer schlichten reformierten Kirche nicht viel zu ho-len war. Die Verbindung einer Ringwallanlage mit Kirche und Bestattungsort ergab sich aus der geschichtli-chen Entwicklung und war in der Form, wie sie in Wald gestanden hat, um 1200 auf rechtsrheinischem Gebiet verbreitet. Weitere Belegbeispiele für Wald sind in nächster Nähe gut nachvollziehbar in Schöl-ler und besonders in Gruiten anzutreffen. In Mitteldeutschland sind allein 110 Kirchenburgen an der Rhön zu finden, von denen Ostheim vor der Rhön und Walldorf bei Meiningen die besterhaltenen sind. Besonders aus der Kolonisierung des Ostens, des Baltikums31 bis Siebenbürgen sind Kirchenburgen reichlich überliefert, und heute noch anzutreffen. Wallanlagen mit Hecken- und Holzpalisaden-Abgrenzungen die als Fluchtburg für die Bevölkerung dienten, gehen auf die Vorzeit zurück. Zur Zeit der Christianisierung errichtete man dann die ersten Kirchenbauten vornehmlich in solche Schutzanlagen, um das Heiligtum vor Plünderung zu schützen. Damit begannen dort aber auch die Bestattungen, damit die Verstorbenen möglichst nahe am gehei-ligten Ort der Auferstehung entgegensehen konnten. Hervortretende Personen ließen sich nach Stif-tungen für die Kirche unmittelbar am Altar begraben. Aus den Holzkirchen und den Holzbefestigungen wurden im Laufe der Zeit aus Stein gemauerte Anlagen, die sich bis in die Neuzeit erhielten. Diese umfriedeten Höfe blieben bis ins 19. Jahrhundert Bestattungsorte, da es den Menschen daran gele-gen war, in geweihter Erde, nahe dem kirchlichen Heiligtum begraben zu werden. Außer einem Grab-hügel, den die Witterung allmählich einebnete, wird aber wohl nicht mehr an die Toten erinnert haben. Ein Grabkult mit Namensstein und Grabumfriedung dürfte sich erst zum Ausgang des Mittelalters ent-wickelt haben. Die frühesten Grabsteine, die sich auf alten Friedhöfen erhalten haben, sind zumeist Lagersteine für den feststehenden Begräbnisplatz einer Familie. Die festen Familienbegräbnisse wur-den aber erst durch die genaue Vermessung möglich, wie sie durch Johann Peter Stamm 1769 durchgeführt wurde. Die beengten Verhältnisse auf dem Walder Kirchhof machten es notwendig, die Wiederbelegung ei-nes Grabes - den Begräbnisturnus – auf fünf Jahre festzulegen.“ Albert Rosenkranz und Karl Wilhelm Stamm gehen auf dieses Problem in ihrer Walder Schrift32 ein und nennen … „in den Jahren 1777- 1799 die Zahl von 4981 Beisetzungen, 197 allein im Jahr 1809. Um eine dringend notwendige Ord-nung im Begräbniswesen zu erreichen, denn es gab fortlaufend Schwierigkeiten über die Rechte des Besitzstandes an den Erbgräbern, wurde im Jahre 1769 der Geometer Johann Peter Stamm mit der Vermessung des Friedhofsgeländes beauftragt. Der von Ihm gefertigte Plan weist eine Fläche von 83 ¼ Ruten aus und war in 1345 Gräber aufgeteilt. Das Friedhofsgelände selbst hielt sich im Rahmen des heute noch bestehenden Kirchplatzes, nur anlässlich des Straßenbahnbaues mussten einige Me-ter abgetreten werden. Die Kosten des Plans beliefen sich nach einer noch vorliegenden Rechnung auf 125 Taler und 21 Stüber. Im Anschluss daran beschloss das damalige Konsistorium, alle Erbgrä-ber und deren Besitzer in einem Verzeichnis nummeriert zu erfassen, was am 14. und 17. November 1769 erfolgte. Die Gebühren von 8 Stübern für ein Grab mit Stein und 6 Stübern für ein Grab ohne 30 Ernst Huckenbeck, Die Reformationskirche in Hilden Geschichte und Geschichten, Hilden 2008, S. 23-24. 31 Vgl. die Forschungsarbeit des Verfassers „Isselhorst und Uexküll“. Gütersloh 2003. Eine westfälische Dorfkirche, die sich in gleichen Maßen in einer Kirchenburg in Lettland wieder findet. 32 Rosenkranz / Stamm a. a. O. Der Kirchhof an der Kirche. S. 52 f. 11 Stein erbrachten eine Einnahme von 143 Talern und 26 Stübern. So konnte für die Rechnungslegung am 5. 2. 1771 ein Überschuss von 18 Talern und 24 Stübern festgestellt werden.“ Nach 1800, besonders aber zur Zeit der französischen Herrschaft wurde vielerorts diese unzumutbare Beerdigungsweise aufgegeben. Eine am 8. Juli 1803 ergangene Verfügung der Churfürstlichen Lan-desdirektion ordnete an, „die alten Friedhöfe innerhalb bebauter Ortschaften aufzugeben und neue Gottesäcker außerhalb der Siedlungen anzulegen.“ Diese Anweisung, die der Walder Zivilgemeinde oblag, wurde jedoch nicht sofort ausgeführt. Der Friedhof an der Dültgentaler Straße wurde erst 1816 eröffnet. In diesem Jahr legte man auch die baufällige Kirche bis auf den Turm nieder. Es ist möglich, dass zu dieser Zeit auch die Kirchhofsmauer abgerissen wurde, um für den geplanten Neubau der Kirche Platz und freien Zugang zu bekommen. Die mit dem neuen Friedhof verbundenen Streitereien und Verhandlungen zwischen Zivilgemeinde und den Konfessionen untereinander, sowie die Probleme der Armenbestattung sind eine besondere Geschichte, die von Rosenkranz und Stamm eingehend beschrieben wird.33 Der mittelalterliche Kirchenbau zu Wald Erste Vermutungen Über das Aussehen der mittelalterlichen Walder Kirche existiert bis heute keine konkrete Vorstellung. Die Kirche, die einst zu dem romanischen Turm gehörte, musste man 1804 wegen Einsturzgefahr aufgeben und 1816 abreißen. Die grundsätzliche Erhaltung des Turmes könnte man als denkmalpfle-gerische Maßnahme bezeichnen, sie war aber eher Mittel zum Zweck. Niemand dokumentierte das Kirchenschiff anhand von Beschreibungen oder Zeichnungen; denn man dachte nur an den Ersatz ei-nes unbenutzbaren Zweckbaus.34 Vom Begriff Denkmalschutz oder einer Beschäftigung mit regionaler Geschichte war man damals noch weit entfernt. Als Beispiele wurde 1845 die Haaner Kirche, eine der ältesten Bauten im Umkreis, von einem preußischen Pionierkommando gesprengt. Auch die noch gut erhaltenen Gebäude des alten bergischen Residenzschlosses Burg gab der Fiskus 1849 zum Ab-bruch frei und schon ein Jahr später zerfiel die ausgeplünderte Burg zur Ruine. Sogar der Altenberger Dom verkam nach dem Brand von 1815 zum Steinbruch; aus der einstürzenden Klosterkirche holte man Steinquader auch zum Bau der neuen Walder Kirche. Erst wesentlich später begann sich die interessierte Öffentlichkeit mit der Baukunst des Mittelalters zu beschäftigen, schaute dabei aber zunächst nur auf herausragende Bauwerke der Vergangenheit. So kam es, dass sich erst über 150 Jahre später – 1967 - der Solinger Historiker Heinz Rosenthal Ge-danken über die Entwicklung und Gestalt der mittelalterlichen Kirche in Wald machte. Die 30 Jahre zuvor im Hauptstaatsarchiv Düsseldorf gefundene Vermessungskarte des Walder Kirchhofs von Jo-hann Peter Stamm aus dem Jahr 1769 zeigt auch die Grundfläche der Pfarrkirche. Doch die damalige Schwierigkeit ein Dokument zu kopieren, ließ Rosenthal auf die Übertragungsskizze von Julius Gün-ther für seine Forschungsarbeit zurückgreifen. Durch die Ungenauigkeit dieser Zeichnung gelangte er zur Überzeugung, in Wald habe eine einschiffige romanische Gemeindekirche gestanden. Diese Er-kenntnis ging in das heimatkundliche Schrifttum ein, obwohl Zimmermann in seiner Vageges- Dissertation 1964 zum Thema Vorgängerkirche in Wald schon auf eine romanische Basilika hingewie-sen hatte. Auch die Vorstellung eines allein stehenden Wehrturms aus grauer Vorzeit, der im 12. Jahrhundert mit dem Bau eines Kirchenschiffs verbunden wurde, hat sich bis heute gehalten. Doch die Gestalt des Turmes und die Vermessung der Kirche von Johann Peter Stamm aus dem Jahre 1769 sprechen eine andere Sprache. Gestalt und Bedeutung des Kirchturms Der Walder Kirchturm, der allein von der romanischen Kirchenanlage erhalten blieb und heute das äl-testes Bauwerk in Solingen ist, lohnt eine eingehende Betrachtung. Seit jeher ist er weithin als helles 33 Rosenkranz / Stamm a. a. O. Der „alte Friedhof“ an der Dültgenthaler Straße. S. 57 ff und Der Friedhof an der Wiedenkamper Straße S. 64 f. 34 Erst wesentlich später begann die preußische Oberbaudeputation unter Friedrich Schinkel, die damals noch reichlich vorhandenen historischen Bauten zu inventarisieren. Besonders in romantisch berührten Bildungskrei-sen regte sich das Interesse dafür; denn Aufrufe an Kommunal- und Kirchenverwaltungen zur Registrierung ih-rer Baudenkmäler fanden anfangs kaum Gehör. Die Rückbesinnung auf das Mittelalter und intensive Forschung ermöglichten danach vielerorts die Wiederherstellung berühmter Kirchen, Schlösser und Burgen, doch absur-derweise durfte zur gleichen Zeit wertvolle historische Bausubstanz der Spitzhacke zum Opfer fallen. 12 Bauwerk in der Landschaft zu sehen und aus nächster Nähe betrachtet überrascht er durch seine enormen Ausmaße. Der Turm erweckt den Eindruck, auf einer quadratischen Grundfläche zu stehen, doch erhebt er sich auf einem quer zur Längsachse der Kirche gestellten Rechteck von 9,80 x 8,70 m. Genau diese Maße sind auch auf der Zeichnung Stamms ersichtlich. Von seinem Sockel sind es 21 m bis zur Höhe der Mauerkrone, auf der dann die 22 m hohe Helmpyramide gestellt ist. Das Mauerwerk besteht aus örtlichem Grauwackeschiefer in Form von Bruch- und Hausteinen. Das Material wurde unweit der Kirche in den Steinbrüchen des Ittertals am Ende der Ehrenstraße und Westersburg, bzw. oberhalb des heutigen Märchenwalds gewonnen.35 Da sonst kein eingeführtes Ma-terial, wie Tuff oder Siebengebirgssandstein im Turm verwendet wurde, ist wahrscheinlich auch das Schiff der einst dazugehörigen romanischen Kirche aus Bruchsteinen errichtet worden. Am Bau der neuen Vagedes-Kirche verwendete man kein Steinmaterial aus der alten Kirche; denn das Abbruch-material zerfiel unter der Spitzhacke und taugte nur noch zum Chausseebau. Vermutlich führte diese Erfahrung auch zur Entscheidung in der Gemeinde, vom preußischen Fiskus zum Verkauf angebote-nes Steinmaterial vom Abbruch des Klosters Gräfrath abzulehnen. In den Mauertreppen des Turms und zum Teil in den Leibungen der Licht- und Luftscharten ist zu se-hen, dass es sich um mittelalterliches Füllmauerwerk handelt. Außen- und Innenwandungen des Turms wurden aufgemauert, der Raum dazwischen mit Steinbrocken in Kalkmörtel verfüllt. Die Au-ßenwände werden auch schon im Mittelalter verputzt, bzw. geschlämmt36 gewesen sein und waren möglicherweise sogar farbig gestaltet.37 Innen sind bei zurückliegenden Sanierungen alle Wände ver-putzt worden; nur im Glockengeschoss ist das Mauerwerk teilweise noch steinsichtig. Im Erdgeschoß hat der Turm eine Mauerstärke von 2,20 m, im Kapellenraum des 1. Stocks 2 m und darüber tritt das Mauerwerk in 2 Stufen bis auf 1,20 m Stärke im Glockengeschoss zurück. Aus die-sem Grund werden die Innenräume nach oben hin immer größer. Das Bauwerk entstand ohne jede Zierform mit ungegliederten Wänden bis zum Gesims der Mauer-krone; nur über dem Erdgeschoss, in etwa 6.50 m Höhe umzieht ein Gurtgesims die Seiten. Ob es aus der Erbauung des Turms stammt ist nicht sicher. Es wird von der Architektur des neuen Kirchen-schiffs aufgenommen und bildet dort die Bankhöhe der Obergadenfenster. Die Mauerecken werden von bossierten Ecksteinen eingefasst, die in Putz ausgeführt sind und vermutlich von der barocken Fassung des Turms stammen. Im Glockengeschoss sind nach allen Himmelsrichtungen zwei gekup-pelte romanische Fenster (Zwillingsfenster) unter einem Überfangbogen vorhanden. Sie werden von einer eingestellten Säule mit einem Kelchkapitell geteilt. Die Schallfenster sind die einzigen Teile des Turms, die eine Werksteinbearbeitung erkennen lassen. Die Turmhalle im Erdgeschoss ist 4,76 m breit und ostwärts 4,20 tief. Das darüber liegende Kreuz-gratgewölbe hat eine Scheitelhöhe von 5,75 m. 1926 entstand hier von dem Bildhauer D. Meinardus eine Gedächtniskapelle für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Ein besonderes Merkmal der frühen Erbauungszeit ist der ehemals große Durchgangsbogen von der Turmhalle zum Kirchenschiff. Die alte Weite von über 3,50 m, nachzuvollziehen am Beginn der Wandtreppe, ist beim Neubau der Kirche 1820 auf die heutige Breite reduziert worden.38 Der ehemals große Bogen machte die Turmhalle zu einem Teil des gesamten Sakralraums, doch die besondere Bedeutung dieses Gebäudeteils lag in der Aufstellung des Taufsteins. Die Halle diente schon im Mittelalter als Hauptzugang und Vorraum zum Kirchenschiff, sie war nach den frühen Regeln der Kirche ursprünglich die Taufkapelle der Basilika. 39 Im Durchgang zum Kirchenschiff befindet sich auf der linken Seite – weit zurückliegend in der Mauer - der Aufgang zum Turm. Von dort führt eine geradlinige Wandtreppe in einem nur schulterbreiten Gang über zwei Wendungen bis ins erste Geschoss. Durch eine nagelbewehrte altertümliche Eichentür be-tritt man einen quadratischen Raum, der von einem Kreuzgratgewölbe überbaut ist. Von Norden her kommt Helligkeit durch eine Lichtscharte, an deren Tiefe man das schwere Mauerwerk abschätzen 35 Nach freundlicher Auskunft von Herrn Hans Hundenborn† in Wald. 36 Mittelalterliches Bruchsteinmauerwerk war zum Schutz gegen Auswaschung grundsätzlich geschlämmt, erst die Romantik ließ die Vorliebe für Steinsichtigkeit aufkommen. Eine Kalk-Zement-Verfugung war aber nötig. 37 Möglich ist eine aufgemalte Quaderung der Wandflächen. 38 Nach den Bauzeichnungen v. Vagedes. 39 Siehe dazu auch Ausstattung der Kirche. 13 kann. Ehemals war eine zweite Lichtscharte im Westen vorhanden.40 Gegenüberliegend führt die Wandtreppe durch das südliche Mauerwerk in das nächste Geschoss, ein Hinweis, dass der Raum mit seinem Gewölbe schon während der Erbauungszeit des Turms eingerichtet wurde. Auf der Ostseite befindet sich ein etwa 1 m breiter und insgesamt 2 m hoher rundbogiger Durchlass zum Kirchenschiff, der heute vermauert ist. Durch den Bogen war ursprünglich ein Überblick über das Kirchenschiff bis zum Chor möglich. Die Überwölbung des Raums und die ehemals offene Verbindung zum übrigen Sakralraum lassen hier eine einstige Kapelle vermuten. Die Turmkapellen entstanden zu ganz bestimmten Zwecken. Zumeist waren es Privatkapellen, in de-nen es einer höhergestellten kirchlichen oder weltlichen Person möglich war, an der Messe teilzuneh-men ohne mit den übrigen Kirchenbesuchern in Berührung zu kommen. Der Turm mit Obergeschoss diente, ähnlich dem Bergfried der befestigten Herrensitze, auch als Zufluchtsturm, wie vielerorts die Verriegelungssysteme zeigen. In den zahlreichen romanischen Türmen des Rheinlandes ist die Sichtverbindung aus der Turmkapelle bis in den Chor eine Eigenheit der von Kölner Stiften abhängigen Kirchen. Als Belegbeispiel zeigt das Innere des reich gegliederten Kirchturms von Wermelskirchen einen sehr ähnlichen Aufbau in Trep-penführung, Raumgröße und Form der Wölbung. Dort ist die einstige Bedeutung dieses Raums, in den das Kölner Andreasstift eine Doppelarkade zum Kirchenschiff einbauen ließ, als Michaelskapelle noch lebendig. Dem Erzengel und Überwinder der Finsternis weihte man traditionell diese Stelle im Westen des Gotteshauses zum Schutz vor dem Bösen aus der Richtung der Nacht. Als weiterer Vergleich und als besonders schönes Beispiel erhielt sich diese Anordnung in der Stadt-kirche in Lindlar. Dort hatte der Vertreter von St. Severin in Köln eine Kapelle im Obergeschoss des hochmittelalterlichen Westturms. Sie ist über eine schmale Treppe in der mächtigen Wand zugänglich und öffnet sich zum Kirchenschiff mit einer Dreierarkade – einer uralten herrschaftlichen Form, die bis in die Hagia Sophia in Byzanz fassbar ist. Die gleiche Anordnung ist im Turm der Werdener Luziuskir-che zu finden, die dem Ludgerusstift Werden inkorporiert war. In diesen emporenartigen Kapellen, die zum Teil auch eigene Altäre hatten, residierte der Kirchenherr, ähnlich wie der Kaiser in der Aachener Pfalzkapelle oder wie es im Westwerk der Abteikirche Corvey nachzuvollziehen ist.41 Diese Herrschaft wurde in Funktion und Form des Baus den kleinen Leuten des Ortes ständig gegenwärtig gehalten – auch wenn die Kapelle nicht immer benutzt wurde; denn der Vertreter des Stifts besuchte die Kirche nur selten. In kleiner Münze wurde diese Bauform bis in die Kirchen ländlicher Eigenkirchenherren weitergegeben. So erhielt auch in Lüftelberg bei Bonn an der Westseite der Kirche der Grundherr eine eigene Kapelle, während sein Platz nach außen durch den Turm monumentalisiert wurde. Die Kapelle ist vom tiefer liegenden Gemeindesaal räumlich völlig getrennt; nur zum Altar stellt ein kleines Rundfenster eine gewisse Blickbeziehung her – ein Moment, das ebenfalls in der kleinen Kirche von Idensen bei Wunstorf erscheint und in der Baugestalt die Ent-fernung der Stände voneinander spiegelt. Erwähnenswert ist zu diesem Thema auch die romanische Kirche im nahe gelegenen Hilden, deren Vorgängerturm wahrscheinlich auch eine herrschaftliche Em-pore oder Kapelle enthielt42. Vorstellbar ist dort eine Dreierarkade mit einem Überfangbogen, wie sie in verkleinerter Form über der Chorhaus-Westwand zu sehen ist. Als Bauherr der sehr aufwendig er-richteten Kirche ist der Kölner Erzbischof Engelbert I. von Berg anzusehen, der in Hilden den Salhof besaß.43 Die Kirche zu Wald war mit dem dazugehörigen Hof ein wichtiger Wirtschaftsfaktor im Mittelalter. Um sich diesen Platz für die Zukunft zu erhalten, investierten die Benediktiner von St. Heribert in Deutz umfangreiche Mittel in den Bau einer großen Kirche und konzipierten den Turm nach dem beschrie-benen hierarchischen Muster. Wie oft ein Vertreter der Abtei hier anwesend war und ob die nachfol-genden Stiftsdamen aus Gräfrath die Patronatskapelle jemals aufsuchten, bleibt wohl im Verborgenen. Sinn und Zweck der Anlage sind schon lange in Vergessenheit geraten; einzig überliefert ist aus der Reformationszeit, dass den letzten Katholiken in Wald eine zeitlang der Turm zum Gottesdienst zur Verfügung stand.44 Beim Versammlungsort wird es sich um die Kapelle im Obergeschoss gehandelt haben; denn dieser Raum blieb auch nach der Reformation im Eigentum des Stifts Gräfrath. 40 Bei der Erneuerung des Turmaußenputzes nach 1990 entdeckte man ein vermauertes westliches Turmfenster, dessen Überwölbung aber eingefallen war. 41 Roland Günter, Kunstführer Rheinland, Gondrom, Bindlach 1988. 42 Der Hildener Turm stürzte im 17. Jh. ein und wurde in einfacher Form wieder aufgebaut. 43 Vgl. Wolfgang Wennig, Die Reformationskirche in Hilden, Rheinische Kunststätten Heft 9/75, Köln 1975. 44 Rosenkranz Stamm a. a. O. 14 In der Zeichnung von Stamm ist der Turm frei in seinen Grundmaßen angegeben. Die Seitenschiffe lehnten sich mit ihren westlichen Mauern nicht an Nord- und Südseite des Turms an, wie an anderen Kirchenbauten meist ersichtlich, zumal man dabei die westliche Wand des Mittelschiffes einsparen konnte. Der Turm war allein gebaut und das Kirchenschiff hatte eine komplette eigene Westwand, ei-ne Bauweise, die aus verschiedenen Gründen geschehen sein konnte. 1. Rücksicht auf die Setzungs-erscheinungen des unterschiedlich hohen Mauerdrucks von Turm bzw. Kirchenschiff auf den vorhan-denen Lehmuntergrund. 2. Unterschiedliche Bauzeiten, wobei in diesem Fall das Kirchenschiff zuerst errichtet und dann der Turm dazugestellt wurde. Das Primäre des Kirchenbaus war der Gottesdienst-raum, der Turm konnte folgen, wenn die Mittel dafür bereitstanden. Andererseits konnte vom Vorgän-gerbau ein kleinerer Turm vorhanden gewesen sein, der erst nach Errichtung der Basilika durch den jetzigen großen Turm ersetzt wurde. Vermutlich ist mit der frühen urkundlichen Erwähnung einer Kir-che mit Turm dieser Vorgängerbau gemeint, der dann zu der überzogenen Annahme eines tausend-jährigen Walder Kirchturms führte. Der vorhandene Turm mit seinen eindeutigen Merkmalen stammt aber insgesamt aus dem 12. Jahrhundert! Die Einzelheiten im Walder Turm ergeben, dass seine aufwändige Anlage kein Umbau aus späterer Zeit, sondern während der Aufführung in der Zeit des frühen Gewölbebaus entstanden ist. Die Öff-nungen, der große Rundbogen des unteren Turmraums und der kleinere Bogen im Obergeschoß sind Ergebnisse eines zeitgemäßen Plans. Es sind Indizien, dass der Turm anfangs nicht als ein Wehr-turm allein gestanden hat, sondern im Bauprogramm einer romanischen Basilika errichtet wurde. Aus dieser Feststellung heraus wird der Walder Turm im 12. Jahrhundert als dritte Funktion auch Glocken getragen haben. Die Entstehung der nach allen Himmelsrichtungen zeigenden romanischen Schall-öffnungen mit ihrer gekuppelten Zwillingsform ist in diese Zeit zu verweisen. Seit dem 6. Jahrhundert wird die Glocke im sakralen Bereich eingesetzt und im Mittelalter aus der Bienenkorb- und Zuckerhutform zur heute noch gültigen Kelchform entwickelt. Die Technik des Glo-ckengießens wurde anfangs von Mönchen ausgeübt, die vor Ort die Glockenspeise schmolzen und den Guss nahe der Kirche in der Erde vornahmen. Nach den Mönchen bildeten im 13. Jh. die Glo-ckengießer eine eigene Zunft. Im Inneren des Walder Turms stehen auf einem Mauerabsatz noch Reste eines alten eichenen Glockenstuhles. Dieser erhob sich als stumpfe Pyramide bis in die Höhe der Schallfenster, wo die Glocken eingehängt waren und mit dem Stuhl frei schwingen konnten. Das Mauerwerk des oberen Turms blieb auf diese Weise fast vollständig von nachteiligen Vibrationen und Schwingungskräften der Glocken verschont. Heute trägt diese Mauerstufe die Ständer zur Auflage der Balkendecke, auf der ein eiserner Glockenstuhl steht. Dieser ist aus Winkeleisen und Trägern zu-sammengeschraubt und enthält 4 verschieden große Gussstahlglocken, die 1919 als Ersatz für die im Krieg abgelieferten Bronzeglocken angeschafft wurden. Dieses Geläut blieb in der Folgezeit unberührt und bis heute funktionstüchtig im Turm. Es ist bereits eine Sehenswürdigkeit für sich und dokumentiert anhand der eingegossenen Namen und Sprüche den Zeitgeist nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg. Die größte Glocke mit einem Gewicht von 2950 kg trägt den Namen Luther und ist auf „des“ gestimmt. Die zweite Glocke wiegt 1830 kg, ist auf „f“ gestimmt und nach Hindenburg benannt. Die dritte Glocke mit dem Namen Bismarck wiegt 1235 kg und ist auf den Ton „es“ gestimmt während die kleinste Glo-cke, die nach Klarenbach benannt ist, 759 kg wiegt und auf „as“ gestimmt ist. Haben die damaligen Auftraggeber – die Mitglieder des Walder Presbyteriums – die Bedeutung der Namen mit Größe und Gewicht der Glocken gleichgesetzt? Die Verbindung der Politikernamen Bis-marck und Hindenburg mit den Reformatoren Luther und Klarenbach ist nach heutiger Vorstellung nicht mehr nachvollziehbar. Im Stockwerk über dem Glockenstuhl beginnt bereits der Turmhelm, der schon in 1,5 Metern Höhe vom Viereck in ein Achteck übergeht. Der Raum wird von vier barocken Gaubenfenstern erhellt und beherbergt in einem abgeschlossenen Holzhäuschen eine alte mechanische Turmuhr von der Firma C. Heuser Junior Elberfeld. In der Höhe dieses Raums beginnt auch der Kaiserstiel, ein mittig in das Balkenwerk des Helms eingestellter Baum der sich bis in die Spitze des Turms fortsetzt. In der Höhe des nächsten Stockwerks sind auf allen vier Außenseiten die Zifferblätter der Uhr angebracht. Im Inne-ren befinden sich die Getriebe der Zeiger, die heute über einen Impuls der elektronischen Uhr gesteu-ert werden. Vermutlich hat der Turm seit seinem Bestehen verschiedene Helme getragen. Ursprünglich dürfte es eine mäßig hohe, vierseitige romanische Pyramide gewesen sein, die am Ausgang des Mittelalters durch eine achtseitige gotische Spitzpyramide ersetzt wurde. Der gotische Helm wurde 1712 bei ei-nem Unwetter zerstört. Daraufhin war der Kirchturm viele Jahre lang nur mit einem Notdach bedeckt und konnte erst 1746 in seiner heutigen Form wieder hergestellt werden, die dem Ganzen ein baro- 15 ckes Gepräge gab. Die auf einem Balken eingeschnitzte Jahreszahl mit dem Namen des Zimmermeis-ters entdeckte man zwar bei Renovierungsarbeiten, doch die Stelle ist mittlerweile vergessen. Eine Federzeichnung von 1892, die Titelabbildung dieser Arbeit und bislang älteste Wiedergabe des Turms, zeigt diesen Helm noch mit einer Schieferverkleidung, die dann im Frühjahr 1902 durch eine Kupferhaut ersetzt wurde. Schon im Ersten Weltkrieg musste das Kupfer wieder abgenommen und zusammen mit den Bronzeglocken als Kriegsmaterial abgeliefert werden. Erst 1973 wurde der Turm wieder mit Kupfer beschlagen. Die romanische Basilika Die eingehende Betrachtung und Analyse des Turmgebäudes macht die Vorstellung einer romani-schen Kirche deutlich. Doch allein der Vermessungsplan von Kirche und Kirchhof, den der Solinger Geometer Johann Peter Stamm im Jahre 1769 der Nachwelt hinterlassen hatte lässt Schlüsse auf Größe und Gestalt der alten Kirche zu. 45 Als Julius Günther vor 70 Jahren im Solinger Tageblatt sei-ne Skizze dazu veröffentlichte, kommentierte er nur kurz: ... „die Chorseite der alten Walder Kirche hat gegenüber dem Neubau von 1824 einen anderen Grund-riss, als er jetzt in seiner Rundung besteht. Damals bildete sie eine gerade Linie, die nach der Stra-ßenseite noch einen besonderen Vorbau hatte. Welchen etwaigen besonderen Zweck dieser Ausbau hatte, ist nicht bekannt.“ Da Günther nicht näher auf die Kirche eingeht, macht 1967 der Solinger Historiker Heinz Rosenthal erstmalig den „Versuch einer Deutung“. 46 47 Allerdings verwendet er dazu die freizügige Zeichnung Günthers und gelangt zur Vermutung einer einfachen einschiffigen Kirche des 12. Jahrhunderts, die einen freistehenden Turm mit einer älteren Kapelle verband. Der Originalplan dagegen, in dem Stamm den Walder Kirchhof, die Lage und die Maße der Pfarrkirche akribisch wiedergibt, ist eine Zeichnung, in der mehr steckt als damals angenommen wurde. Die RELATIO & EXPLICATIO (Berichterstattung & Erklärung) der Karte Stamms verweist unter A auf „die Parochialkirche48 deren Superficial-Inhalt mit ihrem Fund aaaaa ad 20 3/8 Ruthen“ beträgt. Mit Superficial ist der oberhalb des Erdbodens befindliche Teil des Gebäudes, bzw. die bebaute Fläche gemeint. Hier zeigt sich, dass Stamms Aufgabe in erster Linie aus der Parzellierung des Kirchhofs be-stand; er hat darin nur die Umfassungsmauern – einen Umriss – der Kirche im damaligen Zustand eingezeichnet. Die Angaben sind zwar knapp doch verlässlich genau und ein systematisches Vorge-hen lässt das Bild der mittelalterlichen Walder Kirche wieder entstehen. Zur besseren Übersicht nach heutigem Muster ist der Plan zu drehen, dann gelangt Norden nach oben und die Chorseite des Kirchenumrisses nach rechts, also nach Osten. Die Windrose lässt eine erstaunlich genaue Ausrichtung des Gebäudes erkennen, was auf astronomische Kenntnisse der Kir-chenbaumeister des Mittelalters schließen lässt. Diese richteten die süd-nördlich verlaufende Mauer vor dem Chor in der Flucht zum Polarstern aus und mithilfe des pythagoreischen Lehrsatzes sowie von Schnüren fanden sie den rechten Winkel dazu und damit eine exakte Ostung der Kirche. Stamms Genauigkeit als Landmesser verdanken wir präzise Maßangaben, die er nach damaliger Zeit in einer Skala von 5 Ruten zu je16 Fuß angab. Der noch vorhandene Turm liefert das Vergleichsmaß, so dass mit seiner Hilfe eine Umrechnung in Meter erfolgen kann. So ergibt sich aus Stamms Plan, dass eine Rute umgerechnet 4.75 m und ein Fuß 0,297 m betragen. Daraus errechnen sich für die Gesamtlänge der alten Kirche mit Turm 6 Ruten und 9 Fuß = 32.17 m. Die gesamte Breite des Baus beträgt 3 Ruten und 2 Fuß = 14,88 m. Die Mauerstärke zeichnet Stamm zwar schematisch, so dass hier kein exaktes Maß vorliegt, doch mit der Umrissform, Längen- und Breitenangabe des Kirchenschiffs sind wertvolle Informationen vorhanden. 45 Siehe Rosenthal, Solingen Band II, Buchdeckel-Innenseite und S. 91, zwei weitere Vermessungen v. 1765: „Kirche und Kirchhof in Solingen“ sowie „Die zur Abtei Altenberg gehörenden Ländereien in Solingen“. Der Walder Plan im Staatsarchiv in Düsseldorf. 46 Rosenthal, Wo stand die erste Kirche in Wald? In Heimat I. 1967 47 Rosenkranz / Stamm a. a. O. S. 21. 48 Parochie, (gr./lat.) Pfarrei, Amtsgebiet eines Pfarrers; Parochialkirche, Pfarrkirche; veraltete Bezeichnung. 16 Da Stamms Vermessung eine Kirchenbreite von fast 15 Metern ergibt, ist die bislang gängige Vorstel-lung einer einschiffigen Kirche nicht haltbar. Ein Raum mit einer solchen Spanne wurde im Mittelalter weder mit flacher Balkendecke, noch mit einer Einwölbung geschlossen, sondern in mehrere Schiffe unterteilt. Da der Kirchenbau des 12. Jahrhunderts die Form der romanischen Basilika bevorzugte, ist in Wald mit einer dreischiffigen Kirche zu rechnen, die in Verlängerung des Turms nach Osten ausge-richtet war. Die frühen Basiliken hatten statt geschlossener Decken einen offenen Dachstuhl und wa-ren bei Kienspanbeleuchtung durch Funkenflug extrem brandgefährdet. Deshalb begann man um 1100 die großen linksrheinischen Kirchen von Speyer, Worms und Maria Laach einzuwölben. Dieser Technik folgte man auch beim Bau kleinerer Kirchen, doch nach heutigem Wissen wurde der Gewöl-bebau rechtsrheinisch erst nach 1120 angewandt49. Da auch die Kirche von Wald eingewölbt war,50 sind hier jene Kreuzgratwölbungen aus kleinen Bruchsteinen zu vermuten, wie sie in den Turmge-schossen überliefert sind. Diese rundbogigen Gewölbe bestehen aus zwei sich durchdringenden Halb-tonnen und können deshalb nur auf quadratischem Grundriss ausgeführt werden. Aus diesem Grund errichtete man die gewölbten romanischen Basiliken grundsätzlich im quadratisch-gebundenen Sys-tem, wobei das Mittelschiff mit Gurtbögen in einzelne Joche unterteilt wurde. Diesen fügte man die beiden Seitenschiffe in halber Breite hinzu, die als Stützmasse für das Mittelschiff anfangs durchge-hende massive Gewölbetonnen mit Stichkappen hatten. Nach diesen Vorgaben lassen sich auf der überlieferten Grundfläche des Kirchenschiffs in Wald auf einer Länge von 21.3 Metern drei aufeinander folgende Quadrate als Mittelschiffsjoche finden, deren Seiten jeweils zwei Quadrate flankieren, die nur die halbe Seitenlänge des Mittelschiffs haben. Erfah-rungsgemäß sind bei romanischen Bauten dieser Größenordnung 0,80 bis 1,20 m Mauerstärke anzu-nehmen, woraus sich der wirklichkeitsgetreue Grundriss einer dreischiffigen gewölbten Basilika im ge-bundenen System ergibt. Für das Mittelschiff ist eine Breite von 5,60 m und für die Seitenschiffe sind jeweils etwa 2,70 m vorhanden. Dem romanischen Innenraum gab man ausgeglichene Proportionen, indem man diesen doppelt so hoch wie breit baute. Danach maß die alte Walder Kirche bis zum Ge-wölbescheitel etwa 12 m, was genau der Höhenlage des Gewölbes in der oberen Turmkammer ent-sprach. Von dieser Kapelle war der Blick durch den Rundbogen bis zum Altar im Chorraum möglich. Aus diesen Erkenntnissen ist die Rekonstruktion eines Aufrisses, bzw. eines Längsschnittes möglich, womit der einstige Kirchenraum wieder vorstellbar wird. Doch leider erlaubt die von Stamm angegebene Umrisszeichnung nur die Rekonstruktion einer Kirche, die als Rumpf einer romanischen Basilika anzusehen ist; denn sie endet im Osten mit einer geraden Chorabschlusswand. Dagegen hatten die mittelalterlichen Kirchen dieser Epoche in der Regel ange-setzte, eingezogene Chorräume mit einer Rundapsis. Um das ursprüngliche Bild zu vervollständigen, müssten im Osten ein weiteres Gewölbejoch angefügt und der Chor mit einer Rundapsis geschlossen werden. Die nördliche Chorwand ist vermutlich noch in einem Teil der Ringmauer des Kirchhofs ent-halten, die nach Stamms Plan das „Roster hinter dem Chor“ enthält. Nur diese Mauer ist ganz gerade und exakt in der Flucht von West nach Ost ausgerichtet. Danach dürfte die mittelalterliche Kirche in ihrer Vollständigkeit etwa eben so lang wie die heutige Kirche gewesen sein, was auch der Vorstel-lung entspricht, dass unter dem Altarraum Spuren der ersten Kirchen bzw. ihrer Altäre zu vermuten sind.51 Doch wie kam es dazu, dass zu der Zeit des Geometers Stamm die Kirche nicht mehr vollstän-dig war? Das Archiv der Walder Gemeinde gibt Hinweise, dass in den Jahren 1679-1681 ein Umbau am Kir-chenschiff und eine größere Reparatur am Turm durchgeführt wurden. 52 Die Sitzungsprotokolle und Jahresrechnungen weisen erhebliche Ausgaben für Baumaterial und Arbeitslöhne nach, geben aber keine Auskunft über Art und Umfang der Arbeiten.53 49 Früheste Gewölbe linksrh. in Knechtsteden, Steinfeld, Brauweiler, rechtsrh. Elten/Ndrh., Essen-Stoppenberg, auch in Düssel und Gruiten. 50 Nach der Überlieferung fielen Steine aus dem Gewölbe der baufälligen Kirche. 51 In der Regel baute man die Mauern einer neuen Kirche um die kleinere Vorgängerkirche, die man dann ab-brach und das Material beim Weiterbau verwandte. 52 Rosenkranz/Stamm, „Geschichte der Ev. Kirchengemeinde Wald“ S. 21. 53 Rosenkranz / Stamm vermuten 1680 den ganzen oder teilweisen Neubau des Kirchenschiffs. Dabei missver-stehen sie die Auffassung Rosenthals, der den Bau der Kirche zum Turm im 12. Jahrhundert, nicht aber im 17. Jahrhundert vermutet. 17 Stamms Überlieferung eines nicht mehr vollständigen mittelalterlichen Kirchenbaus lässt vermuten, dass im Laufe der Zeit an dem Bauwerk Veränderungen, wahrscheinlich Reduzierungen vorgenom-men wurden. Nach der Reformation und in den folgenden ständigen Unruhezeiten, besonders aber dem Dreißigjährigen Krieg stellten sich wahrscheinlich Bauschäden am Chorhaus ein. Unterlassene Reparaturen führten zu einem Zustand, der letztlich zur Aufgabe und Abriss führte. In der Regel waren es schadhafte Dächer, durch die eindringendes Regenwasser Gewölbe sowie ganze Bauteile ruinier-ten. Für den reformierten Wortgottesdienst war ein geräumiger, tiefer Chor nicht erforderlich, so dass man darauf verzichten konnte und den Kirchenraum an der Ostseite mit einem geraden Abschluss versah. Zu diesem Zweck wurde der Chor- oder Triumphbogen geschlossen und in die entstehende Wand wahrscheinlich ein Fenster eingefügt. Den aufgegebenen Chorraum brach man vollständig ab und be-kam dafür etwas mehr Raum für Begräbnisse auf dem Kirchhof. Das Kircheninnere kam nun der Neu-gestaltung der Prinzipalstücke Altartisch und Kanzel und somit auch dem Wortgottesdienst entgegen. Bemerkenswert ist aus dieser Zeit auch der Hinweis, dass der Taufstein bei Bauarbeiten beschädigt und aus der Kirche genommen wurde. Die Kirche hatte nach J. P. Stamms Angaben drei Zu- bzw. Ausgänge. Der einzige Weg über den Kirchhof führte zum Hauptportal an der Westseite des Turms, gewöhnlich den Männern vorbehalten. Im westlichen Teil des nördlichen Seitenschiffs befand sich die Frauenpforte zum Markt, ein vielerorts gebräuchlicher separater Eingang für die Frauen der Gemeinde. Die Tradition der Geschlechtertren-nung beim Gottesdienst hielt sich bis in die Neuzeit und wurde ehemals durch getrennte Portale schon vor dem Gottesdienst eingeleitet54. Ganz im westlichen Bereich des südlichen Seitenschiffs ist ein Por-tal eingezeichnet, das unmittelbar auf das Gräberfeld des Kirchhofs führt; vermutlich die Totenpforte, durch die die Särge nach der Totenfeier im Gotteshaus zur Bestattung auf den Friedhof hinaus getra-gen wurden. Der Anbau – eine Seitenkapelle? Nach der Deutung Rosenthals bildete der Ostteil der Kirche mit der nördlichen Erweiterung einen früh-romanischen Vorgängerbau, eine kleine Saalkirche, die entgegen der sonst üblichen Art mit dem Altar nicht nach Osten, sondern nach Süden ausgerichtet war. Rosenthal beruft sich auf andere Kirchen-beispiele wie die Solinger Kirche, die nicht nach Osten, sondern OSO ausgerichtet ist. Vermutlich war das aber eine Ungenauigkeit bei der Planung und Grundlegung der Kirche, die einmal verursacht für alle Zeiten festgeschrieben war. Gleichaltrige Kirchen der Umgebung wie in Haan, Düssel, Schöller, Gruiten, Gräfrath, Hilden und auch Rupelrath haben eine klare Ausrichtung nach Osten. Die Ostung der Gotteshäuser hatte seit frühester Zeit eine wichtige liturgische Bedeutung; denn im Aufgang der Sonne erwartete man die Wiederkehr des Gottessohnes am Jüngsten Tag. Die Vorgängerkirche aber genau nach Süden auszurichten – also exakt und nicht aus Versehen – macht keinen Sinn. Auch die Vorstellung, dass diese kleine romanische Kirche um 1200 mit dem schon vorhandenen Turm zu einer größeren, nach Osten ausgerichteten Saalkirche ausgebaut wurde, ist nicht zu halten.55 Ein kleiner frühromanischer Bau hatte eine Flachdecke und ließ sich nicht ohne weiteres in einen größeren Bau integrieren. Da eine Gewölbebasilika folgte, musste der Bau von der Fundamentierung her völlig neu aufgeführt werden. Abgesehen davon, dass Rosenthal eine ungenaue Skizze des Stammschen Plans zur Verfügung stand, machte er keine eigenen Untersuchungen am Walder Kirchturm. In seinem Text erklärt er Mauerdrehungen und Veränderungen, die nicht logisch sind und denen die Verfasser nicht folgen können. Für einen Anbau an der Nordseite der Kirche gibt es die unterschiedlichsten Möglichkeiten, die zum Vergleich auch andernorts anzutreffen sind. So richtete man häufig an dieser Stelle ein Beinhaus ein; einerseits ein erklärlicher Grund bei der Platznot im Walder Kirchhof, andererseits hätte das Beinhaus aber völlig unpraktisch auf der dem Friedhof abgewandten Seite der Kirche gelegen. Eher ist es mög-lich, dass der kleine Anbau im östlichen Bereich ein barockzeitlicher Sakristeianbau war, der nach der Aufgabe des großen Chorraums notwendig wurde. Dabei wählte man die Nordseite zum Kirchplatz weil sich auf der Gegenseite im Süden die Gräber des Kirchhofs befanden. Ein solcher Bau gehörte 54 In der katholischen Kirche war es noch 1930 Brauch, die Frauen bis zur Geburt ihrer Kinder als unrein anzu-sehen, um sie danach „unten“, d. h. im Westteil der Kirche mit einer Gebets- und Segensformel der Reinigung zu unterziehen. 55 Rosenthal, a. a. O. 18 zu kostenintensiven Maßnahmen, die mit den genannten Ausgaben um 1680 im Zusammenhang stehen könnten. An dieser Kirchenseite ist aber auch häufig eine Seitenkapelle anzutreffen, z. B. als spätmittelalterli-che Marien- oder Annenkapelle, die man sich in gotischen Bauformen vorstellen müsste. Ebenso könnte es eine Kapelle zur Verehrung des heiligen Sebastian gewesen sein, der um 1420 als Kir-chenpatron genannt wird. Die Heiligenverehrung stand gerade zu dieser Zeit bei den Gläubigen hoch im Kurs.56 Das Kloster Gräfrath erfreute sich großen Zustroms wegen des Katharinenwunders und baute die Abteikirche zu einer gotischen Wallfahrtskirche um. Vermutlich kam mit dem Bau dieser Hei-ligenkapelle ein kleiner Abglanz Gräfraths auch nach Wald. Für eine Kapelle spricht auch die fehlende Außentür; denn diese kleinen Heiligtümer waren in der Regel nur vom Kirchenschiff aus zu betreten. Im Gegensatz dazu blieb den Laien der Zutritt zum Klerikerchor - dem Allerheiligsten – verwehrt. Der Ursprung des Anbaus bleibt im Bereich der Vermutungen. Auf jeden Fall änderten sich mit der Refor-mation die kultischen und liturgischen Gewohnheiten und man kann davon ausgehen, dass ein sol-cher Nebenraum fortan als Sakristei genutzt wurde. Ein rätselhafter Mauervorsprung - stand in Wald eine Emporenbasilika? Der Anbau der genannten Seitenkapelle nimmt in seiner Länge von fast 8 m einen Mauerversatz auf, der in Stamms Zeichnung auch auf der südöstlichen Seitenschiffmauer etwa 30 cm (1 Fuß) nach au-ßen vorspringt. Für die Anlage eines Querschiffs, bei dem wiederum ein quadratisches Gewölbejoch hätte entstehen müssen, ist dieser Mauerversatz zu gering; ein Querschiff ist auch nicht typisch unter den rheinischen Basiliken. Man könnte an eine Innenraum-Verbreiterung im östlichen Bereich der Sei-tenschiffe denken, wie sie sich selten bei kleineren sehr frühen romanischen Kirchen finden.57 Die dort eher gangartigen Seitenschiffe bildeten im Osten vor der kleinen Apsis einen größeren, gefälligeren Andachtsraum. Doch da sich unter zeitgleichen Kirchen innere Seitenschiffsverbreiterungen nicht fin-den lassen, bleibt diese Erklärung letztlich unbefriedigend. Dagegen fällt die Basilika von Niederlahnstein58, gegenüber von Koblenz gelegen, mit einem ähnli-chen und etwa gleichlangen Mauerversatz an der südöstlichen Seite - also an der gleichen Stelle wie in Wald - auf. Ein zweiter Mauerversatz an der nordwestlichen Seite der Kirche war bei Wiederherstel-lungsarbeiten 1856 abgeschlagen und begradigt worden. Der noch vorhandene Mauervorsprung tritt mit 75 cm etwa doppelt so stark als in Wald hervor. Er ist eine Mauerverbreiterung und ummantelt in seinem Inneren eine Wandtreppe, die zur Empore im Obergeschoss des Seitenschiffs führt. Dieser Aufgang hat eine bequeme Breite von fast einem Meter. Die Kirche von Niederlahnstein entstand in ihrer heutigen Gestalt um 1130, wurde also zeitgleich mit Wald erbaut. Es würde wohl zu weit führen, hier eine Vorbildfunktion für die Kirche in Wald zu sehen; denn Niederlahnstein im Bistum Trier ist eine Basilika mit anderen Abmessungen, anderer Raumaufteilung und flach gedecktem Mittelschiff, aber gewölbten Seitenschiffen. Allerdings wurden Bauideen – besonders im Detail - zu jeder Zeit gern ab-geguckt oder weitergereicht, und Niederlahnstein liegt am Rhein wie die Abtei Deutz, dem damaligen Bauherrn von Wald. Wir finden aber in Wald bereits die Anordnung der Wandtreppen zur Umgehung der Gewölbe im Turm.59 Sollten Wandtreppen auch in den gewölbten Seitenschiffen vorhanden gewesen sein? Bei der geringeren, nur 30 cm (1 Fuß) messenden Verstärkung der Mauer, wären sie mit 50-60 cm (2 Fuß)– ähnlich wie im Turm - ausreichend breit gewesen. Die Bauherren hätten diese Treppe aber nicht in die Wand eingebaut um den Dachraum über dem Seitenschiff erreichen zu wollen. Dafür genügte allge-mein die Luke im Giebel des Pultdachs, die man mit einer Leiter erstieg. Das zeitgleiche Beispiel in Niederlahnstein mit einer Wandtreppe zur Empore über dem Seitenschiff legt die Vermutung nahe, dass auch in der Walder Kirche Emporen über den Seitenschiffen vorhanden waren. Das Stichwort Emporenkirche lässt uns auf Köln sehen. Die alte Stiftskirche St. Ursula wird um 1130 durch einen Neubau ersetzt und übernimmt als frühester Bau im Rheinland das Baumotiv der Basilika 56 Vgl. dazu die Entstehung der St. Reinoldikirche in Rupelrath. Gerd Weiland, Wolfgang Wennig, a. a. O. 57 Vgl. die ergrabene Vorgängerkirche in Kornelimünster. 58 Bernd Koppe, Die Basilika St. Johannis in Lahnstein-Niederlahnstein, Rheinische Kunststätten Heft 329 1988. 59 Der Bau von Wendel- oder Spindeltreppen wurde erst im 13. Jahrhundert üblich. 19 mit Seitenschiffemporen.60 Eine liturgische Begründung für diese Gestaltung ist nicht mehr klar er-sichtlich. Der Historiker Roland Günter vermutet, dass man mit dem Bau der Emporen an eine byzan-tinische Form anknüpfte und die Hierarchie unter den Gläubigen deutlich machte. Die derartige Ge-staltung für St. Ursula in Köln könnte im Zusammenhang mit Funktionen des Nonnenklosters stehen. Ein Piano nobile trennte die zumeist adligen Stiftsdamen vom allgemeinen Volk und machte in der Kir-che den Abstand der Stände deutlich. Eine Erklärung für den Bau von Emporen in der Kirche von Wald, die ja als reine Tauf- und Gemeindekirche anzusehen ist, kann man aber wohl nur in der Ver-größerung der Kirche für mehr Besucher sehen. Demnach machte man sich diese Bauform, die etwa 100 Jahre lang an verschiedenen Orten ausgeführt wurde, für verschiedene Aufgaben nutzbar. Für die zeitgleich in Wald entstandene Basilika ist St. Ursula in Köln als Vorbild oder Parallelbeispiel vor-stellbar. Es bestanden nach Köln enge Verbindungen durch den Kontakt der Bauhütten untereinander, wobei fortschrittliche Bauformen direkt übernommen wurden. Andererseits war vor der Übernahme durch das Kloster Deutz das Stift St. Ursula Besitzer der Kirche in Wald und besaß nach wie vor den Sackzehnten an der Kirche. Verbindung und Einfluss können auch noch weiterhin bestanden haben. Demgegenüber stehen uns zwei weitere, bemerkenswerte Vergleiche in unmittelbarer Nähe von Wald zur Verfügung. Hierzu ist die erste Klosterkirche in Gräfrath61 zu nennen, die nach 1187, also etwa 50 Jahre nach der Walder Kirche errichtet wurde. Sie entstand in gleicher romanischer Grundform, nahe-zu übereinstimmender Abmessung mit der Walder Kirche und erscheint mit ihrer aufwändigen Werk-steingliederung auch reifer und jünger. Wie an den wieder entdeckten Resten auf der Nordseite der Kirche noch erkennbar ist, war die Klosterbasilika eine Emporenkirche. Diese Bauform steht hier – wie oben schon beschrieben - im Zusammenhang mit Funktionen des Nonnenklosters. Die Vermutung, dass schon in Wald eine Emporenkirche stand, rückt diese beiden Kirchen in ihrer Ähnlichkeit noch mehr zusammen, so dass man annehmen kann, dass die Walder Basilika eine Vorbildfunktion in der Konzeption für Gräfrath hatte. Als weitere romanische Basilika, bis heute sehr gut erhalten, ist die Kir-che in Hilden zu nennen, die fast einhundert Jahre nach Wald gebaut wurde.62 Auch auf diesen Bau hat man die Idee der Emporengliederung übertragen. Die Aufwendigkeit der Gestaltung und die Ver-wendung von Blaustein oder Schiefer als kostbares Säulenmaterial im Emporengeschoss lassen an einen besonderen Bau denken, der über die Aufgaben einer Gemeindekirche hinausging. Auch in Schloss Burg dürfte eine dem Bau von Hilden ähnliche, verkleinerte Form am Palas des Engelbert ge-standen haben. Sowohl in Hilden als auch in Burg werden die Emporengeschosse dem Adel und dem erzbischöflichen Klerus vorbehalten gewesen sein. Die Ausstattung der Kirche, Taufstein Die sakralen Kunstwerke, die sich im Laufe der Jahrhunderte in der Kirche angesammelt hatten, sind wohl nach Durchsetzung der Reformation beseitigt worden. Die strenge Disziplin der nach Calvin aus-gerichteten reformierten Kirche duldete keine Bilder im Gotteshaus. Einzig der Taufstein, ein spätromanisches Werk, das um 1200 entstanden war, soll sich noch 1681 in der Kirche befunden haben. Bei Rosenkranz/Stamm heißt es, … „dass er bei Umbauarbeiten im Kir-chenraum wegen mangelnder Standsicherheit umgefallen ist. Danach wurde er in das „Häuschen am hellen Türmchen“ geschafft. Nach einem wohl wechselhaften Schicksal wurden Trümmer des Be-ckens im Jahr 1891 bei der Anlage einer Wasserleitung auf dem Grundstück des Konditors Max Kra-nen gefunden. Möglich ist, dass die Bruchteile desselben bei Anlegung des Brandteiches bei De-varanne Verwendung fanden. Herr Kranen gab seinerzeit an: „Der Ort an dem die Trümmer des Be-ckens gefunden wurden, war früher ein Tränkteich, der zum alten Deutzer Hof gehörte, zum Tränken des Viehs genutzt wurde und sein Wasser vom sogenannten Halfenweyer empfing.“ Von Kranen wurde der Taufstein wieder zusammengesetzt und in seinem Vorgarten aufgestellt, wo er längere Zeit verblieb. Um das Taufbecken zu erhalten wurde es später im Rathauskeller aufbewahrt, verschwand aber bei einer Aufräumaktion während der Besatzungszeit nach dem 1. Weltkrieg. Ver-mutlich landete es unter dem Schutt des Hindenburgplatzes, der ehemaligen Müllkippe der Stadt Wald.“63 60 Roland Günter, Kunstführer Reinland, Bindlach 1988, S. 28. Dehio, Rheinland 1967, S. 392. 61 Vgl. Nussbaum, N. Die romanische Stiftskirche in Solingen Gräfrath, Solingen 1992. 62 Vgl. W. Wennig und E. Huckenbeck a. a. O. 63 Rosenkranz/Stamm, a. a. O., S. 7. 20 Nach Augenzeugenberichten glich dieser Taufstein jenem von Herkenrath, der durch die vier stark hervortretenden Eckköpfe der relativ flachen runden Kuppa gekennzeichnet ist. Das Taufbecken war aus Namurer Blaustein angefertigt,64 einem vulkanischen Gestein des Maasgebietes. Es stand auf ei-nem Mittelzylinder mit vier Ecksäulen. Ähnlich gestaltete Taufsteine befinden sich im Rheinland auch in Stoppenberg, Kaarst, Herkenrath, Kürten und Wermelskirchen. Nach den Überlieferungen ist der Lebensweg des Walder Taufsteins denen aus anderen Kirchen sehr ähnlich. Im 12. Jahrhundert wurde von Rom aus verfügt, dass in allen Gemeindekirchen Taufbecken aufzustellen seien. Der große Bedarf erzeugte damals eine regelrechte Industrie für Taufsteine, be-sonders in jenen Gebieten, die über geeignete Steinvorkommen verfügten. So belieferten die Stein-werkstätten Gotlands die Kirchen des gesamten Ostseeraumes mit ihren Kalksteintaufbecken, den sogenannten Fünten. Auch in den zahlreichen friesischen Kirchen stehen romanische Taufsteine, die von weit her über das Wasser herantransportiert wurden. Romanisches Taufbecken aus Namurer Blaustein in Herkenrath. Zeichnung: E. Simon 1937 In romanischer Zeit hatte der Taufstein eine Kessel-, Kufe-, Pokal- oder Beckenform und war reliefartig ver-ziert (unter anderem mit Lebensbaum, Darstellungen der Heilsgeschichte). Im rheinisch-bergisch Raum sind zahlreiche Taufbecken aus der Gegend der belgischen Stadt Namur an der Maas aufgestellt worden.65 Der dort vorhandene Blaustein vulkanischen Ursprungs erlaubte die Fertigung eines außer-gewöhnlich großen Beckens, auch Kuppa genannt, in das ein Kleinkind eingetaucht werden konnte. Die Namurer Arbeiten weisen vornehmlich das Baumuster mit vier Köpfen auf und sind mit reliefarti-gen Tierfiguren und phantasievollen Fabelwesen verziert. In der Regel steht das Becken auf einem Mittelfuß, der von weiteren Stützsäulen umgeben ist. Nach alter Vorstellung reinigte die Taufe die Seele des Menschen, bevor er in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen wurde und die geheiligte Welt des Kirchenraumes betreten durfte. Deshalb 64 Blaustein (Dolerit), Gesteinsart vulkanischer Herkunft, die bei der Abkühlung in senkrechte Säulen erstarrte. 65 Das Maasgebiet der Erzdiözese Lüttich war eines der europäischen Kulturzentren des Mittelalters. Wegen seiner stilistischen Einheit spricht man von der Maaskunst, die ihre Blütezeit vom Anfang des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts hatte. Gepflegt wurden neben der Bildhauerei alle Gattungen der bildenden Kunst und Mu-se. Neben Anregungen der Nachbarländer nahm die Maaskunst auch Einflüsse der Antike sowie der byzantini-schen und arabischen Kultur auf, die durch die Kreuzzüge hierher gelangten. Unter den Hauptwerken der Maas-kunst, deren Erzeugnisse in Europa hoch geschätzt und weit verbreitet wurden, interessiert uns das von Reiner von Huy geschaffene Taufbecken von Sankt Bartholomäus in Lüttich (1107-1118). Microsoft® Encarta® Pro-fessional 2002. © 21 stellte man in den mitteleuropäischen Ländern die Taufbecken häufig am Eingang der Kirchen, im Westwerk oder im Erdgeschoss des Turmes auf. Damit wird der Sinn der vielerorts sehr stimmungs-vollen Turmräume nachvollziehbar. Hier wurde bei der Zeremonie des Taufsakramentes im Kreise der Paten vom Priester die Taufkerze entzündet, die dann gleichnishaft den im Halbdunkel liegenden Raum mit ihrem Licht erhellte. Die Reformation vollzog eine Abkehr von der Mystik der alten Kirche. Man versetzte den Taufstein aus dem Dunkel der hinteren Kirche in den hellen Chorraum nahe dem Altar. Der Täufling sollte nun vor den Augen aller in die christliche Gemeinschaft aufgenommen werden. In der Barockzeit ging die Verwendung von Wasser bei der Körperpflege stark zurück und folglich kamen auch die großen Taufbecken aus der Mode. Bei beiden Konfessionen setzten sich Taufkannen und Schüsseln durch, die das Wasser beim Begießen des Kinderkopfes auffingen, was die endgültige Ab-kehr der westlichen Kirche vom Untertauchen demonstrierte. Die alten Taufbecken wurden nicht mehr ge-braucht und standen oft der wachsenden Zahl der Kirchenbesucher im Wege. Sie verschwanden aus den Kirchen und wenn sie nicht ganz verloren gingen, dienten sie bestenfalls noch als Zierschalen in Gärten und Parks. Ihre besondere künstlerische Gestaltung machte erst die Neuzeit auf ihre sakramentale Bedeu-tung aufmerksam, und mancher Stein wurde wieder in die Kirche zurückgebracht. Die zumeist völlig verwit-terten Verzierungen geben Zeugnis von dem Jahrhunderte währenden Außendienst der Taufbecken. Auch in Wald ist es vorstellbar, dass das Namurer Taufbecken einst im Turmraum, im Westen der Kirche gestanden hat. Die Reformation verfügte dann die Umsetzung in den Chorraum, der 1680 abgebrochen wurde. Vermutlich beschädigte man bei den Abriss- oder Bauarbeiten den Taufstein, der aufgrund seiner rätselhaften Gestaltung längst unbeliebt war und daraufhin aus der Kirche genommen wurde. Zusammenfassung: In Wald stand eine romanische, dreischiffig gewölbte Pfeilerbasilika der Stauferzeit mit drei Jochen im Langhaus und einem eingezogenen einjochigen Chor mit Rundapsis. Vorsprünge an den Außenmau-ern der Seitenschiffe lassen darin Wandtreppen vermuten, was wiederum auf das Vorhandensein von Emporen schließen lässt. Der Kirchturm war in der unteren Halle durch einem großen Bogen zum Schiff geöffnet. Dieser Vorraum hatte mit dem romanischen Namurer Taufstein die Funktion einer Taufkapelle. Der gewölbte Raum des Obergeschosses war eine Patronatskapelle des Deutzer Stiftes und später des Stiftes Gräfrath. Von hier aus konnte man durch den offenen Rundbogen die Mess-handlung im Chor verfolgen. Beispiele wie in Wermelskirchen, Lindlar, Werden und weiteren Orten verweisen auf eine übliche Praxis im 12.und 13. Jahrhundert. Der ungegliederte Turm aus Bruchstei-nen lässt darauf schließen, dass auch das Kirchenschiff aus diesem Material errichtet war und innen wie außen ohne Werksteingliederung durchgängig verputzt, bzw. geschlämmt war. Aus Kosten und Organisationsgründen wurde ausnahmslos das vor Ort gebrochene Steinmaterial verwendet. Die Schmucklosigkeit erscheint ungewöhnlich für eine rheinische Kirche, weist aber auch auf ihre frühe Entstehung hin. Als Ersatz für die fehlende architektonische Gliederung dürfte sie aber wie andere romanische Kirchen eine reiche farbige Ausgestaltung gehabt haben.66 Nach Erkenntnissen Rosent-hals wurde die Kirche zuerst Johannes dem Täufer geweiht, erst 1420 wird als Schutzpatron der hl. Sebastian genannt. Die Walder Kirche wurde unter dem Patronat des mächtigen Benediktinerklosters St. Heribert, Deutz als Ganzes von einer Bauhütte – vermutlich von Köln kommend - errichtet. Aufgrund einer gesicher-ten Gesamtfinanzierung wurden die romanischen Kirchen in der Regel als vollständige Bauwerke auf-geführt. Bedeutende romanische Kirchenbauten links des Rheins erhielten um 1100 erstmals Kreuz-gratgewölbe und mächtige Türme. Rechts des Rheins hat sich diese fortschrittliche Bautechnik aber erst nach 1120/30 verbreitet, so dass der Bau der romanischen Basilika zu Wald nach dieser Zeit zu legen ist. Damit dürfte sie mit ihrem Turm zu den frühen Gewölbekirchen mit einer Emporengliederung auf der rechten Rheinseite gehört haben. Der Plan des Geometers J. P. Stamm von 1769 zeigt die Grundfläche der Kirche mit dem Kirchhof, der damals noch von einer Ringmauer umgeben war. Ein Rest dieser Mauer blieb als Nordwand in einem Haus südlich der Kirche erhalten. Stärke und Höhe der Bruchsteinwand sind beachtlich und bezeugen mit der Kirche auf der Anhöhe, dass die gesamte Anlage im Mittelalter einen wehrhaften Charakter hatte. 66 Siehe die reiche Farbgestaltung der Bruchsteinkirche in Düssel und der später entstandenen ersten Gräfrather Klosterkirche. 22 Der Einsturz der alten Kirche Eine romanische Gewölbebasilika ist als statisches Ganzes anzusehen. Die einzelnen Teile, beson-ders das Hauptschiff mit seinen hoch angelegten Gewölben bekam seine Standfestigkeit durch die Seitenschiffe als Stützen im Süden und Norden. Der sich in Ost-West-Richtung ausdehnende Schub der massiven Gewölbe wurde vom Turmkörper im Westen und von der Apsis im Osten aufgefangen. Somit erfüllte diese mit ihrem Halbrund und der Kalotte, dem halbkugelförmigen Gewölbe, eine wichti-ge statische Funktion. Solange ein solcher Kirchenbau als Ganzes nicht angetastet, seine Gründung fest blieb und sein Dach erhalten wurde, überstand er unbeschadet viele Jahrhunderte. Problematisch wurde es in der Regel immer, wenn man Eingriffe und Abtrennungen am Baukörper vornahm. Das Consistorium hatte sich schon im 17. Jahrhundert häufig mit dem schlechten baulichen Zustand der Kirche, des Turms, der Bedachung und des Läutewerks zu beschäftigen. Das Kloster Gräfrath, nach wie vor Nutznießer des Kirchenzehnten aus Wald kam seiner Verantwortung zum Bauunterhalt aber nicht nach. Der Ort Gräfrath und sein Kloster fielen 1686 einer Brandkatastrophe zum Opfer, so dass dort jegliche Mittel für den Wiederaufbau gebraucht wurden. Bemühungen um Baukostenhilfe für Wald wurden deshalb vom Kloster Gräfrath abgewiesen.67 J. P. Stamm zeichnete 1769 die Grundfläche einer Kirche, in die das romanische System einer Basili-ka mit Turm genau passt. Zu dieser Zeit fehlten bereits Chorhaus und Apsis, die aber für die Standfes-tigkeit des gewölbten Langhauses unerlässlich waren. Diese Teile waren vermutlich 1679-1681 we-gen Bauschäden aufgegeben und abgebrochen worden. Auf die unbedingt notwendig gewesenen Strebepfeiler zu Stützung der mittleren Ostwand hatte man entweder aus Kostengründen oder Un-kenntnis verzichtet. J. P. Stamm zeichnet sie nicht ein; seine Angaben sind aber wohl vertrauenswür-dig, da er bei einer anderen Karte von Kirche und Kirchhof in Solingen solche Einzelheiten festhält. Die Folge der fehlenden Abstützung war ein Ausweichen der Ostwand aufgrund des Gewölbeschubs im Mittelschiff. Die Gewölbekappen im Inneren sackten ab und verloren durch Reißen und Aufbrechen ihre Stabilität. Dieser Vorgang begann langsam über Jahrzehnte und wurde bei dem schweren Mau-erwerk mit einer allmählichen Deformierung der Bauteile sowie sich ständig erweiternder Risse er-kennbar. Die Schäden zeigten sich vermutlich frühzeitig, wurden aber wohl völlig unterschätzt und erst 1780 aktenkundig gemacht. Als dann 1804 Steine aus dem aufreißenden Gewölbe stürzten, gab es keine Aussicht mehr auf eine erfolgreiche Reparatur oder Sanierung des Gebäudes. Ein Betreten der Kirche bzw. ihre Nutzung zu gottesdienstlichen Zwecken war mit Lebensgefahr verbunden und musste untersagt werden. Die Kirche blieb als Ruine noch weiterhin stehen, erst im Mai 1816 begann der Bauunternehmer Schnitzler mit dem Abbruch, der sich dann bis ins Hungerjahr 1817 hinzog. Es ist zweifelhaft, ob eine Wiederverwendung des Abbruchmaterials möglich war; denn beim Neubau der Kirche ist davon keine Rede. Wahrscheinlich zerfiel das Bruchsteinmaterial unter der Spitzhacke vollständig und war nur noch als Packlage für den Chausseebau brauchbar. Ein wichtiger Faktor zur Kostenersparnis bei der Kalkulation des Neubaus entfiel dadurch und weitere Teuerungen, bedingt durch die Hungerzeit ka-men dazu. Der Bauunternehmer Schnitzler sah sich nicht mehr in der Lage, den Neubau der Kirche unter diesen Umständen durchführen zu können. Er trat von seinem Vertrag zurück. In den Jahren des weiteren Kirchenverfalls und besonders beim Abbruch sind die vorhandenen alten Grabplatten, die an vielen Stellen den Boden des Kirchenraums bedeckten, abhanden gekommen. Die Adelsherren von Caspersbroich, mit ihrer besonders nahen Beziehung zur Walder Kirche hatten dort ihr Erbbegräbnis. Unter den bestatteten Caspersbroicher Herren waren Christoph von Bauer (1561-1650) und seine beiden Söhne Friedrich (gest. 1667) und Johann Christoffel (gest. 1676). Zu diesen Männern gehörten auch drei Totenschilde, die in der Kirche hingen.68 In einem Schreiben vom 15. August 1816 entrüstet sich der Bürgermeister Köller: „Ein gewisser Holthausen ist in der Kirche erschienen, um die Grabsteine der zu Caspersbroich gehö-renden Familiengruften derer von Rombach und Kessel wegzuschieben und mitzunehmen. Ein Stein 67 Das Stift Gräfrath bemühte sich um den Wiederaufbau von Kloster und Kirche, die wie ein Grossteil des Or-tes 1686 bei einem Brand vernichtet worden waren. 1717 verbrannte die gerade erst fertig gestellte Klosterkirche ein zweites Mal. 68 Rosenthal, Solingen I., S. 54. 23 war schon eine sehr große Strecke vom Grabe weggeschoben und man erzählte mir, dass sogar ein Totengebein aus dieser Gruft in der Kirche zerstreut gelegen hätte.“69 Der Bürgerliche Adolf Holthausen hatte 1810 das Gut Casparsbroich für 20 000 Rthlr. gekauft mit allen dazugehörigen Rechten wie die Gruften in der Walder Kirche und das Kollationsrecht für die zweite Pfarrstelle.70 Ob Holthausen letztlich die Grabplatten seiner Caspersbroicher Vorgänger aus der bau-fälligen Kirche geholt und zum Schloss verbracht hat, ist nicht erwähnt. Die Ablösung der Walder Kirche vom Kloster Gräfrath Die evangelische Gemeinde Wald umfasste 1781 3700-3800 Gemeindeglieder im Alter über 10 Jahre. Dafür standen in der Kirche 865 Sitze zur Verfügung, womit die Raumenge in der Walder Kirche uner-träglich wurde. Zudem mehrten sich die Bauschäden an dem bereits über 600 Jahre alten Gotteshaus, da in den zurückliegenden Kriegszeiten wichtige Erneuerungen unterblieben waren. Aus diesem Grund befand sich die Gemeinde Wald schon seit 1713 in einem Prozess mit dem Kloster Gräfrath. Das Kloster, trotz Reformation der Hauptinhaber des Walder Zehnten, sollte zur Instandsetzung der Kirche herangezogen werden. Der Prozess begann vor dem Solinger Richter Johann Gottfried Kyll-mann und wurde nach Unterbrechungen und endloser Verschleppung in den 80er Jahren wieder auf-gegriffen Bei den vielen Zehntinhabern im Kirchspiel Wald war das Kloster aber nicht geneigt, einen Beitrag zum Kirchbau zu leisten. Man verwies auf die Belastungen nach der Brandkatastrophe von 1717, wobei die eigene Abteikirche wiederum ein Raub der Flammen geworden war. St. Ursula in Köln und die Abtei Deutz sträubten sich, die Abtei Altenberg erklärte, keinen Zehnten mehr im Kirch-spiel Wald zu besitzen71, und die beiden Ritterbürtigen, der Graf von Spee auf Schirpenbroich und der Herr von Kessel auf Hackhausen, sagten, es bliebe ihnen aus ihren Zehnteinkünften nicht mehr viel übrig, wenn sie den Wert für den „Stierochsen und Bären“ (Eber), die sie zu stellen hätten, abzögen. Auch der Sonnborner Pastor lehnte eine Verpflichtung ab. Schließlich urteilte die pfalz-bayrische Regierung 1792, Gräfrath habe nach Maßgabe seines Zehnt-besitzes an die Walder Kirchengemeinde 3911 Rthlr. 3 Stüber zu zahlen, und zwar für Reparaturzwe-cke. Sollte aber die Kirchengemeinde auf einen Neubau bestehen, so sei der Wert der Abbruchmate-rialien abzuziehen, so dass das Kloster nur 2485 Rthlr. und 15 Stüber zu zahlen habe. Das Kloster hat dieses Geld nicht aufzubringen brauchen. Als 1804 das Gewölbe des Walder Kirchenschiffs einstürz-te, bestand das Kloster nicht mehr. Durch seine Aufhebung nach dem Reichsdeputationshauptschluss gingen Vermögen und Werte der Abtei an die Domänenkammer des damaligen Landesherrn, Maximi-lian Joseph Kurfürst von Bayern. Nach 1806 wurde Frankreich, vertreten durch die Großherzöge Joachim Murat und Ludwig Napoleon, Eigentümer des Klosterbesitzes. Nach 1813 kam alles zur Do-mänenkammer des preußischen Königs, die somit Rechtsnachfolger der Abtei war und das Geld plus Zinsen nach Wald hätte geben müssen. Doch die politische und wirtschaftliche Lage der Zeit verhin-derte den Neubau der Kirche nach mehreren Ansätzen, so dass das Geld liegen blieb. Als Wald dann 1819 endlich die neue Kirche baute, wurde der Walder Anspruch an Gräfrath auf die 10 000 Rthlr. angerechnet, die der preußische König Friedrich Wilhelm III. zur Verfügung stellte.72 Es heißt zwar, der König habe den Waldern dieses Geld als Geschenk zum Bau der neuen Kirche ge-geben, doch genau nachgerechnet war diese königliche Gabe kein Geschenk, sondern stand der Gemeinde rechtlich zu. Der König war nicht so großzügig wie immer dargestellt, es war eher ein klu-ger Schachzug der preußischen Verwaltung. Der Abbruch der mittelalterlichen Kirche lieferte kaum brauchbares Material zum Bau einer neuen Kirche, denn das Bruchsteinmaterial zerfiel beim Abbau und taugte bestenfalls noch zum Wegebau. Von gleicher Qualität dürfte das Abbruchmaterial vom Gräfrather Kloster gewesen sein, das die Beamten des preußischen Fiskus schon früher wahlweise zum Ausgleich für die 2485 Rthlr. und 15 Stüber anboten. Die Walder Gemeinde lehnte aber dankend ab - nicht einmal der Transport hätte sich gerechnet. 69 Kemper, Karl, Aus der Geschichte der Stadt Wald, Berg. Heimatblätter 1928 Nr. 19, GA 33) 1810 wurde das Schloss an Johann Adolf Holthausen für 20 000 Taler verkauft. 70Rosenthal, Solingen I., S. 55. 71 Der Abt von Altenberg verprasste das Vermögen des Klosters währenddessen in Köln. 72 Rosenthal, Solingen II, S. 27. 24 Vom preußischen Staat als Rechtsnachfolger der Abtei Gräfrath wäre gerechterweise eine erneute Gegenüberstellung der Kosten für Reparatur oder Neubau vonnöten gewesen. Sehr bald wäre zu er-kennen gewesen, dass den Waldern der volle Betrag zugestanden hätte. Das Vermögen, das rechnerisch beim Kloster verblieb, hatte Ende 1792 bereits einen Wert von über 4000 Rthlr. Diese Summe vermehrte sich auch schon damals mit mindestens 3% Zins und Zinseszins. Da erst 27 Jahre nach dem Prozessbeschluss das Geld für den Kirchenbau abgerufen wurde, hatte sich der Geldwert soweit vermehrt, dass der preußische König in Wirklichkeit ein Nichts dazugeben musste. Versuche zum Neubau der Kirche Seit dem Jahre 1803 wurden im Konsistorium die Beratungen über den Neubau wieder aufgenom-men. Das alte Gotteshaus hatte in der Zwischenzeit so gelitten, dass Andacht in demselben nicht mehr gehalten werden konnten, weil das Betreten mit Lebensgefahr verbunden war. In einer Sitzung einigten sich die Vertreter des Konsistoriums über die Herstellung einer Interimskirche, die 60 Fuß = 19 m lang und 40 Fuß = 13 m breit sein, und die wenn möglich, in der Nähe der alten Kirche stehen sollte. Der Baumeister Johann Peter Still erhielt als Mindestfordernder bei der Ausschreibung für die Summe von 380 Rthlr. den Zuschlag. Im September 1805 wurde das schlichte Gebäude im Garten des Abraham Korte errichtet. Es ist das spätere Grundstück des Drogisten Lindenberg, in dessen hin-ter dem Hause gelegenen Baumhof wir den Standort der Notkirche zu suchen haben. Im Volksmund wurde das primitive Gebäude allgemein als Tende bezeichnet, wahrscheinlich ein Spottname wegen des tennenartigen Charakters. Der Zugang erfolgte hinter dem Hause des Metzgers Kampf von der Brunnenstraße aus. Die Aufbringung der notwendigen Gelder machte die größten Schwierigkeiten. Die Jahre 1806-1813 während denen das Bergische Land als Teil des Großherzogtums Berg unter französischer Herrschaft war, verzögerten das so dringend gewordene Kirchbauprojekt. Erst im Jahre 1813 kam die Sache wieder in Fluss. Jetzt ersuchte die Gemeinde Wald die großherzogliche Regierung in Düsseldorf für ihren Kirchenbau einen Architekten zu benennen, worauf von dort der damalige Stadtbaumeister Adolph v. Vagedes beauftragt wurde, sich des Walder Kirchbauprojektes anzunehmen, dem ersten Großprojekt dieser Art nach langer Zeit. Am 26. Januar 1813 berichtet Maire Lindner an den Präfekten u. a. bezüglich des Kirchbaus wörtlich: „Der geforderte Bauplan folgt anliegend. Dieser Plan hat früher nicht gefertigt werden können, weil keine Mittel zur Bezahlung desselben da waren, indem die kirchenmeisterliche Kasse die ge-wöhnlichen Bedürfnisse nicht bestreiten kann und keine anderen Gemeindefonds vorhanden sind. Die Zeichnungen für die Galerien sind weggeblieben, weil man es zu der Zeit für unmöglich hielt, die Kos-ten dazu beizuschaffen, auch einstweilen bis zu einem bis zu einem günstigen Zeitpunkt sich mit den Sitzen unten in der Kirche glaubt behelfen zu können. Die Subskriptionen sind von den Herren Predi-gern zum Teil beendet und wird ungefähr 6000 Rthlr. betragen, inzwischen sind nach einer Bemer-kung der Munizipalräte, denen ich bei Gelegenheit die Subskribierten-Liste zur Beurteilung vorgelegt habe, dabei schon jetzt fast ein Drittel Anzahlungsfähige. Die subskribierte Summe dürfte bei jetzigen Zeiten leicht zur Hälfte zusammenschmelzen. Der Kirchenkollekte wegen ist von den Predigern bei dem Herrn Präses der bergischen Synode ange-standen worden, welcher darauf bemerkt hat, dass eine solche Kollekte zuletzt für die Gemeinde zu Dhünn nur 200 eingebracht hat. Mithin diesen Weg einzuschlagen, nicht der Mühe lohne. Die Mittel, worauf also die Gemeinde fest rechnen kann, sind 1. Subskription in Höhe von 400 Rthlr. 2. aus der Domänenkasse zu zahlende 2485 Rthlr. 15 Stüber, sammelt Zinsen von der Zeit an, dass das Kapital der Gemeinde rechtlich zugesprochen gewesen. Man ist der Meinung , dass – inbegriffen des Materials der alten Kirche - mit diesen Geldern der Rumpf und das Dach des neuen Gebäudes, nebst festen Türen und Gebälke errichtet werden könne; die Galerien könnten dann wie fürderhin er-wähnt, bis zu einer günstigeren Zeit zurückbleiben. Es sind fürderhin wegen Übernahme von Bauma-terialien von dem damaligen Kloster Gräfrath anstatt der zu zahlenden 2485 Rthlr. 15 Stüber Vor-schläge gewesen, hierauf konnte sich aber die Gemeinde nicht einlassen, weilen der Transport der Materialien von Gräfrath bis hierhin mehr betragen haben würde, als der Wert desselben hier gewe-sen wäre.“… 25 In der Zeit des napoleonischen Großherzogtums Berg war ein Kirchenbauprojekt nicht zu verwirkli-chen. Nach der Niederlage Napoleons in Russland und den beginnenden Befreiungskriegen mussten sich die Franzosen nach der Völkerschlacht bei Leipzig von 1813 im folgenden Jahr 1814 auf die linke Rheinseite zurückziehen. In Berg wurde das preußische Generalgouvernement eingerichtet, so dass man hier auf bessere Zeiten hoffen konnte. Vagedes setzte 1814 seine Arbeit an den Entwürfen fort und führte die ersten entsprechenden Verhandlungen in Wald. Am 27. August 1815 wurde sein dritter Entwurf von den Vertretern der Gemeinde angenommen und zur Ausführung bestimmt. Daraufhin er-arbeitete Vagedes bis Oktober den Kostenvoranschlag, der mit einer Summe von 20 473 Rthlr. ab-schloss. Im Mai 1816 wurde durch ihn der Kontrakt für den Generalunternehmer formuliert und die Bauarbeiten an den Bauunternehmer Schnitzler aus Düsseldorf vergeben. Hungerjahre 1816-17 Schnitzler hatte bereits mit dem Abbruch der alten Kirche begonnen, als das Bergische Land von einer furchtbaren Hungersnot heimgesucht wurde. Die Ernteergebnisse des Jahres 1815 waren schon mangelhaft gewesen. 1816 trat eine große Dürre ein, Frost und Kälte trugen den Winter bis in den Ju-ni hinein. Die Blüten der Bäume verdarben und ein Bestellen der Felder und Gärten wurde unmöglich. Auf die Kälte folgte ein anhaltender Regen, so dass in den Monaten Juni, Juli und August nur drei Ta-ge regenfrei waren. Die Arbeitslosigkeit und die teuren Brotpreise ließen die Zahl der zu unterstützen-den Notleidenden steigen. Im Dezember 1816 wurden in Wald 35 Familien unterstützt. Im ganzen Winter musste 90 Familien geholfen werden, wozu monatlich 1536 Stück zwölfpfündige Brote benötigt wurden. April 1817 scheint die Armut auf höchste gestiegen zu sein; „die ersten grünenden Kräuter dienten zur Nahrung und das Unkraut auf den Feldern zur Sättigung“. Der Bürgermeister berichtete von dem gänzlichen Daniederliegen der Fabriken und aller Erwerbsquel-len. Viele Arbeitslose zogen als Schanzarbeiter nach Köln. Acht Groschen pro Tag erhielten sie. Die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse der Jahre 1816, 1817 verzögerten auch den Neubau der ev. Kirche. Die Baukosten konnten nicht beigebracht werden; man wehrte sich gegen „die exekutori-sche Eintreibung des 1/3 nach dem Mobiliarsteuerfuß“. Die Mittelklassen konnten nicht zahlen, die Oberklassen wollten ihre veranschlagten Summen nicht zahlen; sie fürchteten, auch die fehlenden Gelder aufbringen zu müssen. Allerdings waren sich alle Bewohner einig, dass eine neue Kirche er-forderlich sei, denn das bis jetzt zum Gottesdienst benutzte Interimsgebäude war ganz verfallen und im Winter kaum zu gebrauchen. Sie waren sich aber auch einig, „dass eine so kostbare Kirche – nach den Kosten zu urteilen - nicht dem Zwecke und der verwahrlosten Zeit“ angemessen sei. Man wollte einen einfachen und soliden Bau haben. Unter dem 11. November 1817 heißt es: „ bei der heute hier abgehaltenen Versammlung des Kirchli-chen und Bürgerlichen Vorstandes ist allgemein beschlossen worden, dass der Bau der hiesigen re-formierten Kirche nach Vorschrift der hohen königlichen Regierung gleich vorgenommen werden soll. Sie werden daher ersucht, ungesäumt Anstalten zu treffen, dass die Kontributionen der ersten und zweiten Klasse zur Zahlung ihrer Beiträge zu den Kirchbaukosten angehalten werden, hingegen die dritte Klasse bis auf nähere Bestimmung freibelassen bleiben müsse.“ 73 Aufgrund der katastrophalen Lage hatte auch die Regierung in Düsseldorf noch nicht die Genehmi-gung zur Errichtung der Kirche erteilt. Erst im Dezember 1817 lief diese in Wald ein. Zu alledem er-klärte der Bauunternehmer Schnitzler, dass er infolge durch die Teuerung gestiegenen Löhne und Le-bensbedingungen den Bau für den übernommenen Preis nicht mehr ausführen könne, und so wurde der abgeschlossene Kontrakt am 9.Februar 1818 gelöst. Mit dem Baumeister Christian Franzen zu Düsseldorf wurde ein neuer Kontrakt abgeschlossen, nach dem der Bau für 23 100 Rthlr. übernom-men wurde. Um weitere Mittel für den Bau zu bekommen beantragte die Gemeinde Wald eine Genehmigung zur Kollekte für ihr Projekt, die aber von der Regierung abgelehnt wurde. Daraufhin reichte am 4. April 1818 der Kirchenvorstand eine Bittschrift um Zuschuss zu den Kirchbaugeldern an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ein. Schon am 27. April 1818 kam die Antwort, dass der König 10 000 Taler und dazu das gesamte Bauholz stiften wolle. 73 Kemper, Karl. 26 Grundsteinlegung zur neuen Kirche Am 18.8.1818 fand in feierlicher Weise die Grundsteinlegung satt. Unter dem Geläut aller Glocken bewegte sich ein nach Tausenden zählender Festzug durch die geschmückten Straßen der Stadt nach dem Bürgermeisteramt Weyer, wo die Ehrengäste, Regierungspräsident Freiherr von Pestel, die Regierungsdirektoren Dedeking und Linden und noch einige Regierungsräte abgestiegen waren. Die Anwesenheit und das Interesse der hohen Regierungsvertreter lassen vermuten, dass es sich bei der Walder Kirche um ein Prestigeprojekt der neuen preußischen Landesherren handelte. Zudem war es der erste Kirchenbau, der im preußischen Rheinland erstellt werden sollte. Die Ehrengäste traten in den Festzug ein und wurden zum Bauplatz geleitet. Die alte Kirche war abge-tragen worden und neben dem stehen gebliebenen Turm wurde der Grundstein gelegt, der eine von Vagedes geschaffenen Denkmünze und eine auf Pergament geschriebene Urkunde enthielt. Auf der einen Seite der Denkmünze, die die Größe eines Talers hat, ist das Auge der göttlichen Vorsehung mit der Umschrift: „O Herr hilf! O Herr lass wohl gelingen!“ Auf der anderen Seite sind die Worte eingeprägt: „Bei Gründung des Gotteshauses zu Wald am 18. August 1818.“ Die Urkunde hat folgenden Inhalt: „Zu dieser Kirche wurde der erste Grundstein am 18. August 1818 gelegt. Der Plan dazu wurde von dem Regierungs- und Baurat von Vagedes entworfen und von dem Herrn Christian Franzen zu Düs-seldorf für 23 100 Talern ausgeführt. Zu den Kosten schenkte Sr. Majestät, der König von Preußen, unser allergnädigster König und Herr, 10 000 Reichstaler und das sämtliche Holzwerk. Das Übrige wurde von der Gemeinde hergegeben. Heil dem Könige, der seines Volkes Vater ist! Heil Friedrich Wilhelm der Dritte.“ Aus der Rede des Pastors Schemmann Über die Grundsteinlegung wurde in Wald eine kleine Druckschrift verfasst, in der diese Einzelheiten wiedergegeben wurden. Unter anderem enthält sie auch eine Rede des Walder Pastors Friedrich Eduard Gottlieb Schemmann, der bei dieser Gelegenheit noch einmal auf die vielfältigen Schwierigkei-ten der Gemeinde mit der Finanzierung eines neuen Gotteshauses hinwies. Der Solinger Heimatfor-scher Werner Eyl veröffentlichte daraus 1927 einen Auszug: „Die hiesige alte Kirche, vielleicht eine der ältesten des Landes, war durch die von Zeit zu Zeit hinzu-gefügten Erweiterungen in ihrer Form ganz verunstaltet, so dass sich deswegen schon der Wunsch zur Erbauung einer neuen Kirche hätte entwickeln können. Außerdem fing die vielteilig zusammen ge-schobene Masse schon seit mehr denn 30 Jahren an, sich trennen zu wollen. Im Jahre 1780 unternahmen die beiden derzeitigen Prediger, Herr Wald und Herr Wever, eine Sub-skription 74 in der Gemeinde für den Bau einer neuen Kirche. Der Betrag derselben war nicht unbedeu-tend. Es wurde von den Gemeindegliedern über 9000 Rthlr. dazu verzeichnet. Damals wäre vielleicht der Kirchbau gleich ausgeführt worden: allein die Gemeinde geriet in einen Rechtsstreit mit der dama-ligen Abtei Gräfrath. Man fand nämlich, dass derselben die Verbindlichkeiten zum Neubau der Kirche, wegen eines auf der Gemeinde ruhenden Zehnten oblag. Dieser Punkt wurde von der Abtei Gräfrath umgangen, welche zu beweisen suchte, dass die alte Kirche noch reparierbar sei. Erst im Jahre 1792 kam unter der hohen pfalz-bayrischen Regierung ein Endurteil zum Vorschein, nach welchem die alte Kirche für reparierbar erklärt, und die Abtei angewiesen wurde, der Gemeinde zur Ausbesserung der-selben die Summe von 3911 Rthlr. zu bezahlen: jedoch stand es der ev. Gemeinde auch frei, die Kir-che neu zu bauen. Dann aber könne das Kloster für die zum Neubau anzuwendenden Materialien der alten Kirche 1425 Rthlr. und 4 Stüber abziehen, und es verblieben der Gemeinde nur 2485 Rthlr. und 15 Stüber. Durch diesen langwierigen und kostspieligen Rechtsstreit wurden dem Kirchbau wichtige Hindernisse in den Weg gelegt. Man gebrauchte die Kirche wie sie war, da für die Reparatur derselben wenig Sinn, und für den Neubau die Kräfte erschöpft waren. Dieser Stillstand währte so fort bis ins Jahr 1804. Da stürzte unversehens, eben nach geschlossenem Gottesdienste, ein Teil des Gewölbes der alten Kir-che ein, und die drohende Lebensgefahr regte die Bausache aufs Neue an. Die damaligen Prediger, Herr Engels und Herr Batzenschläger übernahmen eine neue Subskription für den Kirchbau, welche 74 Subskription: hier die Zusage für einen zu zahlender Betrag für den geplanten Kirchenbau. 27 auch eben so günstig wie die erstere ausfiel. Zu den Vorbereitungen ging noch einige Zeit hin, und besonders wurde durch den sich um diese Zeit zwischen den Mächten Österreich und Frankreich entwickelnden Krieg, der von nachteiligen Folgen auf den Gang der hiesigen Fabrik zu sein schien, noch etwas gezögert. Beim Frieden im Jahr 1805 sollte der Bau vorgenommen werden. Man erbaute ein Tentorium (Hilfskirche) und brachte das Innere der alten Kirche, die nun vollends ihrem Einsturze nahe war, darin an. Da brach auf einmal der Krieg zwischen Preußen und Frankreich aus. Die ganze unglücksschwangere Periode der französischen Obergewalt folgte. Der Wechsel der Regierung, das gänzliche Stocken der Gewerbe, neue Kriegsauftritte etc., waren die Ursachen dass der Bau abermals nicht fortging. Doch Not, pflegt man zu sagen, bricht Eisen. Gegen das Jahr 1812 fing auch die errich-tete Hilfskirche an, die nur auf die Dauer von 3 Jahren berechnet war, die Spuren ihrer Überlebung zu zeigen. Auf dem höchsten Gipfel der geldarmen Zeit wagte man es, eine neue Subskription für den Kirchbau zu unternehmen. Sie wurde durch den jetzigen Prediger, den Herrn Pastor Schnabel und mich, begonnen. Die Resultate waren wiederum erfreulich: aber teils die Unmöglichkeit, die noch feh-lenden Kosten aufzubringen; teils endlich die Gerüchte eines sich mit dem Norden bald entwickelnden Krieges geboten auch hier einen Stillstand, der, so ungern er auch angenommen wurde, doch unver-meidlich war. Der Krieg entwickelte sich wirklich. Russland und die mit ihm in den Bund tretenden Mächte erfochten Siege von Moskau bis Paris. Der Friede und mit ihm die Freiheit des deutschen Va-terlandes waren ihre Folgen. Die große Zeit ergriff mächtig die Gemüter; auch die unsrigen, und der Freiheit und des Friedens Frucht sollte die neue Kirche werden. Die Subskription des Jahres 1812 wurde revidiert und alle Anstalten zum Bau getroffen. Urplötzlich rief Bonapartes Rückkehr von Elba die Schwerter der Verbündeten wieder zusammen. Aufs Neue wurde gekämpft und neue, große Op-fer mussten gebracht werden. Hier wiederum Stillstand! Nach wieder erkämpften Frieden setzten Missernten, Geldnot und die folgenden Hungerjahre mit ihren drückenden Entbehrungen ein. Die Stil-lung der allgemeinen Not erforderte die Aufbringung aller Kräfte, und die Ausführung des Kirchbaues wurde wieder verschoben. Bei so vielfältigem Misslingen, und in dieser, für die hiesige Fabrikgegend nicht günstigen Zeitperiode, wagte es die Gemeinde, Sr. Majestät, dem Könige, ihre Lage ehrfurchtsvoll und bescheiden vorzutra-gen. Auf eine eingereichte Vorstellung vom 4. April d. Js. erfolgte noch im selben Monat ein Königli-ches Kabinetts-Schreiben, also lautend: „Ich will auf die Vorstellung der Gemeinde Wald vom 4. April, das zum Neubau ihrer Kirche erforderli-che Holz ganz, und zu den außerdem noch nötigen Kosten die Hälfte mit 10 000 Rthlr. übernehmen, wenn die andere Hälfte von den beitragsfähigen Mitgliedern der Gemeinde aufgebracht wird.“ Mit 1000 Segenswünschen über den König wurde der erforderliche Geldzuschuss durch eine Sub-skription unter den beitragsfähigen Mitgliedern der Gemeinde aufgebracht, und der Bau dem Herrn Christian Franzen in Düsseldorf, nach einem von dem Herrn Regierungs- und Baurat von Vagedes entworfenen Plane für die Summe von 23 100 Rthlr. zur gänzlichen Ausführung übertragen; wobei je-doch das demselben von Seiten der hohen Königlichen Regierung in Natura zu liefernde Holz nach dem, dem Plane beiliegendem Kostenanschlage, in Aufrechnung gebracht wird. Hierauf wurde denn endlich am 18. August dieses Jahres der erste Grundstein zu der neuen Kirche gelegt, und es ergibt sich aus dem Voraufgeführten, dass diese Augenblicke der Gemeinde recht fei-erlich und freudenreich sein mussten. Wie traurig und elend sieht es doch mit dem Orte aus, an dem unsere gottesdienstlichen Versamm-lungen nun bereits schon 13 Jahre gehalten worden sind! Diese einfache Hütte, nur auf die Dauer von 3 Jahren berechnet hat ihre Bestimmung bei 10 Jahren überlebt, und ist ja bereits schon so verfallen, dass sie tief unter der Würde eines gottesdienstlichen Versammlungsraume steht. Welch einen äu-ßerst nachteiligen Einfluss hat ihre, freilich notwendig gewordene, überlange Beibehaltung nicht auf das innere Leben und die äußeren Verhältnisse der hiesigen Gemeinde bewirkt! Wie sehr wurde die Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst dadurch geschwächt und die kirchlichen Armenmittel zerrüt-tet? Ihre Gestalt nimmt immer mehr ab, und in wenigen Jahren stürzen ihre morschen Wände zu Bo-den. Sähen wir den Bau der Kirche noch lange ausgesetzt, wo ging´s mit uns hinaus? Hätten wir nicht begründete Hoffnung, innerhalb zweier Jahre einen neuen gottesdienstlichen Versammlungsort in un-serer Mitte zu haben, so möchte ich wahrlich nicht in die Zukunft hinausschauen. Die höchste Verwir-rung in der Gemeinde würde sicherlich erfolgt, ihre ganze Haltung verloren gegangen sein, wenn nicht 28 der gegenwärtige Zustand der Dinge noch eine Reihe von Jahren fortgewährt hätte. Aber nun getrost! Nicht lange mehr, und es wird ein neuer Tempel mit Gott dastehen.“75 Erneute Verzögerungen Pastor Schemmann hatte nach dieser Rede nicht vermuten können, dass er mit seiner Gemeinde die Notkirche noch weitere 6 Jahre für den Gottesdienst benutzen musste. Selbst nach der feierlich be-gangenen Grundsteinlegung konnte der Kirchenbau erst ein Jahr später im August 1819 begonnen werden. Es fehlten die erforderlichen Baumaterialien. Die notwendige Infrastruktur, solche Bauten nach den jahrzehntelangen Notzeiten errichten zu können, musste erst noch geschaffen werden. Der preußische Staat richtete sich am Rhein ein und verbrauchte für seine militärischen Anlagen Unmen-gen an Steinmaterial, so dass die Organisatoren kirchlicher Großbauten mit ihren Bestellungen zu-rückstehen mussten. Die Steinbrüche des Siebengebirges lieferten nur langsam das angeforderte Quadermaterial für den Sockel der Kirche, zum Teil griff man vorerst auf Abbruchsteine aus der am 7.November 1815 niedergebrannten und danach einstürzenden Abtei Altenberg zurück. Erschwerend kam der langwierige Transport mit Fuhrwerken auf mehr als nur schlechten Wegen im Land dazu, der mit zunehmender und anhaltender Winterkälte lange unterbrochen werden musste. Die Ziegel für das aufgehende Mauerwerk der Kirche sollten vor Ort hergestellt werden. Dafür musste der Unternehmer J. Witte zum Scheidt erst in der Nähe eine eigene Ziegelbrennerei anlegen. Die Lehmvorkommen am westlich von Wald abfallenden Gelände (Ziegelstraße) ermöglichten die Ziegelfertigung im offenen Feldbrandverfahren. Die Produktion war zwar billig, hatte aber einen hohen Ausschussanteil und war stark von der Witterung abhängig. Bis zum Wintereinbruch konnte nur wenig hergestellt werden und im Frühjahr lief die Produktion erst nach den frostfreien Nächten allmählich an. Selbst nach dem Bau-beginn der Kirche im August 1819 standen die Maurer häufig ohne Material da, so dass der ange-strebte Zeitpunkt der Fertigstellung schon bald aufgegeben werden musste. Über die Schwierigkeiten die sich im anschließenden Bauverlauf der Kirche einstellten, berichtet Wolf-gang Zimmermann in seiner Dissertation von 1963/64 „Der Baumeister Adolph v. Vagedes und seine Kirchen“. Hier folgt ein Auszug aus der Arbeit. Erbauung der protestantischen Kirche in Solingen-Wald von Wolfgang Zimmermann Die protestantische Kirche in Solingen-Wald ist der erste Kirchenbau des Düsseldorfer Stadtbaumeis-ters und Architekten Adolph von Vagedes. Sie steht an einer durch ihre Lage ausgezeichneten und auf einem nach Westen abfallenden Höhenrücken. Heute noch, trotz Ausweitung des Ortes, be-herrscht diese verhältnismäßig kleine Kirche das Bild der Stadt. Bei der Wanderung durch die Straßen Walds erscheint immer im Blickpunkt ihr eindrucksvoller Turm. Dieser, mit seinen über zwei Meter starken Wänden einem Festungsturm ähnlich, hat schon zu einer mittelalterlichen Kirche gehört. Er ist aus Bruchsteinen (Grauwackeschiefer) errichtet und verputzt. Architekturglieder, wie Lisenen oder Bogenfriese fehlen, einzige Zierde sind im Obergeschoss auf jeder Seite zwei gekoppelte romanische Rundbogenfenster, durch eine Mittelsäule mit stark verwittertem Kapitell getrennt. Der Überlieferung nach war die Kirche eine dreischiffige Basilika mit eingezogenem Chor und halbrunder Apsis. Der Turmhelm, vermutlich eine einfache vierseitige Pyramide, wurde bei einem Brande anfangs des 18. Jahrhunderts vernichtet. Die jetzige barocke Haube stammt aus dem Jahre 1746; Jahreszahl und Namen des Zimmermeisters fand man bei Renovierungsarbeiten auf einem Balken eingeschnitten. Im Laufe der Zeit war die romanische Basilika so baufällig geworden, dass man schon 1780 an einen Neubau dachte und für diesen Zweck Geld sammelte. Obwohl die Gemeinde seit der Reformation pro-testantisch war, befand sich die Kirche im Besitz der nahe gelegenen Abtei Gräfrath, an die nach wie vor der Zehnte gezahlt werden musste. Die Abtei hatte die Pflicht, das Gebäude zu unterhalten bzw. eine neue Kirche zu bauen. Von dieser Verpflichtung konnte sie sich erst 1792 durch Zahlung von 2 485 Reichstalern und 35 Stübern lösen, nachdem lange Rechtsstreitigkeiten und ein Prozess vo-rausgegangen waren. Nun aber, nach Klärung der Rechtslage, verhinderten die auf die französische Revolution folgenden Kriege den Neubau. Im Jahre 1804 stürzte das Kirchenschiff wegen seiner Bau- 75 Werner Eyl, in Bergische Heimatblätter 1927, Nr. 22, (GA 33) 29 fälligkeit ein. Da jedoch nicht genügend Mittel für den Bau einer neuen Kirche vorhanden waren, musste man zunächst 1805 als Provisorium eine hölzerne Notkirche bauen. Als endlich der Friede wieder hergestellt war, gingen Pfarrer und Kirchenrat sofort mit Energie an die Aufgabe, diese Behelfskirche durch einen massiven Neubau zu ersetzten. Im September 1814 wurde in einer Sitzung der Gemeindevertreter der Beschluss gefasst, das Generalgouvernement zu bitten, einen Architekten für die Planung der neuen Kirche zu nennen. Daraufhin wurde Baudirektor v. Vage-des nach Wald geschickt, „um das Lokal in Augenschein“ zu nehmen und den Entwurf vorzubereiten. Die reizvolle Aufgabe, den wuchtigen romanischen Turm mit seiner barocken Haube zu einem Gan-zen mit dem neuen Kirchenschiff zu verbinden, machte sich der Architekt nicht leicht. Er fertigte zu-nächst im Frühjahr 1815 vier unterschiedliche Entwürfe und einen fünften, „wohlfeileren“ an, die alle nicht mehr erhalten sind. Der Entwurf III wurde am 27. August 1815 von der Gemeinde angenommen und zur Ausführung bestimmt. Im Oktober legte Vagedes den Kostenvoranschlag vor, der mit einer Summe von 20 473 Talern Berliner Courant abschloss. Im Mai 1816 wurde durch ihn der Kontrakt für den Generalunternehmer formuliert und die Bauarbeiten an den Bauunternehmer Schnitzler aus Düs-seldorf vergeben, der mit dem Abbruch der Ruine des Kirchenschiffs begann. Als man die Verdingung der einzelnen Gewerke vorbereitete, erschien plötzlich der Gemeinde die Kir-che zu klein, obwohl sie bislang den Plänen zugestimmt hatte. Sie veränderte die vom Architekten festgelegten Maße des Bauwerks, wie Vagedes bei der Durchsicht der Protokolle feststellte. In einem Schreiben vom 25. Nov.1816 beschwerte er sich darüber beim Bürgermeister von Wald: „Die hohe Königliche Regierung hat die Hochderselben vorgelegten Verdingungsprotokolle vom 20. Juli und 10. August ds. Jrs. über den Neubau der Kirche zu Wald in Vergleich mit dem genehmigten Plan reiflich geprüft und daraus mit Missfallen ersehen, dass man nicht nur in einzelnen wesentlichen Theilen des Gebäudes unzweck-mäßige Abänderungen getroffen, sondern dass man auch willkürlich, ohne alle Kunde des betreffenden Gegen-standes, die Hauptdimensionen des organischen Zusammenhanges gedachten Planes dermaßen widernatürlich verschoben hat, dass wenn nach diesen Verdingungen verfahren würde das ganze Werk unsolide, verzerrt und verkrüppelt ausfallen würde…“ Dem Wunsche der Vergrößerung des Bauwerks kam Vagedes nach, indem er zu jedem Fuß einen Zoll hinzufügte (also je Fuß 13 statt 12 Zoll), um so die willkürlichen Veränderungen der Proportionen des Gebäudes zu verhindern. Auf allen zukünftigen Plänen wurde diese Anordnung jeweils vermerkt. Der zügige Fortschritt des Werkes wurde durch die nun folgenden Hungerjahre 1816/17 und die all-gemeine Teuerung vereitelt. Trotzdem arbeitete Vagedes weiter an der Planung, wie uns die Datie-rung des ersten erhaltenen Planes von 1817 zeigt. In diesem Jahre erteilte zwar die Regierung die Er-laubnis, mit dem Bau zu beginnen, doch wurde die Bitte um Genehmigung einer Kollekte abgelehnt. Außerdem trat der Unternehmer Schnitzler, der den Abbruch durchgeführt, aber mit dem Neubau noch nicht begonnen hatte, von seinem Vertrag zurück, da er für die festgesetzte Summe die Kirche nicht mehr errichten könne. Der Kontrakt wurde am 9.2.1818 aufgehoben; Vagedes fand einen anderen Generalunternehmer in Düsseldorf, Johann Christian Franzen, der den Auftrag für 21 300 Taler über-nehmen wollte. Am 4. April 1818 reichte der Kirchenvorstand eine Bittschrift um Zuschuss zu den Kirchbaugeldern an König Friedrich Wilhelm III. von Preußen ein. Schon am 27. April 1818 kam die Antwort, dass der König 10 000 Taler und dazu das gesamte Bauholz stiften wolle. Der Grundstein wurde am 18. August des gleichen Jahres neben dem alten Turm gelegt; in ihm schloss man eine Gedenkmünze an diesen feierlichen Tag und eine Urkunde ein. Der Kupferstecher Breitenstein hatte die Gedenkmünze gestochen, der Silberschmied Willems sie gegossen. Vagedes kümmerte sich um alle diese Dinge selbst und machte vermutlich sogar den Entwurf für diese Münze. An der Feier nahmen teil der Regierungspräsident Freiherr von Pestel, mehrere Regierungsdirektoren und –Räte, unter ihnen auch Vagedes, und die beiden Pfarrer von Wald, Schnabel und Schemmann. Pfarrer Batzenschläger aus Hilden, vormals in Wald tätig, hielt die Festansprache und schloss mit den Worten: „Ihr könnt nun unbedenklich eine Kirche in einem edlen Stil bauen und unbesorgt ihrer Vollendung ent-gegen sehen… legt ihn fest, den köstlichen Stein und führet darüber dem Plane gemäß ein Meisterwerk der Baukunst auf, eine Zierde für diesen Ort, ein Muster für andere Kirchen, und Euch selbst ein Ehrenmal bei den entferntesten Nachkommen!“ Er konnte damals nicht ahnen, welche Schicksale der Bau erleiden würde. Vagedes arbeitete nun den Bau in seinen Zeichnungen planmäßig durch. Da er sich die Blätter ein-zeln honorieren ließ, können wir in den Akten genau feststellen, welche Pläne er selb |
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